Hämmerle. Jochen Rinner

Hämmerle - Jochen Rinner


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mit Ihrem Urlaub sicher nicht entgangen.“

      „Ist das Ihr einziges Problem mit mir?“ - Das war sehr direkt und er fragte sich: War es jetzt unverschämt?

      „Ja, es ist das Einzige. Sie sind gut platziert, ich will nichts ändern. Aber Sie haben Familie. Wieso nehmen Sie keinen Urlaub? Obwohl mich das eigentlich nichts angeht, aber in Anbetracht der Schwere des Vergehens.“

      Fritz Hämmerle war erleichtert. Wenn sein Chef Witze machte, war das für ihn kein Problem. Obwohl, zu Hause würde es ganz bestimmt eins, mindestens eins.

      „Meine Frau hat vor drei Jahren ihre Praxis übernommen.“

      „Das hatten Sie mir erzählt.“

      „Sie hat bisher durchgearbeitet und in den fünf Tagen Urlaub habe ich beim Umbau der Praxis geholfen.“

      „Das sagt so gut wie alles, aber auch wieder nichts.“ Fritz Hämmerle sah ihn wohl doch etwas hilflos an. „Herr Hämmerle, Sie haben ab Montag sechs Wochen Urlaub. Ihr jetziger Fall liegt auf Eis, bis Paul Gräz die Identität ermittelt hat. Mit Ihrem Teil sind Sie fertig, ich will Sie hier die nächsten sechs Wochen nicht sehen.“

      „Der Fall ist so gut wie abgeschlossen, kann ich vielleicht doch diesen kleinen Rest noch selbst erledigen? Paul Gräz ruft mich an, wenn er ihn gefunden hat.“

      „Machen Sie die Akte so weit fertig und bringen Sie sie zu Frau Micha. Erledigen Sie diesen kleinen Rest, wenn Sie wollen.“

      „Dieser Rest geht gut von zu Hause.“

      „Herr Hämmerle, passen Sie auf sich auf, und auf Ihre Familie. Ihr Sohn ist jetzt wie alt, vierzehn?“

      Sein Chef gab ihm eher zurückhaltend die Hand, nicht wie im Schraubstock. Nie würde diese Hand einen in die Knie zwingen.

      Jedenfalls schloss er ein wenig Frieden mit dieser Aussicht auf die sechs Wochen Urlaub. Er ließ sich auf den Stuhl an seinem Schreibtisch fallen. „Den Rest darf ich also noch machen“, sprach er zu sich selbst. „Also suchen wir die Reste zusammen: Paul Gräz ruft mich an, das läuft. Maik und Dr. Friedrich sollen ihre Berichte gleich an Frau Micha geben. Mehr ist nicht.“ Ich fahr runter zu Maik und dem Doc, beschloss er, die sind sicher noch da.

      „Sechs Wochen Urlaub, du Glücklicher“, empfing ihn Maik. „Da machen wir gleich mal einen Familienausflug nach Riedbach am Wochenende.“

      „Soll das ein Witz sein?“

      „Durchaus nicht. Sieh dir das doch nur an!“ Er zeigte ihm das Bild auf seinem PC.

      „Kenn ich, die Wand vom Steinbruch ist ein schöner Desktophintergrund.“

      „Ja, hab ich auch gedacht, aber dann fiel mir auf, dass da was nicht stimmt.“

      „Was soll da nicht stimmen?“

      „Es gibt nur eine Stelle, an der man abstürzen kann. Haben wir gestern festgestellt.“

      „Ja, und?“

      „Und da kommt Wasser vom Berg.“

      „Jetzt, wo du das sagst, an der Felswand ist eine Spur zu sehen.“

      „Die Spur verläuft senkrecht, und jetzt zeig mir, wo der Tote gelegen hat.“

      „Ist ein bisschen daneben, sieht jedenfalls auf dem Bild so aus.“

      „Und was sagt uns das? Wir müssen noch mal hin!“

      „Meinst du? Aber ich habe Zwangsurlaub.“

      „Wer zwingt dich?“

      „Die Personaler haben mitgekriegt, dass ich drei Jahre fast keinen Urlaub genommen habe. Da hat mich Alex einfach die nächsten sechs Wochen vor die Tür gesetzt.“

      „Alex?“

      „Ja.“

      „Und wer hat den Fall jetzt?“

      „Wie wir auch geht Alex von einem Unfall aus. Wenn der Tote einen Namen hat, muss er nur noch zur Beerdigung freigegeben werden und darum darf ich mich noch selbst kümmern.“

      „Mit Urlaubsschein?“

      „Er hat’s, glaub ich, so gemeint.“

      „Das passt doch mit dem Familienausflug. Das Wetter wird schön, unsere Jungs kriegen wir mit den Mountainbikes, meine Kleinen haben den Spielplatz vom Adler, unsere Frauen wollten sich sowieso mal wieder treffen und deine Lilly muss an die Luft, sie versauert sonst in ihrer Praxis.“

      „Und im Büro.“

      „Es dauert nicht lange. Die üppige Steinlawine, die ich in der Rinne losgetreten habe, ist bestimmt zu sehen. Die Steine haben sich nicht alle im Laub verkrochen.“

      „Und du meinst, unsere Frauen sind nicht sauer, wenn sie mitkriegen, dass es eine verkappte Dienstreise ist.“

      „Sie werden so tun, haben aber bestimmt nichts dagegen, uns eine Weile los zu sein.“

      „Besser, wir sagen es ihnen gleich. Sie würden den Braten sowieso riechen und dann …“

      Aber Maik ging gar nicht darauf ein. „Wir nehmen den Pfad von Riedbach runter zum Steinbruch, von dem der Wachtmeister erzählt hat. Ich denke, in drei Stunden sind wir wieder am Gasthof, wenn wir stramm laufen. Tut uns bestimmt gut.“

      „Versuchen wir’s. Samstag um neun bei uns?“

      „In Ordnung. Ist von euch nur eine gute Stunde, zeitiger brauchen wir nicht los.“

      „Ich gehe noch in die Pathologie. Die Akte soll ich Frau Micha übergeben. Dein Bericht geht also auch gleich zu ihr. Morgen bin ich noch da, falls noch was ist.“

      „Na denn … Urlaub – da könnt ich ja glatt neidisch werden.“

      Dr. Friedrich öffnete. Auf dem Tisch vor seinem Büro lagen etliche Beutel.

      „Hier ist die Kleidung, gut verschlossen, die Jacke, die Hose. Die übrigen Stücke sind aus Naturfaser, davon ist nicht viel übrig.“

      „Ich kann das noch rüber in die Spurensicherung bringen.“

      „Wenn Sie das machen wollen?“

      „Mach ich.“

      „Ich will die Untersuchungen abschließen. Wissen Sie inzwischen, wer er war?“

      „Nein, wissen wir noch nicht.“

      „Also kein Name auf dem Bericht.“

      „Leider nicht.“

      „Das Röntgenbild vom Kopf hatte ich Ihnen schon gezeigt, zur Todesursache ist nichts hinzugekommen. Sonst ist alles ohne Befund, keine Drogen, kein Raucher. Der sonstige Gesundheitszustand zum Todeszeitpunkt ist nur bedingt nachzuvollziehen. Knochen und Gelenke sind dem Alter entsprechend in gutem Zustand.“

      „Also war er noch munter unterwegs?“

      „Ist anzunehmen. Vorerkrankungen, bis auf eine, nicht feststellbar, beziehungsweise nicht mehr feststellbar.“

      „Was hatte er?“

      „Orchiektomie rechts.“ Fritz Hämmerle blickte ihn fragend an. „Er hatte nur einen Testikel. Dem Narbengewebe nach zu urteilen, wurde der andere operativ entfernt. Des Weiteren eine Lymphadenektomie durch den Bauchraum. Diese umfangreiche Operation lässt auf ein Karzinom schließen.“

      „Akut?“

      „Nein, ich habe nichts gefunden, der vorhandene Testikel war gesund, allerdings vergrößert.“ Wieder ein fragender Blick. „Mindestens doppelt so groß wie normal.“

      „Wieso?“

      „Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Er könnte die Erkrankung aber als junger Mann bekommen haben.“ Wieder ein fragender Blick und eine leicht genervte Antwort: „Herr Hämmerle, falls dieses Detail jemals für diesen Fall relevant


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