Siebenkampf. Mathias J. Kürschner

Siebenkampf - Mathias J. Kürschner


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im Leben eines Menschen nicht von solchen Erfahrungen geprägt sind, bzw. wenn es diese Urbeziehung zur Mutter gar nicht erst geben konnte. Denn Vertrauen kann nicht deklaratorisch initialisiert werden, sondern muss mit der Zeit erworben werden. Das wirft ein Problem auf: Der Faktor Zeit - ein rares Gut in Zeiten, wo die Entwicklung eines Menschen mit der ökonomischen Kenngröße „Time-to-market“ konkurrieren muss.

      Nach allem, was sich abzeichnet, sind die Kinder die Verlierer dieses Kampfes, weil ihnen die Entwicklung dieses Urvertrauens als unverzichtbare Voraussetzung einer gelingenden Existenz durch das Diktat des Arbeitsmarktes in der heutigen Zeit deutlich erschwert wird. Ohne den intensiven Kontakt zur Mutter wird den sog. Krippenkindern nach Warnung von Psychologen schwere Schäden zugefügt. Die sich in der späteren Entwicklung mit vermehrter Wahrscheinlichkeit einstellenden Bindungsprobleme bei der Beziehungsaufnahme bergen einen volkswirtschaftlichen Schaden, der heute noch gar nicht richtig zu ermessen ist.

      Der Kampf um die Urbeziehung bildet sich auch in der religiösen Sphäre ab. In der biblischen Tradition ist Vertrauen das Thema schlechthin. Es geht hier mit der Frage nach dem Glauben um das unbedingt Vertrauenswürdige unserer Existenz. Es geht um den Belastungstest unserer Fundamente: Was trägt mich wirklich? Worauf kann ich mich unbedingt verlassen? Was hat wirklich Wert? - Die Bibel „steht“ dabei nicht auf Münchhausiaden a la „Ich vertrau auf mich selbst…“ Die Sache mit dem Zopf hält sie pessimistisch für eine haarige Angelegenheit, die den Verbleib im Sumpf auf ewig zementiert. Als belastbarer erweist sich nach Erfahrung der Alten der Rückgriff auf externe Hilfe. Unsere Zögerlichkeit in diesen Dingen heute ist eigentlich seltsam: Vielleicht war der Blick nach außen damals deshalb so einhellig, weil man in einer vor-narzissistischen Gesellschaft lebte und noch dazu wenig Rücksicht auf kurzatmige Legislaturperioden und rückkopplungssensible Medien nehmen musste. So erklärte man die Hilfe zur Chefsache und sprach den an, der schon einmal das Chaos zum Kosmos geformt hatte.

      Diesen Weg gehen derzeit laut einer Pew-Umfrage ca 85 % der Weltbevölkerung, die statistisch gesehen an die Existenz eines höheren Wesens glauben. Sie lassen sich den Masterplan für ihr Leben durch den geben, der als Schöpfer des Universums die nötige Kompetenz für eine so verantwortungsvolle Aufgabe hat. Wenn schon, denn schon… Man lässt sich ja auch sonst im Leben nicht von jedem Dahergelaufenen coachen. Expertise muss schon sein! Bei wichtigen Entscheidungen braucht man belastbare Informationen und ein Gegenüber, dem man vertrauen kann. Am besten man vereinbart erst einmal ein persönliches Gespräch und lernt sich kennen. So hat Gott das auch gemacht. Er kam vorbei. Einige der „Gesprächsprotokolle“ werden hier kommentiert. Die sind belastbar. Darauf können sie Gott festnageln. Gute Nachrichten, eben „Evangelium“ für alle, die auf der Suche nach einer belastbaren Lebensgrundlage sind.

       A. Warm-up: Auf der Suche nach Glück (Joh 4,5-24)

       Da kam Jesus in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gab. Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde. Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen.

      Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen. Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. - Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser. Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser? Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt. Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen!

       Jesus spricht zu ihr: Geh hin, ruf deinen Mann und komm wieder her! Die Frau antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht zu ihr: Du hast recht geantwortet: Ich habe keinen Mann. Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann; das hast du recht gesagt.

      Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden. Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.

       Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet.

      Es geschah „am Brunnen vor dem Tore“, damals in der Mittagshitze Palästinas, als der Fremde mit der Samaritanerin über alltägliche Fragen ins Gespräch kommt. Unversehens findet man sich in einem Gespräch wieder, in dem die Routine des Alltagsschwätzchens nicht mehr greift, ja, in dem es urplötzlich um alles geht. Um Sehnsüchte, um den Verlauf von Biographien, um Glück.

      Lassen wir uns nicht vom Ambiente täuschen: Eine solche Geschichte könnte auch gut in unserer Stadt passieren: Im Mediamarkt vor den Regalen mit den Plasma-Monitoren. Im Wartezimmer beim Arzt. Im Chat auf einer Dating-Website. Oder auf der Baustelle für das lang ersehnte Eigenheim. Überall könnte es passieren, dass der geheimnisvolle Fremde auftaucht und die Sorte von Gespräch anfängt, die uns dazu bewegt, unser Leben neu zu vermessen, neu darüber nachzudenken, in welche Richtung unser Leben eigentlich gerade läuft. Lassen wir uns durch Wasserplätschern und Holzeimer nicht blenden: Die Frau repräsentiert uns. Durst hat sie. Das Leben dreht sich nun einmal um derlei Dinge. Es will gemeistert werden. Und wenn man sich die ganze Sache ein wenig erleichtern könnte, wär’s doch eigentlich ganz dufte. Lebendiges Wasser? Mit anderen Worten: Quellwasser statt abgestandene Brühe. Wunderbar, her damit! Nicht mehr den Eimer mühsam aus dem tiefen Schlammloch hochziehen müssen. Das Leben ein wenig angenehmer gestalten. Endlich Schluss mit Schweiß und Nervereien. Genauso träumt der Fußgänger heute vom Auto, der Mieter von den eigenen vier Wänden und der Angestellte von der Verbeamtung. Also: Nichts neues unter der heißen Mittagssonne. Jeder hat so seinen eigenen inneren Fahrplan, von dem er glaubt: Wenn ich das noch hätte, dann liefe mein Leben richtig rund. Dann bin ich komplett. Dann kann ich endlich glücklich sein.

       Das Leben ein wenig angenehmer gestalten. Endlich Schluss mit Schweiß und Nervereien.

      Um genau dieses Glück geht es nun in dem Gespräch mit Jesus. Was ist das eigentlich: „Glück?“ Und wie komme ich dazu? – Jesus hat darauf eine Antwort: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser. Jesus deutet an, dass es etwas gibt im Leben, was als Geschenk erkannt und angenommen werden will. Außerdem: Dass dieser Sachverhalt mit seiner Person zusammenhängt. Die Tür zum Glück steht also ganz weit offen. Worum es geht, ist der Glaube! Doch dazu kommt es erst einmal nicht. Die Frau verfällt nämlich nun auf eine Verhaltensweise, die unseren Strategien von Lebensbewältigung verdammt ähnlich ist, und sie trotz Holzeimer als moderne Frau ausweist. Das Wort „verdammt“ ist übrigens durchaus wörtlich zu nehmen: Statt in die Gegenwart des Glücks zu treten, legt sie Verhaltensweisen an den Tag, die dazu geeignet erscheinen, sich weitest möglich vom Glück zu trennen! Es sind jene Strategien, die zu ihrem (und unserem!) Alltag so selbstverständlich dazugehören wie das Atmen: Es geht um Selbstbestimmung, Bedürfnisbefriedigung und Techniken, um diese zu erreichen. Sie sollen die Steigbügelhalter zum Glück sein und wirken doch unweigerlich als Sargnägel zur Stabilisierung des Unglücks.

      Jesu


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