Omnipotens. Thorsten Klein

Omnipotens - Thorsten Klein


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Lord Montmorency darin einig, dass der Krieg beendet werden müsse. Er kostete zu vielen Soldaten das Leben.“

      „Sie kennen den Herzog von Montmorency? Persönlich?“, fragte Herr Brandenburger.

      „Wer hat denn nun eigentlich den Vorsitz über diese Befragung?“, fragte Peta voller Spott zurück. „Der Herr Schöneberger, wie es in der amtlichen Vorladung stand, oder Sie, Herr Reichskanzler, wie Ihre ständigen Unterbrechungen den Eindruck erwecken.“

      Herr Schöneberger räusperte sich. Sein Verhältnis zu seinem Parteichef und Reichskanzler war ein sehr angespanntes. „Ich habe den Vorsitz“, erwiderte er, „aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Frage des Herrn Reichskanzlers trotzdem beantworten könnten.“

      „Ich kenne den Herzog von Montmorency seit unserer gemeinsamen Kindheit. Wir sind fast wie Brüder. Eigentlich sind wir viel mehr, als nur Brüder.“

      Das Lächeln Petas beantwortete seine Frage besser, als seine Worte. Aber niemand verstand es. Mal abgesehen vom General Dietrichstein und dem im Zuschauerraum lauschenden Herzog von Waldenburg.

      „Und Sie hatten beschlossen, den Krieg zu beenden?“

      Peta nickte wie jemand, der es gewohnt ist, weltpolitische Entscheidungen zu treffen. „Warum nicht? Für Deutschland war er nicht mehr zu gewinnen. Schade also um die vielen Soldaten, die noch sterben würden, führte man ihn weiter. Außerdem war es einfach an der Zeit, denn alle Kriegsziele waren erreicht.“

      An seinen Fingern abzählend führte er diese auf: „Einen russischen Kaiser gab es nicht mehr, den osmanischen Kaiser hatte sein Volk ebenfalls verjagt und im Südreich hatten sie nicht nur ihren Kaiser, sondern gleich den ganzen Adel abgeschafft. So weit, alles wie geplant. Blieb also nur noch der deutsche Kaiser. Aber der sollte auch bald abdanken, schließlich waren alle Voraussetzungen dafür erfüllt.“

      Schöneberger war fassungslos über das Gehörte. Er sah den General staunend an. Und schwieg.

      Deshalb mischte sich Brandenburger wieder ein. Mit der ihm eigenen Selbstverständlichkeit. „Die Revolution vor zwei Jahren kam für uns alle vollkommen unerwartet. Auch Sie konnten nicht wissen, dass sie stattfinden würde.“

      „Für den General von Ehrlichthausen kommt nichts unerwartet. Weder eine Schlacht, noch eine Revolution. Die war lange fällig, denn dieser unfähige Kaiser musste weg. Kam sie Ihnen denn ungelegen? Sie riefen die Republik aus. Nicht zu Ihrem Schaden. Oder, Herr Reichskanzler?“

      „An diesem Tag haben sie kapituliert, Herr General. Wussten Sie da schon von der Revolution? War dieses Datum der Kapitulation beabsichtigt?“, fragte ein fassungsloser Reichskanzler.

      „Ob ich von der Revolution wusste? Muss ich mich wiederholen? Wir haben einzig und allein wegen der Revolution kapituliert. Mit voller Absicht. Dieser Zeitpunkt gab uns die Möglichkeit, hinterher zu behaupten, ihre Revolution wäre der Armee in den Rücken gefallen. Diese Geschichte glaubt inzwischen jeder.“

      Ort: Psyche, Berlin, Polizeipräsidium

      „Inzwischen glaubt Ihnen das niemand mehr, Herr Kriminalrat Renatus. Sie müssen sich geirrt haben. So etwas kommt zuweilen vor. Wenn man so schwer verletzt ist, wie Sie es waren, ist es sogar verständlich.“

      „Ich habe ihn genau wiedererkannt, Herr Staatsanwalt. Es kann gar keinen Irrtum geben. Er war es, er hat auf mich und Minister Erzberger geschossen.“

      „Er hat ein Alibi. Muss ich einem gewieften Kriminalisten wie Ihnen sagen, was das bedeutet? Kein Gericht der Welt wird ihn verurteilen.“

      „Sein Alibi stammt von seinen Gesinnungsgenossen. Es ist sogar möglich, dass die mit in die Tat verwickelt waren. Es gab drei Schützen. Nur ihn habe ich erkannt, die anderen beiden nicht.“

      „Seine Gesinnungsgenossen, wie Sie sie nennen, sind ehemalige Frontsoldaten. Hoch dekoriert. Zum Teil mit „Pour Le Merite“. Bessere Zeugen gibt es gar nicht. Wenn ich das alles gewusst hätte, als ich den Haftbefehl unterschrieb, Herr Kriminalrat, hätten Sie meine Unterschrift unter den Haftbefehl niemals erhalten. Ich hoffe, Sie belasten Ihren guten Ruf und unsere Geduld nicht weiter, indem Sie Ihre Anfechtungen aufrechterhalten. Eine Anklage wegen Verleumdung wäre noch die geringste Konsequenz, die Sie dann zu tragen hätten.“

      Die Art, wie der Staatsanwalt das sagte, ließ den Kriminalrat aufhorchen. „Die geringste Konsequenz?“, fragte er. „Welche Konsequenzen sollte es denn noch geben?“

      „Ihre Suspendierung von Dienst, zum Beispiel. Mir ist von vertraulicher Stelle zugetragen worden, Sie verfolgen einen privaten Rachefeldzug gegen den Hauptmann.“

      „Ich kenne diesen Mann nicht. Ich habe ihn im Schwarzwald das erste Mal kennengelernt.“

      „Der Herr Oberst von Krüger ist da ganz anderer Meinung und hat sich auch sofort als Zeuge zur Verfügung gestellt. Hier, seine Aussage.“ Der Staatsanwalt reichte dem Kriminalrat ein Blatt. „Ein Oberleutnant Baltheisser war in dem Zug mit Verwundeten, über den es so viele Gerüchte gab. Man sprach sogar von Wunderheilungen. Waren Sie nicht der Leiter der Sonderkommission, die den Fall untersucht hat?“

      „Das ist absolut richtig. Jetzt weiß ich auch, woher ich dieses Gesicht kannte. Ich habe die ganze Zeit überlegt.“

      „Ihre gespielte Überraschung sieht zwar überzeugend aus, Herr Kriminalrat, sie kommt aber zu spät. Vielleicht erinnern Sie sich an diese Dokumente besser, als an Gesichter?“

      Der Staatsanwalt legte eine Untersuchungsakte auf den Schreibtisch. Renatus öffnete sie und las aufmerksam. Die Dokumente sahen sehr echt aus. Sogar seine Unterschrift unter dem Vernehmungsprotokoll konnte man als echt bezeichnen. Auf den ersten Blick zumindest. Der Kriminalrat hatte eine Unterschrift, die unleserlich war, aber fast unmöglich zu fälschen. Selbst für den Oberst von Krüger.

      Der Kriminalrat war immer bereit, eine Kampfansage anzunehmen. Auch gegen jemanden, wie den Oberst von Krüger, wie sich il caskar auf Psyche gern nannte. Er fühlte sich inzwischen wieder stark genug dafür.

      Zuerst musste er jedoch einen strategischen Rückzug antreten. Dem Staatsanwalt zu Liebe. „Ich glaube, Sie haben recht. Die schwere Verletzung scheint mein Gedächtnis beeinflusst zu haben. Ich erinnere mich an Herrn Baltheisser. Vielleicht habe ich unbewusst beide Ereignisse verbunden? Ich werde dem Herrn Hauptmann meine persönliche Entschuldigung übermitteln.“

      „Das ist leider nicht mehr möglich und sicher auch unnötig. Er wurde wieder nach München versetzt.“

      „In dieses kleine Nest an der süddeutschen Grenze?“

      „Dieses kleine Nest ist immerhin die Hauptstadt des Freistaates Bayern. Das dortige Wehrkreiskommando benötigt dringend einen fähigen politischen Offizier. Herr Baltheisser hat diese Stelle übernommen. Irgendwann wird die Zentralregierung in Berlin dem kommunistischen Blödsinn in Bayern und ihrer Räterepublik ein Ende setzten. Dann benötigt die dortige Reichswehr verlässliche politische Offiziere.“

      „Ich verstehe, Herr Staatsanwalt.“

      „Das ist sehr schön, Herr Kriminalrat. Es hätte mir sehr missfallen, einen fähigen Beamten, wie Sie es sind, zu suspendieren.“

      „Mord ist halt nicht mein Spezialgebiet. Ich werde zukünftig von Mordfällen die Finger lassen und mich wieder meiner eigentlichen Arbeit widmen.“

      Ort: Psyche, Moskau, Kreml

      „Ich werde mich viel ruhiger meiner Arbeit widmen können, wenn ich sicher bin, dass es dem Genossen Bolschoi besser geht“, sagte Wissarew auf eine so einschmeichelnde Art, dass sie jedes Gerücht, er gehe zu grob mit Untergebenen um, widerlegte.

      Der Posten vor Bolschois Schlafzimmer war ein altbekannter Genosse, den Wissarew noch aus der Zeit kannte, als dieser Mann ein Gehilfe des Anwaltes Sabota war. Er sah dem Anwalt auch sehr ähnlich, hatte aber kürzere Haare und war wesentlich jünger als der Anwalt. Nur sein Lächeln hatte er seinem ehemaligen Chef geklaut. Es wirkte, als wisse er alles über jeden. Auch die geheimsten Gedanken des Genossen Wissarew seien ihm bekannt, sagte


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