Doc Savage - Das vergessene Imperium. Kenneth Robeson

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sie in dem alten Gewand, das X-Man seit seiner Einkerkerung getragen hatte. Es war eine Art Tunika, weiß, jedoch goldgesäumt. X-Man hatte es getragen, als er von den schottischen Behörden aufgefunden worden war, und er hatte so sehr daran gehangen, dass ihm erlaubt wurde, es weiterhin zu tragen, außer, wenn es gewaschen werden musste. Ihm hatte die weiße Tunika gewaltsam abgestreift werden müssen, damit man die Zwangsjacke um seinen sich wehrenden Leib legen konnte.

       Der Pfleger, der die Samen entdeckte, brachte sie zum Direktor des Instituts, einem Dr. John Gilchrist, der im Jargon seiner schottischen Mitbürger als »Moralapostel« galt.

       »Du sagst, diese Samen waren an seiner Person?«, fragte Dr. Gilchrist und legte sich die Samen auf die Handfläche.

       »Ja, und es war ein verdammter Kampf, ihn so weit zu bringen, dass er sie losließ«, berichtete der Pfleger.

       Dr. Gilchrist untersuchte die Samen. Sie waren so winzig, dass es sich um ungewöhnliche große Pfefferkörner hätte handeln können. Aber es waren Samen. Dr. Gilchrist, der selbst einen Garten hinter dem Institut pflegte, war sich da absolut sicher. Allerdings verblüffte ihn die Samenart und die Art von Pflanze, die daraus entstehen mochte, wenn man sie auskeimen ließe.

       Er wusste nichts von den Pflanzen, die in den Blumentöpfen wuchsen, aus denen X-Man andere Pflanzen gezogen hatte.

       Beim nächsten Mal, als er nach X-Man in der Zelle mit den gepolsterten Wänden schaute, nahm er die Samen mit, die der Mann nur so ungern verlieren wollte.

       »Ist dieser Mann gewalttätig gewesen?«, fragte Dr. Gilchrist den Pfleger, der für diesen speziellen Flur der Irrenanstalt zuständig war.

       »Nein«, erwiderte dieser.

       »Ich würde gern mit X-Man sprechen«, sagte Dr. Gilchrist.

       Ein großer Messingschlüssel drehte sich knirschend im Schloss, und die Tür ging auf.

       X-Man lag auf einer Pritsche, auf dem Rücken, die Augen auf die Decke fixiert, die einzige Oberfläche, die nicht gepolstert war, weil sie vier Meter über dem Kopf selbst des größten Mannes hing.

       »Ist Ihnen nach Plaudern zumute?«, fragte der Arzt lockend.

       Als keine Antwort erfolgte, wiederholte Dr. Gilchrist seine Frage auf Latein.

       Der Mann starrte weiterhin an die Decke. Er war, wie Dr. Gilchrist überlegte, kein hoffnungsloser Fall. Zumindest war es so bis zu dem Vorfall mit der gefleckten Katze erschienen. Insgeheim hatte sich der Arzt – er war ein Psychologe, ausgebildet in Edinburgh und Wien – schon gefragt, ob X-Man vielleicht nicht eher an einer Art traumatischer Amnesie litt und nicht an Wahnvorstellungen. Aber der Mann hatte darauf beharrt zu wissen, wer er war. Er war X-Man. In diesem Punkt war er sehr bestimmt gewesen.

       Darüber hinaus bot er nur sehr wenig von sich selbst. Er zeigte keine der gewöhnlichen Wahnvorstellungen, wie es jene Patienten taten, die davon überzeugt waren, dass sie berühmte Menschen waren wie Napoleon oder Oliver Cromwell. Gegenwärtig residierten zwei Cromwells in Wyndmoor. Der hier wohnende Napoleon war dem Ausbruch der spanischen Grippe erlegen, die während des Weltkriegs eine solche Geißel geworden war.

       Dr. Gilchrist hatte keine historische Person mit Namen X-Man gefunden.

       Er blickte auf den schweigenden Mann auf der Liege hinab und musterte seine Züge. Sie waren stark und überraschend dunkel für einen Mann, der seit jetzt nahezu einem Jahr in einer Irrenanstalt eingesperrt war. Er schien überhaupt kein hellhäutiger Brite zu sein. Seine Augen waren ziemlich schwarz, wie Oliven. Und sein Haar, bis auf die Kopfhaut geschoren, war absolut schwarz und neigte zu männlichen Locken.

       »Wenn ich es recht verstehe, hatten wir einen kleinen Anfall wegen einer streunenden Katze«, sagte Dr. Gilchrist. X-Man starrte weiterhin an die Decke. Dr. Gilchrist fuhr mit einer Hand über die Augen des Patienten. Diese Technik funktionierte. Die Trance des Mannes war durchbrochen. X-Man blinzelte mit den tief schwarzen Augen, und sein Blick suchte den des Arztes.

       »Erinnern Sie sich an die Katze?«, fragte Dr. Gilchrist. »Sie wollte Ihre Bücklinge und die Milch stehlen?«

       X-Mans Stimme war dünn und leblos, ziemlich so, wie sie es gewesen war, als der arme Unglückliche damals nach Wyndmoor gebracht worden war.

       »Ja«, erwiderte er auf Englisch. Seine hageren Züge begannen zu zucken.

       Dr. Gilchrist lächelte. »Gut. Woran erinnern Sie sich sonst noch?«

       X-Man murmelte: »Es heißt, der Bürgermeister sei tot umgefallen, als er davon hörte.«

       Dr. Gilchrist blinzelte verwundert.

       »Diese kleinen Vögel an der Decke«, singsangte X-Man und zeigte mit dem zerklüfteten Kinn hin. »Einer davon kann sprechen. Er spricht Englisch und Französisch mit einem spanischen Akzent.«

       Unwillkürlich schaute Dr. Gilchrist auf, obwohl er wusste, dass es keine sprechenden Vögel an der Decke gab. Er holte Luft.

       »Und diese kleinen Vögel, was sagen sie zu Ihnen?«

       X-Man kehrte das Gesicht zur Wand. Seine Stimme war verzerrt vor Qual. »Sie – sie betteln um ihr Leben. Sie betteln darum, dass – die Katzen – sie nicht – fressen.« Er schluckte schwer. »Ich möchte auch nicht, dass sie mich fressen«, sagte er dünn.

       Als er diese Worte hörte, überkam Dr. Gilchrist unwillkürlich ein Schauder, der ihm am ganzen Leib unter dem weißen Kittel herablief. Er verstand, dass solche Reaktion nicht beibehalten werden sollten, wenn das menschliche Bewusstsein gesund bleiben sollte.

       Als das nervliche Zucken vorüber war, fragte der Psychologe: »Kann ich Ihnen etwas besorgen?«

       »Meine Pflanzen. Meine Pflanzen werden mich vor den Katzen beschützen, die mich fressen wollen.«

       »Wirklich?«

       »Deswegen züchte ich sie. Jetzt erinnere ich mich. Vorher – konnte ich es nicht.«

       »Verstehe«, sagte Dr. Gilchrist, der ganz und gar nicht verstand. Tatsächlich war er jetzt ziemlich besorgt. In dem Jahr, während dem X-Man in seiner Obhut gewesen war, hatte er keinerlei Neigung zu Halluzinationen gezeigt. Jetzt sah er eingebildete Vögel und fürchtete sich vor schlichten Mäusejägern vom Lande.

       »Woran erinnern Sie sich sonst noch?«

       »Ich – ich erinnere mich daran, wer ich bin.«

       Dr. Gilchrist fuhr überrascht auf. »Wirklich! Bursche, wer sind Sie dann?«

       »Das wage ich nicht, Ihnen zu sagen.«

       Dr. Gilchrist runzelte die Stirn. »Warum nicht?«

       »Weil, wenn Imperator Kizan hört, dass ich immer noch am Leben bin, wird er seine Katzen über den See des Rauchs aussenden, um mich zu jagen.«

       »Kizan? Und wer ist Imperator Kizan?«

       »Ein Teufel.« Und jetzt war es X-Man, der schauderte. Er schloss fest die Augen. Der Schauder schien an den Zehen des Mannes zu beginnen, sich seinen Weg über die drahtigen Beine hinaufzuarbeiten und seinen Rumpf so gnadenlos zu erschüttern, dass der Kopf des Mannes auf seinen Schultern zitterte, bis Dr. Gilchrist gezwungen war, die Zelle zu verlassen. Sein eigener Schauder hatte wieder angefangen.

       In dieser Nacht holte Dr. John Gilchrist die medizinische Akte heraus, die den Namen X-Man trug, und veränderte die Diagnose des Patienten von der einen möglichen Amnesie zu einer eindeutigen Wahnvorstellung.

       Das war ein Unglück, überlegte er. Solche Patienten hatte eine schlechte Prognose. X-Man würde wahrscheinlich den Rest seiner Tage in Wyndmoor verbringen.

       Als nachträglichen Einfall fügte Dr. Gilchrist seinen Notizen das Wort ailurophob hinzu und steckte den Ordner weg.

       *

       Am folgenden


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