Doc Savage - Das vergessene Imperium. Kenneth Robeson
der Patient sich ihres Anblicks erfreuen und sie riechen konnte, soweit das unter den gegebenen Umständen möglich war.
Es war notwendig, die Zwangsjacke des Patienten zweimal am Tag zu lockern, damit der Blutfluss nicht ins Stocken kam, und bei dieser Gelegenheit brach der Hurrikan unwiderruflich los.
Zwei Pfleger hatten diese Aufgabe. Sie machten sich mit Festigkeit, aber auch Sanftheit ans Werk, während X-Man auf der Kante der Pritsche saß und ziemlich benommen die Topfpflanzen anstarrte.
Die Tür war nicht völlig geschlossen, und während die Aufmerksamkeit der Pfleger auf die Messingschließen gerichtet war, welche die lächerlich langen Segeltuchärmel sicherten, die um den Leib des Patienten geschlungen waren, wurde die Tür leicht aufgeschoben.
Das zeitliche Zusammentreffen hätte nicht unglücklicher sein können.
Die letzte Schnalle war gerade gelöst worden, und sie zogen dem Mann die Zwangsjacke ab, als ob sie eine absurde Strickjacke wäre.
Als sie endlich herunter war, bemerkte X-Man die Katze.
Dem lohfarbenen Fell nach zu urteilen, war es gewiss dieselbe Katze, die X-Man zuvor schon einen solchen Schrecken eingejagt hatte. Aber jener Vorfall war nichts im Vergleich zu dem Ausbruch, der erfolgte, als die Augen des geisteskranken, dunkelhäutigen Patienten auf den heranschleichenden Mäusejäger fielen.
Er stieß ein langes, jaulendes Gekreisch aus und warf mit der Kraft, die den Wahnsinnigen manchmal überkommt, die stämmigen Pfleger beiseite wie Kinder.
X-Man sprang von der Pritsche, und sein dunkles Gesicht zeigte Rinnen des Entsetzens.
»Verschwinde! Verschwinde!«, schrie er.
Überrascht vollführte die Katze einen Satz gerade in die Höhe und kam hackend, katzbuckelnd, zischend und fauchend wieder herab.
X-Man fiel über die Topfpflanzen her und schleuderte sie auf die Katze. Diese erfasste den Hinweis und jagte durch den Spalt der offenen Tür hinaus.
X-Man stand da, beobachtete die Tür, wobei sich seine Brust hob und senkte und sich das Weiße in seinen Augen zeigte, und er beachtete die beiden Pfleger nicht, die unmittelbar hinter ihm wieder auf die Beine kamen.
Die Berührung durch eine fleischige Hand auf seiner Schulter löste eine unmittelbare Reaktion bei X-Man aus.
Der erregte Mann umklammerte eine Pflanze.
X-Man fuhr herum und zerbrach den Blumentopf – er war aus dickem orangefarbenem Ton – auf dem Kopf des Mannes. Der Mann ging zu Boden, wobei er im Sturz den anderen Mann mitriss.
X-Man war zur Tür hinaus, während der Pfleger, der noch bei Sinnen war, sich wieder organisierte. Er rannte in eine wahrscheinliche Richtung und begegnete bald einer Krankenschwester, die sich gegen eine Wand gedrückt hatte und auf eine langsam zufallende Tür zeigte.
»Er – er ist da lang«, quietschte sie.
Der Pfleger hatte seit einigen Wochen ein Auge auf diese spezielle Krankenschwester geworfen. Die Überlegung, sie beeindrucken zu wollen, übernahm in ihm Oberhand über eine vernünftige Einschätzung der Sachlage. Er schlenderte zur Tür hinüber und warf sie auf.
Und ein Blumentopf krachte auf seinen dicken Schädel herab. Der Pfleger rollte die steinerne Treppe herab, dabei mit Beinen und Armen umherschlagend.
Die unbeeindruckte Krankenschwester rannte, ihrer Ansicht nach, um ihr Leben.
Ein Alarm ertönte. Sogleich lief in der Institution alles wie am Schnürchen ab.
Für eine Flucht gab es bestimmte Prozeduren, aber es war so lange her, seitdem ein Patient einen Fluchtversuch von diesem idyllischen Ort unternommen hatte, der Wyndmoor Asylum für die geistig Verwirrten darstellte, dass das Personal mehr als nur ein wenig eingerostet war.
Zimmer wurden durchsucht, ebenso sehr das weite und gut gepflegte Gelände. Rasch wurde festgestellt, dass auf dem Gelände keinerlei entkommende Patienten zu finden waren.
»Er muss immer noch im Gebäude sein«, schloss Dr. Gilchrist, der das Kommando über die Suchaktion übernommen hatte. »Sucht überall, Burschen. Hört nicht auf, bis er auftaucht.«
Die Suche ging weiter. Jeder Schrank und Vorratsraum wurde untersucht. Patienten wurden in ihren Zimmern eingeschlossen, sobald diese durchsucht waren, um der Möglichkeit vorzubeugen, dass X-Man in ein bereits durchsuchtes Zimmer schlüpfen und so der Entdeckung entrinnen könnte.
Nach und nach beschränkte sich die Suche auf die Küche und die Wäscherei, die beide sehr groß waren.
In letzterer lag Schmutzwäsche in Karren auf Rädern, die darauf warteten, an den sehr modernen Waschmaschinen an der Reihe zu sein. Pfleger gingen umher und suchten zwischen den schmiedeeisernen Füßen und hinter den Karren. Hände wurden in die Karren gesteckt und wühlen herum, aber die geruchsintensive Natur der Aufgabe zwang die Sucher dazu, in den Wäschehaufen mit Besenstielen herumzustochern.
Als diese Tätigkeit kein Ergebnis erbrachte, verließen sie die Wäscherei und schlossen sie hinter sich zu.
Augenblicke später hob sich ein Wäschehaufen und teilte sich – und ein schwarzhaariger Kopf kam in Sicht. Dunkle Augen durchsuchten die Umgebung.
Dann trat X-Man, die schlanken, drahtigen Arme entfaltend, heraus und massierte sich die Rippen auf seiner rechten Seite. Er umklammerte ein Kleidungsstück, das er sich überstreifte. Es war weiß und goldgesäumt und ließ seine Beine bloß. Tunika war der einzig angemessene Ausdruck für das seltsame Kleidungsstück.
So gekleidet bearbeitete X-Man eines der Fenster, bis es sich öffnete, und drückte sich durch die schmale Öffnung nach draußen.
Das Gelände der Anstalt war ein Wunder aus Buschwerk und Reihen von Hecken. Es war für einen Patienten eine einfache Sache, von einer zur anderen zu gelangen und sich langsam auf die niedrige Natursteinmauer zuzuarbeiten, die äußere Umfriedung des Krankenhauses.
Dort, hinter der Mauer kauernd, hielt X-Man inne, um wieder zu Atem zu kommen. Ein seltsamer Ausdruck glitt ihm über die eingesunkenen Züge.
Er grub in seinem exotischen Gewand, und seine Finger suchten eine Innentasche. Sie kamen wieder so gut wie leer hervor. Ein schwarzer und harter Fleck klebte an einer Fingerspitze.
Es war ein Same, so klein, dass es selbst im Sonnenlicht schwer fiel, seine wahre Natur zu erkennen.
Unterdrückt brummelnd grub X-Man tiefer in seiner verborgenen Tasche. Da er nichts fand, kehrte er das Innere nach außen.
Dann trat ein Ausdruck abgrundtiefer Enttäuschung auf sein Gesicht.
Sorgfältig, wie um ihn nicht fallen zu lassen, verstaute X-Man das einsame Samenkorn in der Geheimtasche, als ob es ein Korn aus reinem Gold wäre.
Sein Blick schoss hierhin und dorthin. Es war ein gehetzter Blick, voll eines dunklen Lichts.
Wäre Dr. Gilchrist in der Lage gewesen, seinen Patienten jetzt zu beobachten, wäre er gezwungen gewesen, seine allerletzte Diagnose zu revidieren.
Denn X-Mans Augen waren nicht voll von Wahnsinn, sondern Schläue.
Daraufhin ging er weiter, eine fantastische Erscheinung in der schottischen Landschaft.
Kapitel 2: Schottischer Spuk
William Harper Littlejohn war der nächste Mann, der in den wütenden Zyklon der Ereignisse eingesogen wurde.
In vielerlei Hinsicht erinnerte William Harper Littlejohn an eine große, schlaksige Vogelscheuche, die sich von ihrem hölzernen Pfahl losgerissen hatte und auf der Suche nach einer richtigen Mahlzeit losgewatschelt war. William Harper Littlejohns enge Freunde beschrieben ihn häufig so, als würde er wie der Vorbote einer Hungersnot aussehen. Er schien dünner zu sein, als es einem Menschen möglich war,