Kates Abenteuer in Portici. Sandra Goldoni
sind wir hier überhaupt? Und warum sind über uns Felsbrocken? Wir sind da doch irgendwo heruntergefallen. Wir müssten eigentlich den Himmel über uns sehen können.«
Aurora stöhnte laut, als sie sich neben Mo setzte. Sie hielt sich ihren Bauch fest.
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Kate. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Nein, mein Kind. Und sag einfach du und Aurora zu mir«, bot sie ihr an. »Mir ist ein Stein auf den Bauch gefallen, als wir hier heruntergestürzt sind. Das wird ein mächtig blauer Fleck werden. Aber ich denke, mehr ist nicht kaputtgegangen. Der hier«, sie tippte auf ihren Bauch, »ist unter seinem Fett gut geschützt.« Sie schmunzelte, dann wandte sie sich Granny zu. »Ich kann dir sagen, wo wir uns befinden.«
»Lass hören«, bat Granny sie.
Neugierig lauschten die anderen, was Aurora ihnen zu sagen hatte.
»Meine Mutter hat immer davon gesprochen, dass sich am Fuße des Vesuvs ein unterirdischer Gang befindet. Die Bewohner Neapels hielten meine Mutter für verrückt. Aber jetzt könnt ihr es mit euren eigenen Augen sehen. Wir müssen in diesen Gang gefallen sein und über uns«, sie deutete an die Decke, »seht ihr diese dicken Balken, auf denen diese großen Felsbrocken liegen?«
Sie sahen alle hinauf.
»War da mal eine Decke oder auf was willst du hinaus?«, murmelte Granny.
»Ich weiß nicht, wie der Gang ausgesehen haben soll, aber ich denke, dass wir durch die Decke hier heruntergefallen sind. Wir konnten doch alle noch hören, wie die Steine den Berg herunterkamen. Zum Glück haben die Balken gehalten, sonst hätte uns das Geröll erschlagen.«
»Und für was soll der Gang sein?«, erkundigte sich Rooie. »Wo führt der denn hin?«
»Der Legende nach, soll er immer tiefer und tiefer hinunterführen.«
»Noch tiefer?«, stöhnte Mo. »Noch weiter runter, zu der heißen Lava? Mir ist jetzt schon warm genug.«
Granny sah Aurora ungläubig an.
»Das glaubst du doch selbst nicht«, meinte sie. »Was hätte man dort unten suchen sollen? Hat deine Mutter dir denn nie gesagt, was es mit diesem Gang hier auf sich hat?«
»Oh doch. Es geht immer weiter hinab, bis zu einer tiefen, heißen Höhle.« Sie sah ihre Freunde reihum an, dann meinte sie: »Die Höhle des Satans. Sie ist auch als Hölle bekannt.«
Mo schrie kurz und schrill auf.
Kate wusste, dass Mo solche Geschichten für ernst nahm. Sie war auch der festen Überzeugung, dass es Geister geben würde, die in alten Burgen und Schlössern herumspuken.
»Ach lass doch, Aurora«, sagte sie, damit Mo nicht noch mehr Angst bekam. »Nach einem Gang sieht es hier ja nicht gerade aus«, überlegte sie sich laut, wobei sie sich erneut umsah. Ihr kam es eher so vor, als wären sie in einen Raum gefallen, der ungefähr sieben mal fünf Meter maß. An der Stelle, an der Despina lag, konnte sie, etwas weiter rechts, einen Durchbruch sehen, indem es um einiges schmäler weiterging. »Da drüben, das gleicht eher solch einem unterirdischen Gang. Aber ganz sicher führt er nicht in die Hölle. Das hat man früher sicher nur gesagt, weil es hier so heiß ist.«
»Das könnte ich mir auch vorstellen«, mischte sich Will ein. »Vielleicht haben die damals den Vulkan hier drinnen untersucht. Diverse Versuche gemacht, versteht ihr? Die Wärme gemessen oder so etwas.«
Etienne stieß mit seinem Schuh einen Stein zur Seite und setzte sich zu ihnen auf den Boden.
»Das müsste Riccardo doch eigentlisch wissen«, meinte er. »He«, rief er ihn und gestikulierte ihn zu sich.
Weil sich die Kinder zwischenzeitlich beruhigt hatten, kam er mit Jack wieder zu ihnen herüber.
»Despina geht es gar nicht gut«, seufzte Jack.
Riccardo nickte schulterzuckend.
»Aber hier unten können wir im Moment nichts für sie tun«, sagte er und sah zu dem Durchbruch zurück. »Ich frage mich, wohin es dort drüben geht?«
»Das wollten wir gerade von dir ’ören«, sagte Etienne.
Riccardo sah in fragend an.
»Und wieso sollte ich das wissen?«
Etienne deutete auf Aurora.
»Sie wusste von diesem Gang.«
»Natürlich«, sagte Aurora. »Deine Großmutter hatte ihn doch ständig erwähnt.«
»Ach dieser Irrglaube von der Hölle des Satans.« Riccardo tat das mit einer Handbewegung ab. »Vergesst es. Das ist so ein Geschwätz von früher-«
»Es ist kein Geschwätz«, zischte ihm Aurora dazwischen. »Du siehst es doch selbst. Du stehst in diesem Gang. Schau mal über dich. Siehst du nicht diese Holzbalken?«
Jack und Riccardo sahen hinauf.
»Meinetwegen«, brummte Riccardo. »Dann ist hier eben ein Gang, aber er führt nicht zum Teufel.«
»Will ’atte gerade gesagt, er könnte gebaut worden sein, um den Vesuv su untersuchen«, erklärte ihm Etienne. »Du arbeitest doch ’ier als Geologe. ’at denn keiner von eusch eine Ahnung von diesem Bauwerk?«
»Nein«, antwortete ihm Riccardo kopfschüttelnd. »Aber das könnte durchaus sein, dass hier früher einmal irgendwelche Untersuchungen durchgeführt wurden. Immerhin logischer, als ein Weg, der zur Hölle führt.«
Mo stöhnte erneut auf.
»Ich will hier raus«, krächzte sie.
»Das geht so nicht«, entgegnete ihr Riccardo. »Ich müsste erst einmal mit jemandem telefonieren, der weiß, was da draußen vor sich geht. Sowie wir hier rauskommen und so ein pyroklastischer Strom über das Land hinwegfegt, sterben wir und zwar in Sekundenschnelle!«
»Und wie lange sollen wir hier unten bleiben?«, wollte Jack wissen. »Deine Batterien halten nicht ewig. Diese Hitze ist kaum auszuhalten und wir haben nicht einmal etwas zu trinken hier.«
»Ja, ich weiß«, sagte Riccardo. Er setzte sich neben Aurora auf den Boden. »Weißt du, wo der Eingang zu diesem Schacht war, Mutter? Wo sind die Männer früher rein, um in diesen Gang zu gelangen?«
»Das muss in der Via Vesuvio gewesen sein«, sagte sie mit in Falten gelegter Stirn. »Ja. Soviel ich weiß, soll der Zugang in der Via Vesuvio liegen. Da bin ich mir ziemlich sicher.«
»Wo ist denn diese Straße?«, erkundigte sich Kate. »Ist das weit weg von hier? Vielleicht können wir dort wieder raus?«
Riccardo wandte sich ihr zu.
»Das Landgut von Aurora liegt in der Via Focone. Luftlinie dürften das etwa drei Kilometer sein. Je nachdem, wo sich der Ausgang in der Via Vesuvio befindet und wie der Gang hier drinnen verläuft, dürften wir mit«, er sah fragend zu Jack, »etwa fünf bis acht Kilometern rechnen?«
Jack kräuselte die Stirn.
»Ich dachte, die vielen Olivenhaine gehören auch noch zu eurem Landgut?«
»Auf jeden Fall«, bestätigte ihn Riccardo. »Du hast recht, es müsste noch etwas weiter oben hinausgehen.«
Hurley kam mit Sharon und den Kindern zu ihnen herüber.
»Allen hat uns gebeten, dass die beiden hier bleiben sollen.« Er sah eindringlich zu Jack. »Du solltest dir Despina ansehen. Allen weiß nicht, was er machen soll.«
Kate schrak hoch.
»Das sind unsere Hochzeitsgäste, Will. Wir müssen nach ihnen sehen!«
»Nein! Du bleibst hier«, forderte Will sie auf. »Ich werde mit Jack sehen, was wir tun können.«
Mit bangem Blick sah Kate den Männern hinterher.
»Hat es sie schlimm erwischt?«, murmelte Mo. Sie konnte sich