Runter kommt man immer...Witzige Begebenheiten beim Erlernen des Skifahrens auf und neben der Piste. Silvia Urbschat
Ausrüstung selber besitzt, gibt es schließlich dann keine Ausrede, sie nicht zu nutzen. Wir erlegten uns also selbst den Zwang auf.
Das Thema Skilanglauf begann ich erst mal in Gedanken durchzuspielen. Aber das war wohl schon ein Fehler, denn wenn man darüber nachdenkt kommt die Angst.
Plötzlich stand ich auf meinen Ski und erlebte die ersten Meter in der Welt der „realen Loipen“.
Ich fuhr also erst mal nur geradeaus, immer in der Hoffnung, es möge kein Berg kommen. Das war ein frommer Wunsch, gerade dort ist das Gelände bergig und bewaldet – eben Riesengebirge!
Ich übte und lernte und war stolz auf meine ersten kleinen Ausflüge.
Also fast wie bei den Profis, rechter Ski vor, Skistock einstecken und dann der linke Ski ebenso, irgendwann kam ich voran, ein Hochgefühl! Wenn ein Hang kam rief ich wie in Kindertagen beim Schlittenfahren:
„ Bahne frei – Kartoffelbrei !!! „
Die Tschechen wussten leider nicht, was ich wollte. Doch sie sahen, wie ich mich mit einer unvergleichlichen Haltung beim Skifahren bemühte. Nach jedem Sturz stand ich tapfer wieder auf.
Abends saßen wir immer zusammen, werteten den Tag aus und hatten viel Spaß beim Erzählen der Tageshöhepunkte. Ich war wie immer mal wieder der Knaller mit meinen Erlebnissen, das machte aber nichts, immer wieder war ich gern der Skiclown.
Einmal kam hinter uns auf gerader Strecke ein Loipen-Spurgerät. Normale Langläufer steigen elegant aus der Loipe und dann wieder hinein. Ganz anders ich, voller Panik warf ich mich samt Ski und Stöcken nach rechts in den Wald. Schließlich hätte mich das Ding ja überfahren können. Man weiß ja nie!
Geschmückt mit Tannengrün, über und über voller Ästchen kam ich unter dem Gelächter meiner Begleiter wieder auf die Beine. Mir tat jeder Knochen weh, oh´ dieses Skifahren!
Schließlich stand ich wieder ordentlich in der Loipe, doch was sah ich dann? Da hinten ging es auch noch bergab!
Der Hang kam, ich war gut vorbereitet und fuhr tief gebückt in der Loipe.
Am Anfang ging es langsam und ganz gut, später wurde ich schneller und schneller. Dann hob es mich aus. Wie eine Schneekugel, ähnlich einer Lawine rollte ich den Rest des Berges hinunter. Unten angekommen tauchte ich mit meinem Gesicht tief in den weichen Schnee.
Die Ski waren noch an meinen Füßen, aber hoffnungslos verdreht, keine Chance wieder aufzustehen und so zu tun, als ob nichts weiter wäre.
Hilflos musste ich mit ansehen, dass da unten, genau an meinem Landeort ein Bus voller Rentner gehalten hatte. Hocherfreut stiegen sie aus und fotografierten mich als das Highlight ihres Tagesausfluges.
Ich dachte ja, ich sähe wenigstens mit meiner super tollen blauen, italienischen Sonnenbrille noch cool aus – doch das war nicht so! Meine schöne Brille war irgendwo im Schnee verloren gegangen. Peinlicher ging´s nicht. Mein Mann sortierte erst mal meine Ski und stellte mich auf meine Füße, während die Zuschauermengen applaudierten.
Ich hätte im Erdboden versinken mögen!
Aber so was geht ja bekanntlich nicht. Also kämpfte ich mich auch an den nächsten Tagen weiter durch den Schnee. Mal mit ganz gutem Erfolg, manchmal umarmte ich nach flotter Abfahrt auch mal einen Baum am Weg. Es ging auf und ab mit meinem Können, aber ich gab niemals auf.
Ein Höhepunkt für mich war, als ein selbst ernannter Langläufer mit seinen Ski auf der Schulter einen zugegeben nicht gerade leichten Ziehweg an mir vorbei hinunterging. Zu Fuß!
Ich fuhr mit meinen Langläufern hinunter, zwar sehr langsam im Pflug bei gefühlten10 km/h, aber ich fuhr. Ich gratulierte mir selbst, denn meine Familie war schon eine halbe Stunde in der Baude und wartete auf mich mit dem Mittagessen. Aber sie waren des Lobes voll. Überhaupt, die Familie, sie spielte neben guten Freunden im Winterurlaub eine ganz besondere Rolle. Man lernte sich ganz neu kennen.
Hier waren Rentner plötzlich flotte Ski- oder Schlittenfahrer. Manch einer, der sonst der Überflieger war, stellte sich als total unsportlich heraus und unsere Kinder waren in der Loipe oder auf den Pisten die Größten.
Für alle aber galt es, diese Tage im Schnee zu genießen. Am Tag schaffte man sich an der frischen Luft, abends nach dem Duschen und einem gemeinsamen Abendbrot wurde gespielt und geschwatzt - herrlich.
An jedem Morgen gab es dann beim Frühstück hausgemachte tschechische Spezialitäten. Toll hergerichtete Wurst und Käseplatten und sauer eingelegtes Gemüse. Für die süßen Leckermäuler gab es auch etwas Feines, gefüllte Palatschinken mit Schokocreme oder Blaubeeren! Eine Delikatesse! Mir sind besonders die hervorragenden Toasts in Erinnerung geblieben:
Weißbrot getoastet, darauf eine Senfcreme, gebratener Schinkenspeck und obenauf lag ein herrlich pochiertes Ei!
Besonders verwöhnt wurden wir nach abendlichen ausgiebigen Feiern, wie Silvester oder Fasching.
Dann kamen wir bei einem späten Frühstück in den Genuss einer weiteren tschechischen Tradition. Es gab eine leckere „Katersuppe“ - eine deftige Sauerkrautsuppe, sie war wirklich lecker.
So gestärkt konnten die Skitage beginnen!
Wir waren zwar nicht jedes Jahr, aber doch insgesamt sieben mal im Riesengebirge zum Winterurlaub, es war eine tolle Zeit. Doch nicht nur Skifahren war angesagt, auch Schneeballschlachten, Schneemannbauen oder Pferdeschlitten fahren. Bei der Schlittenfahrt hatten wir einen Fahrer, der aussah, als wäre er dafür geboren, groß gewachsen, lange blonde Locken und mit einem langen Ledermantel bekleidet, so stellten wir uns einen Pferdehirten vor!
Wir machten auch Skiwanderungen, wobei unser Familien-Wanderführer Detlef zwar gut Skifahren konnte, aber niemals wusste, wo er sich eigentlich befand. Jede Tour wurde eine Überraschung. Wann und wo würden wir wohl ankommen? Jeder, der diese Touren freiwillig mitfuhr, hatte schon im Voraus eine Tapferkeitsmedaille verdient.
Mit nassen Sachen und manchmal Tränen der Erschöpfung in den Augen kamen wir daheim an. Doch die Klamotten waren manchmal nicht nur schweißnass. Detlef´s Freund wollte der Schnellste sein in der Loipe und sah nicht, dass hinter einer Kurve ein Bach kam. Er fuhr und flog samt Ski mitten hinein. Tropfend vor Nässe und zitternd vor Kälte machte er sich dann auf den Heimweg!
Unsere Hilde, damals schon Oma, blieb während unserer Urlaube eisern beim Schlittenfahren. Sie hatte ihre ganz spezielle Technik und fuhr damals sogar mit dem Schlitten auf den steilen Skipisten. Und obwohl die Skifahrer sie des öfteren beschimpften, fuhr sie selbstbewusst mit dem Skilift bergauf und hatte sehr viel Spaß.
Erich, Hildes Mann und damit der älteste unserer tollen Skitruppe, war ein sehr guter Skifahrer. Bis heute erinnere ich mich an seine aufmunternden und hilfreichen Ratschläge. Er musste mir auch bei vielen Stürzen helfen. Erich war auf der Piste ein echter Hingucker. Er war der Größte und der Clou war sein bunter Dederon-Skianzug, er trug ihn immer! Heute wäre dieser Anzug schon wieder topaktuell, retro!
Überhaupt, wir waren damals alle recht sonderbar angezogen, wenn man die heutigen Maßstäbe anlegt. Kurt trug mit Stolz seinen lilabunten Jogginganzug, ich hatte einen grasgrünen Pullover und eine blau-lila Wetterhose als Standart-Skibekleidung. Dazu natürlich bunte Stirnbänder, dass wir unser damals langes und dauergewelltes Wallehaar zeigen konnten.
Um die Bekleidung ging es auch an den Nachmittagen, oft gingen wir damals nach Vrchlaby zum Einkaufen.
Kleidung, Glas oder andere schöne Sachen gab es in Tschechien sehr günstig. Auch das Schuhgeschäft war immer wieder unser Anlaufpunkt. Dort merkte ich wie klein die Welt doch ist.
Von meiner Studienkollegin Iris kannte ich die ganze Familie. Auf einmal sah ich ihren Sohn im Geschäft, also die Ohren auf, und schon hörte ich sie – Iris! Mit ihr hätte ich im Skiurlaub überhaupt nicht gerechnet. Sie schrie gleich begeistert „Otti“ und ich nannte sie wie in unserer Studienzeit „Tüte“.
Das waren während des Studiums zum „Veterinäringenieur“ bis 1981 unsere Spitznamen. Wir hatten ins nie aus den Augen verloren, denn wir wohnten