entre dos tierras. Peter Geipel

entre dos tierras - Peter Geipel


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all diese kleinen Mücken eine Schutzhelmpflicht dank des neuen europäischen Mückensicherheitsgesetzes, das sie dann bei all dieser Aufregung und dem Hin und Her und Her und Hin dann doch vor zu heftigen Aufprallern oder Zusammenstößen deutlich schützt.

      Hier unten am Pier, bei all den Konferenzen, ein Liebes in den Armen halten, den feinen Flaum der Arme spüren, ganz, ganz fein, leicht hellgelb, so als ob es fast nicht wär’. Der Handrücken streicht vorsichtig über die Stirn, silbergelb. Finger berühren die Brauen und folgen ihrem Lauf, lila, über Schläfen und Wangen, hellblau, berühren die Lippen, folgen ihrem Lauf. Trotz oder gerade wegen all dieser Mückenkonferenzen ist es besonders schön hier.

      Ganz arg vorsichtig tun sie es, zart, hell-violett, fein, ruhig. Schweigsam, lautlos, denn es gibt keine Worte, denen es erlaubt wäre, in dieser Gegenwart zu sprechen. Dazu ist die Gegenwart viel zu stark, viel zu mächtig, viel zu respektvoll.

       Mir wird ganz heiß

      Jetzt hat sich der Saxophonspieler wieder an seinem Platz eingefunden mit seinem Freund, dem Gitarrenspieler. Und sie spielen und spielen auch längst Gedachtes. Sie spielen längst Gedachtes in ihre Hüte hinein, die immer voller und voller werden. Sie passen gut hierher, und sollten auch gar nicht weggehen, die sollen einfach hierbleiben und immer und immerfort spielen, spielen und spielen, bis sie so ganz arg müde sind, dass sie nimmer spielen können. Und dann sollen sie immer noch weiter spielen - wenn sie nur wüssten, für wen sie da spielen. Der Saxophonspieler und der Gitarrenspieler.

      Wenn sie es nur wüssten, für wen sie längst Gedachtes in ihre Hüte hineinspielen, sie spielen gemünzelte und getönte Töne in ihre Hüte hinein und wippen mit ihren Körpern ganz im Takt der kleinen Wellen, die das Wasser macht – aber sie wissen es nicht, deshalb werden sie auch bald aufhören zu spielen. Weil das Gemünzelte, Gespielte jetzt reicht und die Hüte voll gemünzelter gespielter Münzel sind. Sie sind vollgemünzeltmietet.

      Als ich dann so ganz arg müde bin und seit Langem wieder einmal in einem richtig schönen Bett liege, in meinem mir viel zu großen Bett liege, mich so richtig strecke und recke, mich fast nicht mehr spüre, da, ja da fangen die beiden Musiker wieder an zu spielen; das Saxophon mit der Gitarre, die Gitarre mit dem Saxophon, und dann spielen sie dieses mal nur für mich ganz allein. Nur für mich - der Freund und sein Freund. Was für eine Freude.

      Dann, ja dann spiele ich einfach mit - ich spiele mit der Mundharmonika einfach mit, auch ich fange jetzt an, mit meinem Körper zu wippen, ganz im Takt der kleinen Wellen, die das Wasser macht da unten. Ich spiele Bratsche und Geige, dann Tuba und Trompete, Harfe und Cello. Was für ein Orchester. Was für Töne, welch’ eine Komposition.

      Antonio Vivaldi, Francis Poulenc, John Rutter, ich sitze bei allen dreien, spiele und singe Gloria. Gloria in excelsis Deo et in terra pax hominibus bonae volutatis. Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden, Frieden den Menschen, die guten Willens sind.

      Ich sitze auf dem grauen Kopfsteinpflaster und schütte mir die gespielten, gemünzelten Dukaten in den Schoß. Nun liegen die Noten auf dem grauen Asphalt unter mir und auf meiner Hose. Ich greife hinein in meinen Schoß und auf den Asphalt und werfe die gegriffenen Töne hoch in die Luft. Mit beiden Händen greife ich in die Töne, greife wie ein Dirigent in das Orchester, ich greife in die Partitur und werfe die Töne mit aller Kraft in die Luft. Was für eine Melodie, was für ein Orchester.

      Jetzt greifen alle nach den Münzen und werfen sie in die Luft. Das sind ja alles Dirigenten. Sie greifen nach den Instrumenten und werfen sie in die Luft, sie fliegen hoch und weit, sie drehen und schrauben sich bogenförmig in den lauen Sternen-Nachthimmel hinein. Sie scheinen gar nicht mehr herunterkommen zu wollen, ihr Flug verlangsamt sich jetzt, ihre Drehungen, Schraubungen und Windungen, Wendungen verlangsamen sich zu einem phantastischen Oratorien-Zeitlupenbild der Instrumente, die sich schrauben und winden und drehen und turbeln und taumeln, bis sie auf dem Boden aufschlagen. Was für Töne, was für ein Oratorium. Stockhausen?

      Was für Töne das macht. Die Instrumente beginnen von alleine zu spielen und zu spielen und zu spielen, eine gar sonderbare Musik, die das macht, was für ein Orchester, was für ein Oratorium. Alle lachen, die beiden Freunde, ich und die Gäste, für die sie spielen - keiner, der böse guckt oder mürrisch ist. Sie freuen sich und sind in besonderer Stimmung. Was für eine Komposition. Alle lachen, die beiden Freunde, ich und die Gäste, für die sie spielen, ich spendiere für das rumliegende Geld ein paar Flaschen Rotwein, ein Côtes du Rhône, mis en bouteille dans la Propriétaire. Wir trinken miteinander, lachen, feixen und lachen, sind fröhlich und ausgelassen, leicht ist es jetzt, himmelblau, in dunkler, lauer, klarer Sternen-Himmelsnacht.

      Jetzt spiele ich ein wenig Saxophon in den lauen, klaren, dunklen Sternenhimmel von Villefranche-sur-Mer. Ich springe auf den Tisch, einfach weil mir danach ist, und spiele und spiele und spiele und sie hören mir zu. Der Gitarrenspieler und der Saxophonspieler, und die anderen Gäste an den Tischen. Ich schließe dabei die Augen, um besser dort sein zu können, wo ich spielen will. Mir wird ganz heiß, so heiß, als hätte ich zu lange in der Sonne gesessen.

      Als ich die Augen wieder aufmache, höre ich in der Ferne einen Zug fahren; als ich auf die Uhr sehe, ist es früh am Morgen, so gegen vier - es ist mir jetzt nach einem Glas Wein, einem guten, der guttut, so ein bisschen.

       Gerade so - als ob es noch wär’

      Heute lasse ich die Zeit mal von den anderen machen, ich liege im Sand, es ist noch warm, aber ich spüre deutlich die Vorboten dessen, was wir als kühle Kälte kennen. Das Wasser ist nicht mehr so warm, dass man es warm nennen könnte, aber kalt ist es auch noch nicht, es ist grau - es ist gerade so, als ob es gerade noch wär, gerade noch - zu alledem ist es auch noch leicht eingetrübt, das Salzige - heute.

      Das bunt gemusterte Handtuch mit all den vielen kleinen Rauten und Rhomben in Orange und Rot, in Lila und Rosa, in Blau und Braun und den vielen gleichmäßigen Zickzacklinien auf dem Rand - mit seinen Dreiecken und Quadraten, Rechtecken und Kreisen, rund und rund - zick und zack, zick-zack, rund und rund und zack und zack, zick.

      Es duldet meine müde Schwere nach gestriger Nacht in seiner erhellenden Farbenpracht. Das Handtuch scheint sich mit seinen gemalten Farben entschuldigen zu wollen, dass es einfach nur schweigend so daliegt, in seinen vielen gemalten Formen und der gemalten Formenpracht, in all den bunten Farben, Rot und Rosa, Lila und Hellblau, Hellgrün und Dunkelgrün, Gelb, Orangegelb, Orangerot und Purpurrot und Sonnengelb. Das Handtuch erlaubt mir, ausnahmsweise die Zeit einmal von den anderen machen zu lassen. Ich gebe der Macht des Handtuchs nach, das mich auf sich herunterzieht. Völlig erschöpft sinke ich auf all diese Töne nieder, mit dem nötigen Respekt lege ich mich darauf, um sie nicht zu erdrücken, all diese Töne und Farben, einfach nur hinlegen, ausruhen von all den Strapazen der letzten Wochen. Die Sonne wärmt noch deutlich meine Septemberhaut. Ein Tag im September, an dem ich die Zeit von den anderen machen lasse. Ich fühle mich wohl und beschützt in dieser angenehmen Wärme, ich freue mich darüber. Ich freue mich darüber, meinem Handtuch endlich einmal so nahe gekommen zu sein, ohne etwas dafür tun zu müssen, endlich, endlich, endlich, rutscht mir doch endlich alle mal den Buckel hinunter! Ich danke Dir, Gott und ich danke Dir, Handtuch dafür. Langsam sinke ich ab und sinke in den wohlverdienten, unbezahlten Sinkschlaf, sinke und sinke und sinke.

       Plötzlich liege ich völlig versunken auf einem Berg im Baskenland, Berg der Mariposas, ganz in der Nähe von Hondarribia

      Fuenterrabia, Hondarribia, Spanien, Calle San Pedro

      Plötzlich liege ich völlig versunken auf einem hohen Berg im Baskenland, die Fuenterrabia Sonne verwöhnt mich in gleicher Weise mit ihrem warmen, weichen Schein. Ich liege so weit oben, wo es schon nimmer und nimmer weitergeht, ich erwache langsam aus einem schönen und warmen Sinkschlaf. Ich reibe mir die Augen, strecke und recke meine Glieder. Ich will weiter und weiter hochsteigen, doch mit dem Hochsteigen klappt es nicht, ich bin ja schon ganz oben, liege und gucke auf das Meer und auf die kleinen Städte und Dörfer, auf die kleinen, überschaubaren Wälder, auf die grünen Wiesen, auf denen die Schafe friedlich grasen, grün und grün, mit ihrem niederen Gesträuch und Büschen, dornig. Ich kucke von oben auf die Ufer des Bidasoa, dem Fluss, der die Grenze zwischen Frankreich


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