Salvatore - Ein Mafioso sucht das Glück. Mariana Boscaiolo
sollte ich machen? Ich musste ihn heiraten. Er hat meinem Vater einen Gefallen getan. Du kennst die Regeln. Ich muss mitspielen, die kennen bei uns keine Gnade, auch nicht für Frau und Kind. Das weißt du doch am besten. Ich muss los, zu einer Verhandlung. Ciao Salvi.“
Sie drückt ihm einen flüchtigen Bacio auf die Wange und winkt ihm zu.
Salvatore sitzt noch eine Weile versunken vor seinem Espresso. Sein Gesicht spiegelt sich im schwarzen Kaffee. Dunkle Gedanken übermannen ihn.
Mein Curriculum: geboren in Palermo, seither Mafiasohn. Tendenz: Aufstieg zum Mafia-Boss. Aus. Toll. Weil ich zu feige bin.
Schnell kippt er den Rest seines Espressos hinunter, legt ein paar Münzen auf den Tisch und verlässt die Bar. Nur ein winziger Sonnenstrahl erhellt die dunkle Gasse. Trotzdem war die Wärme des Sommers schon deutlich zu spüren.
Salvatore steigt in seinen roten Ferrari und fährt zum berühmten Sandstrand von Mondello. Dort befindet sich sein Lieblingsplatz, etwas abseits vom Trubel. Er parkt das Auto unter einem Laubdach und geht zu einer versteckten, kleinen Hütte.
In ihr fühlt er sich wohl. Er hat sie als Kind mit Onkel Massimo gebaut. Seitdem ist sie sein Rückzugsort, wenn er Ruhe braucht oder nachdenken muss. Von dort macht er barfuß lange Spaziergänge am blauen Meer vor Palermo und sucht die schönsten Muscheln.
Wenn das sein Vater wüsste! Der würde sagen:
Muscheln gibt’s auf dem Teller, mit Pasta! Hör sofort mit dem Kinderkram auf und bring mir die letzten Gelder, basta!
Die Hütte ist Salvatores Geheimnis. Onkel Massimo hat damals wunderschöne Gläser aus Murano für ihn besorgt. In die füllt er seit seiner Kindheit alle Muscheln, die er findet.
Vielleicht zeige ich meine Sammlung mal Nina und Maria. Sie würde ihnen gefallen! Wir könnten damit Schmuckkästchen basteln und verkaufen, sinniert Salvatore vor sich hin.
Er legt sein Hemd und die Leinenhose sorgfältig in die Hängematte und streift seine Lieblingsbadehose über. Nina hat sie ihm mit 18 geschenkt. Er trägt sie immer noch. Rot mit weißem Bund. Nur 100 Meter trennen ihn vom warmen Meer.
Sein langer, muskulöser Körper krault sanft durch die Wellen, lässt ihn alles vergessen, sogar das Meeting in der väterlichen Villa um 18 Uhr, das bestimmt nichts Gutes verheißt.
Mafiameeting (Teil 1)
Kurz nach 18 Uhr.
Salvatore geht in den Meetingraum der Villa Pulvirenti. Die dunklen Haare noch feucht vom Schwimmen.
Am langen Mahagonitisch sitzen schon seine Brüder, Gianni und Sergio, mit verschränkten Armen.
Sein Blick fällt auf den Rücken des legendären, cremefarbenen Drehstuhls. Unten baumeln unverwechselbar schwarze Lackschuhe mit roten Schnürsenkeln.
Der Padre. Er ist klein, aber omnipräsent. Wartet auf seine Beute.
Salvatore wirft ein lockeres „ciao tutti“ in die Runde und lässt sich auf seinen Platz fallen.
Der Drehstuhl dreht sich ganz langsam um 180 Grad. Er hat ein besonders nerviges Quietschen.
Der Padre mustert alle, einen nach dem anderen. Dann bleibt sein Blick an Salvatore haften.
„Salvatore! Wie spät ist es? 18 Uhr und 3 Minuten. Wieder zu spät! Wir beginnen um Punkt 18 Uhr, wie oft denn noch?“
Gianni und Sergio grinsen.
„So, dann fang gleich mal an, Salvatore. Wie ist die Lage in deinem Revier? Ich habe nichts auf unserem Konto gesehen!“
Salvatore muss schlucken. Bei der Hitze am Abend gar nicht so einfach.
„Red schon! Hast du die Schutzgelder der Schmuckgeschäfte und der Ristoranti?“
„Äh, ich war noch gar nicht da“, erwidert Salvatore. Don Pulvirenti läuft an wie eine Blutorange.
„Was soll denn das hier wieder werden, Salvatore? Willst du mich verarschen? Wer soll deinen Ferrari finanzieren?“
„Ich fahre auch gerne Fiat“, murmelt Salvatore leise. „Du zischst ab und kümmerst dich drum. Gianni hilft dir. In zwei Tagen will ich Ergebnisse. Schlappohr! Und nun zur Messerstecherei vor ein paar Wochen. Fernando Pappalardo hat Salvatore angegriffen. Das muss gerächt werden.“
„Ach lass, Papa“, wirft Salvatore ein.
„Nix da: Aug um Aug, Zahn um Zahn. Sergio, du machst das. Nimm einen der Männer fürs Grobe mit. Dieselbe Stichwunde und einen Arschtritt. In dieser Woche noch. So, das war‘s für heute. Ach übrigens, am Wochenende kommt Onkel Massimo. Benehmt euch. Er nimmt wieder Gelder mit auf sein Kreuzfahrtschiff. Daher brauchen wir die Kohle. Pünktlichst!“
Massimo, endlich ein Trost! Mit diesen Gedanken verlässt Salvatore das Meeting.
Sein Bruder Gianni tritt neben ihn und flüstert:
„Du, großer Bruder, mach deinen Finanzschrott selbst, ich hab genug mit meinem eigenen Zeug zu tun. Dass ich dir bei der Messerstecherei geholfen habe, reicht erst mal. DU schuldest MIR was, capito?“
Salvatore trabt aus der Villa und legt seinen Kopf auf das heiße Lenkrad seines Ferraris. Er atmet tief durch und lässt schließlich den Motor an.
*
Erste Adresse: Pizzeria Giorgio. Die beste am Platz.
Mit Giorgio war Salvatore in der Grundschule gewesen. Guter Kumpel. Er parkt den Ferrari direkt vor der Eingangstür, so dass sich der Wagen in der Vitrine spiegelt.
Sonnenbrille auf, Brust raus, Kopf hoch und rein. Es ist noch nicht viel los. Italiener gehen spät essen. Beste Zeit für Mafiageschäfte.
Er entdeckt Giorgio schon von weitem. Als dieser ihn sieht, versucht er, sich hinter zwei Blechpfannen zu verstecken. Aber er ist zu dick. Von seiner eigenen Pizza.
„Giorgio“, ruft ihm Salvatore zu. „Na, wie läuft das Business?“
Giorgio schaut vorsichtig in seine Richtung.
„Ciao, Salvi, schön dich zu sehen. Prosecco?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, stellt er zwei Gläser auf einen der Tische. Sie setzen sich.
„Du weißt, warum ich hier bin, Giorgio! Es ist der fünfte. Also, 5 Mille. Bei jedem nicht bezahlten Tag wird es ein Tausender mehr.“
„Salvi, der letzte Monat lief nicht so. Ich habe nur 2000“, stottert Giorgio.
„Madonna! Und warum hast du dann nicht am 2. bezahlt?“
„Meine Frau hat gerade entbunden: Un piccolo bambino, ich war in der Klinik, tut mir echt leid.“
Giorgio schenkt nach und kramt ein Babyfoto hervor. Mist, mit Babyfotos kriegt mich jeder rum. Hat sich wohl schon rumgesprochen, denkt Salvatore.
„Süß“, meint Salvatore laut. „Ich gebe es weiter. Aber im nächsten Monat besser pünktlich, ja? Und dass du jetzt schon 6 Kinder im Abstand von 2 Jahren hast, glaubt uns langsam keiner mehr.“
Mit diesen Worten nimmt Salvatore die 2000 Euro, klopft Giorgio auf die Schulter und verlässt die Pizzeria.
Er stopft das Geld flink in einen Umschlag im Handschuhfach und braust weiter zur nächsten Adresse: Schmuckgeschäft Alessandro.
Troppo tardi, zu spät, schon geschlossen!
Giorgio hat ihn bestimmt angerufen, da bin ich sicher, denkt Salvatore. Ich werde das nie schaffen. Nie!
La Mamma
„Salvatore, was ist denn mit dir? Magst du was essen?“
Mamma Pulvirenti hat Mehl auf den großen Küchentisch gestreut. Geduldig paniert sie Arancini alla Mozzarella.
„Ich