5 Romane Auswahlband Ärzte und Schicksale Februar 2019. A. F. Morland

5 Romane Auswahlband Ärzte und Schicksale Februar 2019 - A. F. Morland


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Kayser legte seine Hand auf Nicolas Wange. „Wenn du ein wenig auf dich achtgibst, vernünftig lebst und dich entsprechend schonst, brauchst du nicht zu befürchten, dass dieser Alptraum wahr wird.“

      13

      Als Nicola einige Stunden später ihr Haus betrat, beschlich sie ein mulmiges Gefühl. Wieso bauschen sich im Wohnzimmer die Vorhänge?, fragte sie sich beunruhigt. Wer hat die Terrassentür geöffnet? Als ich heute morgen das Haus verließ, habe ich sie geschlossen, das weiß ich ganz genau. Torben kann nicht hier sein. Der hat noch bis zweiundzwanzig Uhr in der Seeberg-Klinik zu tun. Wer sonst könnte …

      Die junge Ärztin blieb in der Wohnzimmertür stehen und ließ ihren Blick aufmerksam durch den Raum schweifen. Irgend etwas ist hier nicht in Ordnung, ging es ihr durch den Sinn.

      War während ihrer Abwesenheit ein Einbrecher hier gewesen? Was hatte er gestohlen? Auf den ersten Blick konnte Nicola nicht erkennen, dass etwas fehlte.

      Die Terrassentür, die nur von innen zu öffnen war, schien nicht beschädigt zu sein. Niemand hatte das Glas eingeschlagen, um an den Türgriff zu gelangen. Auf welche Weise war die Tür geöffnet worden? Und von wem?

      Mit gemischten Gefühlen betrat Nicola das Wohnzimmer. War außer ihr noch jemand im Raum? Wo hatte er sich versteckt? Wenn sie die Tür jetzt zumachte, schloss sie sich dann mit dem Unbekannten ein?

      Ihr unsteter Blick fiel auf das Telefon, und die Versuchung war groß, den Hörer abzunehmen und eine Nummer zu wählen … Aber wessen Nummer? Die eines Nachbarn? Jene der Seeberg-Klinik, um mit Torben zu sprechen? Auch Sven Kayser hätte sie anrufen können. Oder die Polizei.

      Aber was hätte sie gesagt, wenn die Verbindung zustande gekommen wäre? Dass sie glaubte, bei ihr wäre eingebrochen worden? Ohne einen handfesten Beweis dafür zu haben? Sie gab der Versuchung nicht nach. Vielleicht hatte sie die Terrassentür heute morgen nicht sorgfältig genug geschlossen, und sie war von alleine wieder aufgegangen.

      Auf ihrem Weg zur Tür nahm sie plötzlich aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung wahr. Sie vermeinte, eine eiskalte Hand würde sich um ihr Herz legen und zudrücken.

      Also doch! Es war jemand in ihrem Haus! Jemand, der nicht willkommen war, der hier nichts zu suchen hatte, der sich unerlaubt Zutritt verschafft hatte!

      Nicola stockte der Atem. Sie blieb so abrupt stehen, als wäre sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Der große lederne Sessel vor der Stollenwand aus heller Eiche schwang langsam herum, und in ihm saß ein Mann.

      Die junge Kinderärztin riss die Augen auf und sah ihn entgeistert an. „Du?“

      „Hallo, Nicola.“ Der Mann stand auf.

      „Bist du verrückt, mich so zu erschrecken?“

      „Freust du dich nicht, mich zu sehen?“

      „Wie kommst du hier rein?“

      „Schlösser wie das an der Kellertür sind ein Witz. Man braucht sie nur scharf anzusehen, schon sind sie offen. Du solltest das ändern lassen, sonst könnte es passieren, dass du irgendwann jemanden in deinem Haus antriffst, vor dem du wirklich Angst haben musst.“

      Nicola Sperling kniff die Augen zusammen, ihr Blick war abweisend und kalt. „Was willst du hier?“

      Der ungebetene Gast lachte. „Begrüßt man so seinen Bruder?“

      „Stiefbruder“, stellte Nicola schneidend richtig.

      „Immerhin hatten wir dieselbe Mutter.“

      „Wieso bist du hier?“

      „Ich hatte Sehnsucht nach dir.“

      „Und aus welchem Grund bist du wirklich in München?“

      Bruno Pfaff kam langsam näher. „Ich habe Hamburg den Rücken gekehrt, Schwesterherz.“

      „Nenn mich nicht so“ , sagte Nicola feindselig. Es war für sie keine Freude, ihren Stiefbruder wiederzusehen, denn Bruno war ein durch und durch schlechter Mensch. Deshalb hatte sie auch Torben noch nie von ihm erzählt.

      Sie musste unwillkürlich an Torbens Worte denken. „Mir ist hin und wieder so, als würdest du etwas vor mir verbergen“, hatte er kürzlich an einem wunderschönen Morgen unter der Dusche zu ihr gesagt.

      „Ich? Vor dir? Was denn?“, hatte sie mit Unschuldsmiene gefragt.

      „Wenn ich das bloß wüsste“, hatte er geantwortet.

      Sie hatte die Arme um seinen Hals geschlungen. „Du glaubst also, ich verberge etwas vor dir.“

      „Tust du es nicht?“

      „Was sollte das denn sein?“

      „Ich weiß es nicht, aber ich denke, ich werde es eines Tages herausfinden.“

      An dieses Gespräch in der engen Duschkabine musste Nicola jetzt denken. Wieso hatte sie geglaubt, ihren missratenen Stiefbruder für alle Zeiten totschweigen zu können?

      „Es gibt nichts herauszufinden“, hatte sie behauptet und dabei bangen Herzens an Bruno gedacht, der nach Hamburg gegangen war und hoffentlich nie mehr zurückkommen würde. Doch nun war er wieder da, und wie es schien, hatte ihn sein erster Weg zu ihr geführt.

      Bruno zog die Mundwinkel nach unten. „Ich habe mich nie richtig wohl gefühlt bei den steifen Hanseaten, habe endlich begriffen, wohin ich gehöre, wo meine Wurzeln sind.“

      Nicola sah ihn missgestimmt an. „Deine Wurzeln sind mit Sicherheit nicht hier\“

      Er breitete die Arme aus und lachte. „Dies ist mein Elternhaus ebenso wie deines.“

      „Du hast keinen Anspruch mehr darauf. Ich habe dich ausbezahlt.“ Nicola hatte einen Kredit aufnehmen müssen, um Bruno geben zu können, was ihm rechtmäßig nach dem Tod der Eltern zustand. Er war dabei sehr gut ausgestiegen, hatte sein Geld grinsend in Empfang genommen und war damit nach Hamburg gegangen, weil ihm München zu klein und zu eng gewesen war, und weil er sich hier nicht richtig entfalten konnte, wie er meinte. Hamburg wäre das Tor zur großen, weiten Welt. Dort würde er sein Erbteil gut anlegen und an seiner soliden Karriere basteln.

      So war es von ihm geplant gewesen, doch anscheinend hatte er im hohen Norden Schiffbruch erlitten, und seine hochfliegenden Pläne waren wie Seifenblasen zerplatzt. Nicola war ziemlich sicher, dass von dem vielen Geld, das er von ihr bekommen hatte, nichts mehr übrig war.

      „Ich mache keinen juristischen Anspruch geltend, Schwesterherz“, sagte er lächelnd, „aber einen moralischen. Du darfst es mir nicht verwehren, hier zu sein. Mich verbinden sehr viele schöne Erinnerungen mit diesem Haus.“

      Wenn Nicola einen Wunsch frei gehabt hätte, hätte sie ihren ungeratenen Stiefbruder nach Hamburg zurückgewünscht. „Du hast dich also entschlossen, wieder in München zu leben“, sagte sie steif.

      „So ist es.“ Er nickte.

      „Und wo?“

      „Ich dachte – erst mal hier. Habe ich das nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht?“

      Sie starrte ihn an, als zweifele sie an seinem Verstand. „Das kommt nicht in Frage“, sagte sie und schüttelte heftig den Kopf.

      „Nicola, ich bin dein Bruder. Soll ich vielleicht unter einer Brücke schlafen?“

      „Es gibt Hotels.“

      „Ich kann mir kein Hotel leisten.“

      „So abgebrannt bist du?“

      Bruno Pfaff hob die Schultern. „Sagen wir, ich befinde mich finanziell vorübergehend in der schmalen Gasse. Aber das bleibt nicht so. Ich habe ein paar Geschäfte laufen …“

      Er hatte schon immer ein paar Geschäfte laufen gehabt, und sie hatten ihm nie etwas


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