Der gefundene Sohn. Edeltraud-Inga Karrer

Der gefundene Sohn - Edeltraud-Inga Karrer


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Als Jack seine Mutter sieht, muss er alle Kraft aufbieten, um sein Erschrecken zu verbergen. Klein und zerbrechlich liegt sie in dem großen Bett.

      Einst war sie diejenige, auf die sich jeder verlassen konnte. Sie war die starke Persönlichkeit in der Familie. Sie war diejenige, die Jo immer wieder ermunterte, weiter zu machen und sich gegen das ständige Mobbing in seiner Firma zur Wehr zu setzen. Er hätte sicher längst aufgegeben, wenn sie ihm nicht immer und immer wieder den Rücken gestärkt hätte. Sie war auch die, die fast ausschließlich allein die Erziehung der Zwillinge schulterte. Arztbesuche, Elternabende, Anmeldungen in Sportvereinen, alles blieb an ihr hängen und sie brach unter diesen Lasten nicht zusammen.

      Und jetzt, wo doch alles geregelt ist, Johannes nur noch ein Jahr arbeiten muss und sich in der neuen Firma sehr wohl fühlt, jetzt, wo die Jungs aus dem Haus sind, sollte sie sich ausruhen können. Ausgerechnet jetzt bricht sie doch noch zusammen.

      Sie schaut ihren Sohn aus ihren großen Augen an, die dunkel und mit langen Wimpern umkränzt sind, wie um Verzeihung bittend. Sie muss nicht um Verzeihung bitten, er ist es. Sie ist immer noch schön, trotz der eingefallenen Wangen hat sie noch immer eine glatte Haut. Ihre dunkelblonden Haare wellen sich noch immer üppig um ihr schmales Gesicht. Hier und da ziehen sich silberne Fäden hindurch. Die Stupsnase, über die sich die heranwachsenden Söhne lustig gemacht haben, ist immer noch von Sommersprossen übersät. Sie wirkt jung, trotz ihrer Krankheit.

      Aber Jack sieht das alles nicht. Ihn irritiert ihr Zustand. Ihn entsetzt ihre Schwäche, die Hinfälligkeit, die sich hinter der Diagnose Krebs verbirgt. Er nimmt ihre schmale Hand in die seine und drückt sie ganz vorsichtig, als könne er sie zerbrechen. Nein, er wird nicht weinen. Er ist kein Weichling, aber er ist grenzenlos traurig. Er spürt mit großer Macht seine absolute Hilflosigkeit. Diese Hände haben ihn, er weiß nicht, wie oft, gestreichelt, ihm die Nase geputzt, ihn gekämmt, ihn mit einem Klaps verabschiedet, wenn er sich auf den Weg zur Schule gemacht hat. Sie haben geklatscht, als er mit der Nachricht nach Hause kam, sein Abitur mit einer Eins absolviert zu haben. Diese Hände konnten sich freuen, konnten jedes Gefühl ausdrücken, und nun liegen sie hier auf der Bettdecke, unbeschäftigt, kalt und ihrer Aufgaben enthoben.

      Als sie sich nach einer Stunde verabschieden – sie ist so müde – streicht sie ihm, wie vor vielen Jahren, mit zarter Hand über seinen Blondschopf. Immer noch wachsen seine Haare in alle Richtungen und lassen sich nicht bändigen. Mühsam lächelt sie ihm zu und nickt. Diese wunderbare Frau – immer noch stark! Alles in Ordnung. – Nein, nichts ist in Ordnung! Dieser Schmerz will nicht verschwinden, diese Trauer um seine Stütze im Leben, um die Mutter, die er für unsterblich und unbesiegbar gehalten hat. Wieviel Kraft musste sie eben aufwenden, um zu lächeln? Er spürt, dass sie gern der Rückhalt wäre, den sie alle brauchen. Doch nun ist sie zu einer hilflosen Hülle geworden, die jeder Zeit in sich zusammenfallen kann. Jakobs Herz ist so schwer geworden.

      Sie bleibt noch ein paar Tage in der Klinik, dann darf sie wieder nach Hause. Johannes freut sich, seine Frau wieder bei sich zu haben.

      Magda liegt fast den ganzen Tag auf der Couch, von wo aus sie ihre beiden Männer beobachten und hören kann. So finden noch viele Gespräche statt und manche Unklarheit wird ausgeräumt. Die meiste Zeit aber sitzt ihr Sohn bei ihr, hält ihre Hand und schweigt. Sie weiß wie er, dass nichts mehr gesagt werden muss. Sie sind sich nah und das ist das einzige, was zählt. Viele Jahre später wird Jakob sich noch gern an diese Stunden erinnern. Vielleicht waren sie die einzigen wirklich großen Werte in seinem Leben.

      Johannes und Jack bemühen sich, ihr den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Doch ihre Sehnsucht nach Andreas können sie ihr nicht nehmen. Immer wieder fragt sie bang und erwartet keine Antwort mehr darauf: »Wo wird er sein? Was macht er gerade? Wie kann ich ihn erreichen? Ich würde ihn so gern bei mir haben, genau wie Jack.« Ihre Stimme wird immer zarter, immer weniger hörbar. Es ist fast nur noch ein Flüstern. Wie ihr Körper zerbrechlicher, ihre Haut durchscheinender und ihr Lächeln müder wird, geht sie langsam davon. Man sagt: ›Die Augen sind der Spiegel der Seele.‹ Und so kann Jakob auch die Seele seiner Mutter in ihren Augen erkennen – ein reiner Blick, aber schon nicht mehr hier. Sie spricht mit ihnen, sie schaut sie auch an, dennoch ist sie weit weg. An diesem Leben scheint sie nichts mehr wirklich zu interessieren.

      Für ihren Herzenswunsch finden sie alle keine Erfüllung. Sie haucht: »Andreas, mein Andy«, und drückt dabei, leicht wie ein Vogel, Jacks Hand. Er weiß traurig, dass er nicht gemeint ist.

      Noch ein paar Wochen. Ihr Leiden wird durch Morphium gelindert. Doch durch die Behandlung hat sie immer wieder Halluzinationen, in denen sie glaubt, Andy sei bei ihr.

      Wenn sie dann in klaren Augenblicken feststellt, dass dies nur eine Täuschung war, muss sie weinen. Häufig dämmert sie vor sich hin. Jo und Jack spüren, wie sie sich immer mehr von dieser Welt verabschiedet. Sie verbringen jede freie Minute an ihrem Lager, halten ihre Hand und erzählen ihr, was für eine bewundernswerte Frau und Mutter sie ist.

      Sie können ihr den Weg zwar ein wenig erleichtern, abnehmen können sie ihn ihr nicht. Dann ist es vorbei. An einem schönen Sonntagmorgen hat sie es geschafft. Es ist in der Nacht ein Todeskampf vorausgegangen. Jack und Jo waren bei ihr, haben ihr den Schweiß von der Stirn gewischt und versucht, ihr Wasser einzuflößen. Das hat sie nicht mehr getrunken. Und dann steht der Sieger fest.

      Der Schmerz kommt, überwältigt die Männer aber nicht. Sie haben Gelegenheit gehabt, sich zu verabschieden und das macht ihnen die Trennung etwas leichter.

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