Bis ihr sie findet. Gytha Lodge
Strandtasche über die Schulter geworfen, und lächelte. Sie hatte ihr Gewicht ganz auf ihr Standbein verlagert und ihr Spielbein locker angewinkelt, eine Pose, die beinahe spöttisch wirkte.
Aurora griff nach einer freigelegten Wurzel und hielt sich atemlos und ein wenig benommen daran fest, um nicht von der Strömung weitergezogen zu werden.
»Wir zelten. Das machen wir oft. Wollen Sie mein Zelt sehen?«
»Das ist sehr nett von dir, Topaz. Aber ich habe mein eigenes Zelt.«
Sie fragte sich, ob sie eine Spur von Sarkasmus in seiner Stimme gehört hatte oder ob er damit mehr andeuten wollte. War es eine Einladung? Sie konnte sein Gesicht nicht richtig sehen, aber wagte nicht, noch näher heranzuschwimmen oder die Wurzel loszulassen.
»Wo zelten Sie? In der Nähe?«
Er zuckte knapp mit den Schultern. »Ein paar Meilen von hier. Ich habe ein paar Stellen im Sinn.«
»Es wird bald dunkel«, sagte Topaz. »Sie könnten sich verirren.«
Aurora war sich sicher, dass er lächelte, als er sagte: »Ich kenne den Weg. Keine Sorge.«
Er bewegte sich auf sie zu und an ihr vorbei, obwohl Topaz nur halbherzig aus dem Weg ging.
»Sie sollten später auf ein Bier vorbeikommen«, sagte sie. »Wenn Sie Ihr Zelt aufgebaut haben. Unser Lager ist nur ein kleines Stück entfernt von hier.«
»Ich werd dran denken.«
»Wiedersehen, Mr Mackenzie!«
Er hob die Hand, drehte sich aber nicht noch einmal um. Er ging weiter und duckte sich unter der Buche. Im selben Moment erkannte Aurora den Baum. Vom Fluss sah er anders aus, und die tief hängenden Äste verbargen den Stamm und das Lager in dem Hohlraum vollkommen. Sie hielt kurz den Atem an und erwartete für einen Moment, dass er stehen bleiben und etwas sagen, dass er den Vorrat entdecken würde. Aber er kam auf der anderen Seite wieder heraus und ging am Ufer entlang zu einem weiteren Baum mit überhängenden Ästen.
Erst als er ein ganzes Stück weiter war, rührte Topaz sich. Sie löste die Arme aus ihrer Verschränkung und warf einen schnellen Blick in ihre Tasche. Dann hängte sie sie wieder über die Schulter und ging langsam zurück zu dem Zeltplatz.
Aurora sah ihr nach und strampelte eine ganze Minute lang auf der Stelle, bevor sie weiterschwamm, weg von der Sandbank auf die sich entfernende Gestalt in dem karierten Hemd zu.
11.
Es war schon dunkel, als sie sich von dem Navigationsgerät von Bishop’s Waltham zu Jojos kleinem, farbenfrohem Haus außerhalb von Fritham lotsen ließen. Jonah erinnerte sich an eine sehr viel jüngere Version von Jojo Magos und an eine neunzehnjährige Version seiner selbst in Uniform.
Er erinnerte sich an zwei Gestalten, die vom Scheinwerferlicht des Streifenwagens erfasst worden waren. An das nur halb fertig gesprayte Hammer-und-Sichel-Graffiti und den fetten Schriftzug an der Seitenmauer der Co-op. Daran, wie die beiden sich umgedreht hatten, zwei kurze Haarschöpfe im Scheinwerferlicht, eine schützend vors Gesicht gehaltene Hand.
Sein Sergeant hatte scharf gebremst. Als Jonah aus dem Wagen sprang, hatte er noch gesehen, wie die beiden alles fallen ließen und losrannten.
»Ich nehm den Größeren!«, hatte sein Sergeant gerufen. Jonah war einverstanden. Er genoss die Herausforderung, die flinkere der beiden Gestalten einzufangen.
Als er die Verfolgung aufnahm, wäre er beinahe über einen fallengelassenen Pullover gestolpert. Er zögerte, als er die schwarze Che-Guevara-Silhouette auf weißem Grund erkannte. Der Sergeant war schon vor ihm, als er sich bückte, um ihn aufzuheben. Er fixierte die kleinere Gestalt und rannte ihr über die Hauptstraße hinterher.
»Polizei!«, rief der Sergeant. Woodman? Hatte er so geheißen? Jonah war sich nicht mehr sicher. »Stehen bleiben!«
Aber keine der beiden Gestalten blieb stehen. Die größere bog in die Romsey Road. Der Sergeant war kein von Natur aus agiler Mensch und wäre fast dran vorbei gestürmt. Jonah lief geradeaus weiter und verfolgte die andere Gestalt.
Gleich biegt sie ab, dachte er und lächelte, als er sah, wie sie die nächste Straße auf der rechten Seite nahm, weil er wusste, dass es eine Sackgasse war.
Jonah bog keine zehn Meter hinter ihr um die Ecke. Er war nicht so naiv zu glauben, sie in die Enge getrieben zu haben, und sie enttäuschte ihn nicht. Sie sprang an dem Gartenzaun am Ende der Straße hoch, fand mit beiden Händen Halt, stemmte sich mit den Füßen nach oben und schwang sich hinüber.
Jonah war widerwillig beeindruckt von der Behändigkeit und Geschwindigkeit, mit der sie verschwunden war. Obwohl sie schneller war als er, setzte er ebenfalls zum Sprung an. Für solche Verfolgungen hatte er hart trainiert und bekam nur selten Gelegenheit, seine Fertigkeiten anzuwenden. Er musste lächeln, während er sich den Pullover um die Schultern schlang und sich hochhangelte. Er schwang einen Fuß über den Zaun und ließ sich in den belaubten Garten auf der anderen Seite hinab.
Er hörte die leiser werdenden Schritte vor dem Haus und folgte ihnen im Sprint durch einen engen Gang. Als er den Vorgarten erreichte, sprang ein Bewegungsmelder an.
Die Gestalt war zu einer Seitenstraße weitergelaufen, die er vage wiedererkannte. Nicht vom Namen her, doch er war sich ziemlich sicher, dass sie ein Stück weiter in eine andere Straße mündete. Er nahm die Verfolgung der fliehenden Gestalt wieder auf, die inzwischen einen kleinen Vorsprung hatte.
Sie blieben nicht lange auf der Straße. Nach hundert Metern sprang die fliehende Gestalt mühelos über ein Tor und fand eine Lücke neben einem weiteren Haus. Irgendwann wusste Jonah nicht mehr, über wie viele Zäune sie gesprungen und durch wie viele Gärten sie gerannt waren. Er wusste auch nicht mehr genau, wo sie waren. Er vermutete, dass sie irgendwann in einem Bogen wieder zurück in die Richtung gelaufen waren, aus der sie gekommen waren.
Er wurde langsam müde, der Dauersprint und die Kletterei waren Mord für seine Lungen, und in seiner unbequemen warmen Uniform schwitzte er heftig. Aber er war wie ein Hund, der eine Fährte aufgenommen hatte; er würde nicht aufgeben.
Am Ende beging die flüchtende Gestalt einen Fehler; sie bog neben dem renovierten Stag Hotel rechts ab und stand dann vor einer glatten Backsteinmauer, die den Durchgang versperrte. Jonah musste abrupt abbremsen, um sie nicht umzurennen.
Eigentlich hatte er ihr Gesicht gar nicht sehen müssen, als sie sich rebellisch und vor Schweiß glänzend zu ihm umdrehte. Dass sie es war, hatte er sofort gewusst, als er den Aufdruck auf dem liegengelassenen Pullover gesehen hatte. Und ihre flinken Bewegungen hatten es wieder und wieder bestätigt.
»Du hättest es mir ein bisschen leichter machen können«, sagte er, nahm den Pullover von seinen Schultern und warf ihn ihr zu.
Sie stand nur da und starrte ihn wütend an. Dann blickte sie auf den Pullover zu ihren Füßen und wieder auf, argwöhnisch, auf dem Sprung. Er nickte ihr kurz zu und trat immer noch schwer atmend den Rückzug an. »Danke für das Training, Jojo«, sagte er. »Wir sehen uns.«
Erst als er sich umgedreht hatte und wieder losgetrabt war, rief sie ihm spöttisch nach: »Für einen Bullen bist du gar nicht mal so langsam, Sheens!«
Sein Sergeant wartete allein und ungeduldig bei dem Streifenwagen.
»Ich hab ihn verloren«, sagte er, als Jonah austrabte. »Er ist in einem der Sozialhäuser verschwunden, und ich habe nicht gesehen, in welchem.«
Jonah schüttelte den Kopf. »Bei mir das Gleiche. Das war ein verdammter Irrer. Ist über die Hälfte aller Zäune im Dorf und dann verschwunden.«
Sein Sergeant öffnete die Fahrertür. »Wenigstens müssen wir keinen Bericht über eine Festnahme schreiben.«
»Ja«, sagte Jonah und blickte zu dem roten Slogan an der Mauer.
Freiheit kennt weder Reichtum noch
Wahrscheinlich fehlte das Wort »Klasse«, und es war beinahe schade, den