Faszination und Wunder der Technik. Werner Dupont

Faszination und Wunder der Technik - Werner Dupont


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eingedämmt werden kann, zum anderen könnte ein stetiger Gas- oder Flüssigkeitsstrom erhebliche Energiemengen einsparen.

      Auch die Flora steuert in erheblichem Maße Vorbilder für technologische Errungenschaften bei. So hat die südafrikanische Paradiesvogelblume Pate für den Bau einer innovativen Fassadenverschattung gestanden. Für die bionische Fassadenverschattung nach dem Vorbild der Strelitzie, wie die Paradiesvogelblume auch heißt, wurden die Forscher eines Gemeinschaftsprojektes des Botanischen Gartens Freiburg und des Instituts für Tragkonstruktion und Konstruktives Entwerfen der Universität Stuttgart prämiert. Die Forscher, ihre Mitarbeiter und Vertreter des Instituts für Textil- und Verfahrenstechnik (ITV) Denkendorf wurden mit dem Techtextil-Innovationspreis für Architektur ausgezeichnet. Die Doktorand/innen, die das Projekt bearbeiteten, erhielten für ihre Arbeiten im Oktober 2012 den International Bionic Award der Schauenburg-Stiftung, den am höchsten dotierten Preis für Nachwuchsforscher/innen aus dem Bereich der Bionik.

      Die bionische Fassadenverkleidung Flectofin ist eine naturinspirierte, wandelbare Konstruktion für die Architektur. Sie funktioniert wie eine vertikale Jalousie. Bei dem stufenlos einstellbaren Klappmechanismus lässt sich die Ausrichtung der Lamellen bei Bedarf verändern. Auf verschleißanfällige und wartungsintensive Gelenke und Scharniere haben die Bionik-Projektentwickler dabei verzichtet.

      Stattdessen basiert die elastische Verformung auf dem Klappmechanismus in der Blüte der Strelitzie. Die Blume wird von Vögeln bestäubt, die sich auf eine eigens von der Pflanze gebildete „Sitzstange“ aus verwachsenen Blütenblättern niederlassen. Durch das Gewicht des Vogels klappen die Blütenblätter auf und die Pflanze gibt Pollen ab, die der Vogel auf die nächste Blüte überträgt.

      Das ist die Grundlage für den technischen Klappmechanismus, der aus einem glasfaserverstärkten Kunststoff besteht, hochelastische Eigenschaften hat und gut verformt werden kann. Das Auf- und Zuklappen der Lamellen ist an das Biegen eines in die Lamelle integrierten Stabes gekoppelt, wodurch sie um bis zu 90 Grad umklappen.

      Dieses Grundprinzip lässt sich zu verschiedenen Versionen weiterentwickeln. Da der Klappmechanismus ohne technische Gelenke oder Scharniere funktioniert und sich die sogenannten Tectofin-Systeme auch auf aufwendig zu beschattenden, gekrümmten Fassaden anbringen lassen, erhoffen sich die Forscher einen wichtigen Impuls für das Bauwesen der Zukunft.

      Der multifunktionale Rüssel von Elefanten verleiht dem Roboterbau schwergewichtige Argumente. Die technische Universität Berlin, das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automation IFF Magdeburg und zwei Industriefirmen fanden sich zusammen, um die hochflexiblen und sicheren Bewegungsmöglichkeiten des Elefantenrüssels technisch umzusetzen. Bei diesem Projekt mit dem Namen Brommi umfassen zwei verschiedene Roboterinnovationen, die mit einem Kamerasystem und einer Bildverarbeitung ausgestattet sind, das betreffende Objekt. Das erlaubt das Erkennen von Objekten sowie dessen gezielte Aufnahme und Abgabe innerhalb eines Pick-and-Place-Szenarios.

      Der Roboter Brommi-TAK ist ein ausschließlich mit pneumatischen Muskeln betriebener Mehrsegmentmanipulator. Er besteht nach dem Rüsselvorbild aus ineinandergeschobenen Segmenten, in denen die Funktionsweise der Natur mit zwei Knochen, einem Gelenk und drei Muskeln technisch nachgebildet sind. Durch den innovativen Aufbau mit neuartigen Materialien ist das System leichter und so beweglicher und ressourceneffizienter als in einem starren Aufbau.

      Die inhärenten Eigenschaften der verwendeten technischen Muskeln führen zu einem nachgiebigen und sicheren Roboterrüssel, der den Menschen bei seiner täglichen Arbeit unterstützen kann. Der zweite Roboter, Brommi-SMK, ist aus Multigelenken mit Elektromotoren modular aufgebaut. Jedes einzelne Multigelenk kann sowohl eine Schubbewegung als auch eine rüsselgleiche Flexionsbewegung ausführen.

      Seine Baugröße lässt sich den zweckbezogenen Bestimmungen anpassen. Durch die Schubbewegung kann eine große Arbeitsraumhöhe realisiert werden, dem aufgrund der besonderen Bewegungsmöglichkeiten ein geringerer Bewegungsraum gegenübersteht.

      Roboter gewinnen eine immer größere Bedeutung in der industriellen Produktion. Durch den demografischen Wandel in Europa beteiligen sich immer weniger Menschen an der Generierung des Strukturwandels durch die zahlreichen Einsatzmöglichkeiten der Maschinen.

      Neben der industriellen Produktion ermöglicht ihre hohe Sicherheit die Erschließung neuer Anwendungen wie beispielsweise im Pflege-, Domestik- und Life-Science-Bereich. Die neuen Roboter zeichnen sich durch ein gutes Masse-Leistungs-Verhältnis aus, das die Handhabung von hohen Lasten bei einer geringen Eigenmasse ermöglicht. Dies wird durch eine konsequente Leichtbauweise erreicht und ermöglicht einen ökonomisch vorteilhaften Betrieb.

      Der Trend geht von bisher steifen Konstruktionen, die weich geregelt wurden, hin zu Konstruktion und Entwicklung von weichen und nachgiebigen Strukturen, ähnlich wie in der Biologie. Diese werden dann je nach Anwendung und Einsatz nur so weit wie nötig positionsgenau und steif geregelt. Dieser Paradigmenwechsel führt zu vorteilhaften Lösungen, da sie z. B.in der Mensch-Maschine-Interaktion inhärent sicherer sind und darüber hinaus auch ressourceneffizienter agieren.

      Weiterhin ermöglicht die hohe Sicherheit der mechanischen „Elefantenrüssel“ den Verzicht von trennenden Schutzeinrichtungen, was im Mensch-Maschine-Kontakt zu einer erheblichen Platzeinsparung in der Produktion führt.

      Die Baubionik favorisiert „natürliches Bauen“ im Sinne einer Rückbesinnung auf traditionelle Baumaterialien, die auch in der Biologie verwendet werden, wie beispielsweise Tonmaterialien mit ihren baubiologisch interessanten Eigenschaften. Andererseits gewinnt man aus dem Studium biologischer Leichtbaukonstruktionen Anregungen für temporäre technische Leichtbauten. Solche Anregungen können beispielsweise kommen von Seilkonstruktionen (Spinnennetzen), Membran- und Schalenkonstruktionen (biologische Schalen und Panzer), schützenden Hüllen, die den Gasaustausch erlauben (Eischalen, Etagenbauten, Integration abgehängter Einheiten, wandelbare Konstruktionen), Konstruktionen mit stärker wiederverwendbaren Materialien, als die Technik das bisher kennt, idealen Flächendeckungen (Blattüberlagerungen) und Flächennutzungen (Wabenprinzip). Wichtig sind Abstimmungen von einzelnen Wohnelementen in der Gesamtfläche und ihre Ausrichtung zu Sonne und Wind in Analogie zu Blattüberdeckungen und Blütenkonstruktionen.

      Bei der Sensorbionik stehen Fragen des Monitorings von physikalischen und chemischen Reizen sowie deren Ortung und Orientierung in der Umwelt im Vordergrund. Das Problem, chemische Substanzen beispielsweise rechtzeitig im Körper des Menschen (Stichwort: Zuckerkrankheit) oder bei großtechnischen Konvertern (Stichwort: Biotechnologie) festzustellen, wird immer wichtiger. Sensoren der Natur, die für alle nur denkbaren chemischen und physikalischen Reize ausgelegt sind, werden verstärkt nach Übertragungsmöglichkeiten für die Technik abgetastet.

      Bionische Kinematik und Dynamik umfassen die Hauptlokomotionsforen im Tierreich wie Laufen, Schwimmen und Fliegen. Fluidmechanisch interessante Interaktionen zwischen Bewegungsorganen und umgebenden Medien finden sich im Bereich kleiner bis mittlerer Reynolds-Zahlen zur Charakterisierung laminarer Strömungen (Mikroorganismen, Insekten) ebenso wie in der Region sehr hoher Reynolds-Zahlen zur Charakterisierung turbulenter Strömungen, die an den Reynolds-Bereich von Verkehrsflugzeuggen heranreichen (Wale). Fragen der Strömungsanpassung bewegter Körper, des Antriebsmechanismus von Bewegungsorganen und ihrer strömungsmechanischen Wirkungsgrade stehen im Vordergrund. Auch Fragen der funktionsmorphologischen Gestaltung beispielsweise von Flügeln oder Rümpfen können interessante Anregungen geben. So zieht beispielsweise die Oberflächenrauheit von Vogelflügeln infolge der Eigenrauheit des Gefieders in bestimmten Bereichen positive Grenzschichteffekte nach sich. Man kann dies auch bei der Verbesserung der Wirkungsgrade und der Laufruhe sowie der Lärmreduktion bei Pumpen und Lüftern einsetzen.

      Die Neurobionik betreffend befinden sich Datenanalyse und Informationsverarbeitung unter Benutzung intelligenter Schaltungen von je her in einer stürmischen Entwicklung. Insbesondere die Verschaltung von Parallelrechnern und die Entwicklung neuronaler Netzwerke könnten weitere Anregungen aus dem Bereich der Neurobiologie und der Biokybernetik bekommen. Da sich dieses Gebiet auch in Bezug auf die biologische Grundlagenforschung rasch weiterentwickelt, ist in den nächsten Jahren mit einer verstärkten Interaktion zum Nutzen beider Disziplinen zu rechnen.

      Als Bestandteil der Evolutionsbionik sind die


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