Der Hase - Ein Fabelroman. Lorenzo Emanuele Tomasello
Lorenzo Emanuele Tomasello
Der Hase
Ein Fabelroman
Copyright: © 2020 Lorenzo Emanuele Tomasello
Umschlag & Satz: Erik Kinting – www.buchlektorat.net
Verlag und Druck:
tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
978-3-347-13636-6 (Paperback)
978-3-347-13637-3 (Hardcover)
978-3-347-13638-0 (e-Book)
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Vorgeschichte
Auf der Erdnordhalbkugel befand sich in einer gemäßigten Zone ein großstadtgroßer Wald, der eine Vielzahl an Bäumen, Pflanzen und Tieren beherbergte; es wimmelte dort nur so von Leben. Im Inneren des Waldes gab es riesige Eichen und Fichten, hin und wieder sah man auch mehrere Meter hohe Ahorne und Birken. Unter der Erde konkurrierten Baumwurzeln um Wasser und lebensnotwendige Mineralstoffe, darüber wuchs Gras, wild und unregelmäßig; an einigen Stellen stand es in kräftigen Büscheln, während es an anderen nur spärlich wuchs.
Menschenartige Hasenwesen lebten dort in steinzeitlichen Verhältnissen. Ihre zwei frontal sichtbaren Schneidezähne im oberen und unteren Kiefer waren ausschlaggebend für ihre vegetarische Nahrung, die aus Obst und Gemüse bestand. Ihre Gestalt war schlank, denn sie aßen instinktiv nur, was sie zum Überleben brauchten.
Charakteristisch war ihr dunkles Fell, das ihnen Schutz vor nachtaktiven Räubern bot, da sie dadurch in der Dunkelheit schwerer zu erkennen waren. Ihre Blume saß am Steißbein und wurde zur nonverbalen Kommunikation eingesetzt, um sich gegenseitig vor einer Gefahr zu warnen, denn mit ihren beiden langen Ohren bekamen sie selbst das leistete Geräusch ihrer Fressfeinde mit und konnten daher meist rechtzeitig Sicherheitsvorkehrungen treffen. Zusätzlich konnten die Hasenwesen das Feuer bändigen, wodurch sie Raubtiere fernhielten. Wie die Menschen, so gingen auch die Hasenwesen aufrecht, um Materialien für ihren Bau transportieren zu können. Sie lebten in hoch entwickelten Gemeinschaften und besaßen als sprachbegabte Wesen Stimmbänder zur verbalen Kommunikation und Stärkung des sozialen Zusammenhaltes. Trotz ihrer soziohierarchischen Strukturen handelten Hasenwesen stets gerecht und verantwortungsvoll, denn sie wollten nur das Beste für die anderen. Das Leben in der Gemeinschaft war für sie überlebenswichtig.
Ihr Fortpflanzungsverhalten war dem der Menschen ähnlich. Sie gingen lebenslange Partnerschaften ein und blieben zeit ihres Lebens mit ihren Jungen zusammen, um ihnen zu helfen, das fortpflanzungsfähige Alter zu erreichen und ihnen dann auch beim Großziehen deren Jungen beizustehen, sodass die Überlebenschancen dadurch zunahmen. Die Weibchen gebaren ihre Nachkommen lebend zu jeder Jahreszeit.
Eines Nachts, bei stürmischem Wetter mit Donner und Blitzen, kam in einer Hasenwesenfamilie ein männliches Jungtier zur Welt. Dieser junge Hase liebte seinen Wald vom ersten Tag an. Oft ging er heimlich auf Erkundungstour, dann rannte er durch den Wald und sprang ausgelassen über umgefallene Bäume. Seine Eltern wollten das nicht, weil der Wald trotz seiner Schönheit gefährlich war. Es gab dort jede Menge Wölfe, Bären und andere Raubtiere, die auch Hasenwesen fraßen, wenn ihnen eines über den Weg lief. Trotz dieser Gefahren hatte das Jungtier keine Angst, es tat aber dennoch meistens, was seine Eltern ihm sagten.
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Das großstadtgroße bewaldete Gebiet grenzte an eine Stadt namens Silva, in der es einige kleine innerstädtische Wälder gab. Durch den großstadtgroßen Wald und die Stadt floss ein breiter Fluss, den nur geübte Schwimmer durchqueren konnten. Der Hafen war klein, sogar der kleinste der Welt; nur wenig Handel wurde mit anderen Städten und Ländern betrieben. Vielmehr wurde ein hoher Wert auf regionales und jahreszeitgerechtes Obst und Gemüse gelegt, um dem heimischen Verbraucher frische Lebensmittel anbieten zu können, wodurch die Beförderungswege kürzer waren und die Umwelt geschont wurde. Dennoch gab es viele Fähren, die hauptsächlich die Menschen Silvas von einem Ort zum anderen transportierten, aber auch diese nutzten den kürzesten Fahrweg, um ihre Reisegäste möglichst treibstoffsparend an die jeweiligen Ziele zu bringen.
Neben der wirtschaftlichen Nutzung des Flusses galt dieser auch als Ort der Erholung und Entspannung. Dort gab es weite Felder für Strandfußball. Deren Bau war vor etlichen Jahren von der Stadtbehörde in Auftrag gegeben worden, um die Jugend zu motivieren, sich draußen zu bewegen, damit ihre körperliche Gesundheit positiv gefördert wurde, und tatsächlich sah man nach der Fertigstellung dieser Felder fast immer Jugendliche darauf spielen.
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Arnold war ein dreitagebärtiger silvanischer Geschäftsmann. Er war ein hellhäutiger Nordmensch mit langen Armen und Beinen, schiefen Zähnen und einem birnenförmigen Kopf; braune Locken fielen ihm ins Gesicht. Seit er denken konnte, lebte er in Silva. Er kam aus ärmlichen Verhältnissen und hatte sich ohne Hilfe seiner Eltern hochgearbeitet, denn die waren in seiner Kindheit aufgrund schlechter Ernährung an Krebs gestorben. Nach ihrem Tod hatte er niemanden gehabt, der sich um ihn kümmern konnte. Seine einzige Erinnerung an die verstorbenen Eltern war eine Gitarre, die sie ihm zum Geburtstag schenkten. Damals hatte sein Vater ihm beigebracht, dass man durch das Spielen darauf die Harmonie der Natur zu erkennen lernte: Eine harmonische Melodie erfüllte die Welt mit Frieden und verband alles Lebende miteinander. Laut seines Vaters war es die Aufgabe eines jeden Musikers, das perfekte Zusammenspiel der Töne zu begreifen und sich mit dem wahren Sein zu verbinden.
Nachdem seine Eltern ihn verlassen hatten, war er dem Leben auf der Straße schutzlos aufgeliefert gewesen. Fast alles hatte er verloren, außer diese Gitarre. Um über die Runden zu kommen, spielte Arnold damit auf den Straßen der Stadt, aber das Geld, das man ihm gab, reichte gerade so aus, um sich etwas zu essen zu kaufen.
Irgendwann hatte er keine Lust mehr, auf der Straße zu leben. Er nahm sich vor, alles in seiner Macht stehende zu tun, um ein wohlhabender Mensch zu werden. Um ungestört an seinen musikalischen Fähigkeiten arbeiten zu können, zog er sich oftmals in die kleinen Wälder der Stadt zurück, wo er stundenlang probte und sich immer wieder an die Verbundenheit zur Natur erinnerte.
Mit der Zeit wurde er als Straßenmusiker immer beliebter. Menschen aus allen Ecken der Stadt kamen und baten ihn, auf ihren Konzerten zu spielen. Später hatte Arnold so viel Geld beisammen, dass er sich eine eigene Wohnung leisten konnte, in die er Zimmerpflanzen stellte. Immer, wenn er schwere Zeiten durchmachte und an seinen musikalischen Fertigkeiten zweifelte, reichte ihm ein Blick auf seine wunderschönen Pflanzen, und er fühlte inneren Frieden. Aber trotzdem wünschte er sich einen eigenen Garten.
Jahre vergingen, bevor er sich durch harte Arbeit ein Haus mit einem weitläufigen Garten kaufen konnte. Umso größer war seine Freude, weil er sah, dass seine Anstrengungen sich gelohnt hatten.
Als wohlhabender Mann entdeckte Arnold das Golfspiel für sich. Innerhalb kurzer Zeit wurde er ein begeisterter Golfer, dem es Spaß machte, auf dem Rasen und an der frischen Luft körperlicher Aktivität nachzugehen. Besonders gefiel ihm, wie man durch die einfache Kombination von Rasen, Schläger, Ball und Loch ein komplexes Spiel hervorbringen konnte, wobei das Versenken des Balles im Loch jedes Mal eine neue Herausforderung war, weil es unzählige Wege gab, wie man den Ball mit dem Schläger treffen konnte, um an sein Ziel zu kommen. Das erinnerte ihn an die Desoxyribonukleinsäure, das Molekül des Lebens, durch die sich mit der alleinigen Kombination der vier Nukleinbasen Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin die unterschiedlichsten Formen von Lebewesen ausbilden können, was beweist, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, um erfolgreich in einem bestimmten Habitat angepasst zu sein und