Terras kosmische Bestimmung: SF Abenteuer Paket. Reinhard Köhrer
war die Überlegenheit der Fulirr in letzter Zeit durch die Verwendung der Sandström-Sonden etwas gemildert worden, da es nun möglich wurde, im Sandström-Raum herannahende Schiffe bereits bei ihrem voraussichtlichen Austrittspunkt im Normalraum mit Dauerfeuer zu empfangen.
Aber die technologische Überlegenheit der Fulirr war ansonsten unangefochten. Ihre Antimaterieraketen stellten die stärkste Waffe dar, denen die Menschheit bisher begegnet war.
Vergeblich hatten Wissenschaftler der Humanen Welten versucht, diese Technologie zu kopieren. Und die Fulirr, denen es zuvor gelungen war, die Menschheit als Verbündete in den Konflikt hineinzuziehen, der seit vielen Jahrzehnten mit unverminderter Härte zwischen dem Reich der K'aradan und dem Nalhsara tobte, hatten es zwar verstanden, den Humanen Rat und die Führung des Space Army Corps mit dem Versprechen eines Technologie-Transfers zu ködern, andererseits aber dafür zu sorgen, dass so gut wie kein Anwendungswissen die Seiten gewechselt hatte.
Die menschlichen Versuche, auf Grundlage des Fulirr-Wissens eine eigene Antimateriewaffe zu entwickeln, waren seinerzeit kläglich gescheitert, wie Raphael Wong sich nur zu gut erinnerte. Schließlich war er damals auf der STERNENKRIEGER I Erster Offizier unter Commander Rena Sunfrost gewesen, als der Leichte Kreuzer zur Durchführung des ersten Tests ins Apollo-System aufgebrochen war.
»Captain, eine der Sonden misst einen Eintritt in den Sandström-Raum an. Die Position entspricht dem Samtran-System. Ein zweiter Eintritt in den Sandström-Raum erfolgte kurz danach«, meldete Lieutenant Derek Batista, der Ortungsoffizier der NEPTUN.
»Wie der Beginn der großen Invasion sieht das nicht gerade aus«, kommentierte Lieutenant Brian Mayer, der Erste Offizier. »In den letzten Tagen haben immer wieder mal ein paar Schiffe das System verlassen…«
»Allerdings gab es keine Schiffe, die noch hinzugekommen wären, um die Armada der Fulirr und Naarash zu verstärken«, gab Derek Batista zu bedenken.
»Sie meinen also, wir können davon ausgehen, dass die Phase der Flottenkonzentration abgeschlossen ist«, glaubte Raphael Wong.
»Ja, Sir«, bestätigte Batista. »Im Wesentlichen ist sie das allerdings schon seit Wochen. Nach den Messungen, die sowohl wir als auch die anderen Kundschafterschiffe vorgenommen haben, sind innerhalb der letzten vierzehn Tage – gerade mal fünf Einheiten im Samtran-System eingetroffen.«
»Captain, der Eintrittsvektor der beiden soeben im Sandström-Raum angemessenen Fulirr-Raumer sollte uns zu denken geben«, meldete sich Lieutenant Pemmo Nebbson zu Wort. Er war der Funkoffizier der NEPTUN und als solcher für den Empfang jener Signale zuständig, die von den Sandström-Sonden zum Mutterschiff gesandt wurden. Die Verarbeitung der eingehenden Daten lag dann wiederum federführend beim Ortungsoffizier. Allerdings hatte natürlich auch Nebbson zwangsläufig ständigen Zugriff auf die Daten, da es ihm anders gar nicht möglich gewesen wäre, Übermittlungsfehler oder eine nachlassende Sendeleistung der Sonde rechtzeitig zu erkennen.
Gerade Letztere kündigte sich nämlich in der Regel durch eine immer schlechter werdende Daten-Dichte und Qualität an, wie sich im Laufe der Zeit gezeigt hatte.
»Ich bitte um eine Erläuterung, Lieutenant«, sagte Commander Wong.
»Der Eintrittsvektor verrät uns, dass der voraussichtliche Punkt, an dem die beiden Schiffe in den Normalraum zurückkehren werden, außerhalb der Ortung unserer Sandström-Sonden liegt. Unser Bordrechner vermutet den Austrittspunkt in einer Entfernung von mindestens vier Lichtjahren zum Samtran-System.«
»Das würde auf Alpha Picus und Wurmloch Alpha zutreffen«, stellte Wong düster fest.
»Zumindest dürfte feststehen, dass die beiden Schiffe eigentlich nur innerhalb des Territoriums der Humanen Welten rematerialisieren können.«
»Vielleicht handelt es sich um irgendeine Erkundungsmission«, überlegte Lieutenant Celine Al-Malik, die Waffenoffizierin der NEPTUN. »So ähnlich wie wir auch vorgehen, um die Flottenkonzentrationen des Gegners im Auge zu behalten.«
»Captain, sollen wir Commodore Soldo über die beiden Schiffe informieren?«, fragte Lieutenant Brian Mayer.
»Durch die Benutzung des Sandström-Funks würden wir unsere Tarnung aufgeben«, gab Lieutenant Nebbson zu bedenken.
Wong überlegte kurz.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in der Nähe vorgeschobene Einheiten der Fulirr befanden, war recht groß.
Die über die Sandström-Sonden angemessenen Zwischenraum-Passagen der letzten Tage ließen das fast schon als gesicherte Erkenntnis erscheinen. Falls man die Funkstille brach und den Sandström-Sender der NEPTUN benutzte, musste das eigentlich von diesen Schiffen bemerkt werden.
Das wiederum bedeutete nichts anderes, als dass die Mission der NEPTUN damit beendet war. Sie konnte es dann wahrscheinlich gerade noch schaffen, rasch genug zu beschleunigen, um in den Sandström-Raum zu entkommen, ehe stärkere Verbände der Fulirr erschienen und die NEPTUN mit ihren gefürchteten Antimaterieraketen unter Feuer nahmen.
»Was ist Ihre Meinung, Templeton?«, erkundigte sich Wong bei Lieutenant Pierre Templeton, dem Ruderoffizier des Leichten Kreuzers, der sich bisher noch gar nicht zur Sache geäußert hatte.
»Meiner Einschätzung nach können die beiden angepeilten Fulirr-Einheiten nicht so viel Schaden anrichten, wie durch die Aufhebung der Funksperre entstehen wurde. Unser Posten wäre unbesetzt. Wir sind im Moment die am weitesten vorgeschobene Einheit und die Ortungsreichweite der Sandström-Sonden, die sich auf weiter zurückgezogenen Positionen befinden, reichen nicht bis ins Samtran-System. Daher kommt unserem Schiff im Moment eine Schlüsselposition zu.«
»Letzteres ist eine Einschätzung, die ich teile«, sagte Wong nickend.
»Sir, darf ich etwas anmerken«, meldete sich Lieutenant Celine Al-Malik zu Wort. Die Waffenoffizierin hatte sich von ihrer Konsole abgewandt, über die sie normalerweise im Gefechtsfall die Steuerung des Schiffs übernahm.
»Bitte, Lieutenant«, gab Wong zurück.
»Es könnte sich bei dem Aufbruch der beiden Fulirr-Schiffen um ein taktisches Manöver handelt, das dem Großangriff vorausgeht.«
»Sie denken, dass diese Schiffe ausgesandt wurden, damit wir die Sandström-Funksperre brechen«, schloss Wong.
»Ja, Sir. Die Fulirr wüssten dann, wie gut sie beobachtet werden und können sich immer noch überlegen, ob sie ihre Invasion bereits starten oder noch verschieben…«
»Dass diese Invasion unmittelbar bevorsteht, dafür sprechen eigentlich alle Erkenntnisse«, meinte Mayer. Der Erste Offizier der NEPTUN kratzte sich nachdenklich am Kinn und fügte dann noch hinzu: »Insbesondere könnte die verstärkte Sandström-Funk-Aktivität innerhalb des Nalhsara darauf hindeuten, dass gegenwärtig eine Abstimmung vonstatten geht!«
»Eine Abstimmung mit hohem Datenaufkommen, an der sich die Gesamtheit der Fulirr beteiligt«, stimmte Nebbson zu. »Das scheint mir plausibel zu sein.«
Raphael Wong atmete tief durch. Es ist meine Entscheidung.
Er erhob sich aus seinem Schalensessel, wandte den Blick kurz in Richtung des Panorama-Schirms, auf dem die relativ nahe Sonne Samtran deutlich hervorgehoben zu sehen war und befahl schließlich: »Die Sandström-Funksperre bleibt aufrecht erhalten. Wir beobachten weiter die Flottenbewegungen des Gegners.«
»Aye, Sir«, bestätigte Mayer.
Zwei Stunden dauerte es, ehe die nächsten Eintritte in den Sandström-Raum durch die Sonden geortet wurden.
Inzwischen hatte die NEPTUN den Kontakt zu einer dieser Sonden verloren, was unweigerlich irgendwann geschah. Eine weitere war aber rechtzeitig auf den Weg geschickt worden, um den Ausfall zu ersetzen, sodass der Ausfall an Ortungsdaten nicht allzu lange andauerte.
Nach fünf Stunden waren bereits vierzig Einheiten angepeilt worden, die in den Sandström-Raum eingetreten waren.
Die Eintrittsvektoren verrieten, dass die Schiffe des Gegners zwei Gruppen bildeten, die offensichtlich auch zwei verschiedene Ziele