Menschen und U-Boote. Manuel Schiffler

Menschen und U-Boote - Manuel Schiffler


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forderte, rief weltweit Empörung hervor.

      Vier Tage nach der Versenkung schrieb Wilson an die Deutschen, dass es keinen Frieden geben werde, solange Passagierschiffe versenkt würden. Außerdem verschärfte er seine Bedingungen. US-Präsident Wilson hatte im Januar 1918 in seinem 14-Punkte-Programm die Eckpunkte für eine Nachkriegsordnung umrissen. Darin war vom Selbstbestimmungsrecht der Völker und von Rüstungsbegrenzung die Rede. Diese Forderungen waren relativ mild, da nur von Rüstungsbegrenzung und nicht von weitgehender Entwaffnung, von Reparationen oder einer Stärkung des Parlaments die Rede war. Wilson forderte nun eine weitgehende Entwaffnung Deutschlands und eine parlamentarische Kontrolle von Politik und Militär. Diese Verschärfung nahmen die Generäle zum Anlass, nun öffentlich gegen die neue Regierung und die Annahme der Bedingungen von Wilson Position zu beziehen und zum Kampf bis zum Äußersten aufzurufen. Ein amerikanisches Ultimatum, den U-Boot-Krieg bis zum 20. Oktober einzustellen, ließ die deutsche Seite verstreichen. Wilhelm Solf, Außenminister der neuen Regierung, äußerte den Verdacht, dass es sich bei der Versenkung der „RMS Leinster“ um eine von der Marineführung beabsichtigte Provokation gehandelt habe. Inzwischen eskalierte der Konflikt zwischen Reichstag und Militärs weiter. Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert rechnete am 22. Oktober mit den „Katastrophenpolitikern“ ab, die Stimmung war aufgeheizt.

       Der Kieler Matrosenaufstand: Ohne Beteiligung der Besatzungen der U-Boote

      Am 24. Oktober gab dann die Seekriegsleitung der Flotte den Befehl, zur Entscheidungsschlacht gegen die Briten auszulaufen. Die Matrosen auf den Kriegsschiffen, die politisch gut informiert waren, sahen den in greifbarer Nähe befindlichen Frieden zu Recht in Gefahr und erkannten die Aussichtslosigkeit der Schlacht. Sie weigerten sich den Befehl auszuführen und rebellierten in der Nacht auf den 30. Oktober in Wilhelmshaven. Die Besatzungen der U-Boote schlossen sich dem Aufstand nicht an, sondern befolgten den Befehl, die Schiffe der aufständischen Matrosen mit der Versenkung zu bedrohen.43 Der Befehl zur Versenkung wurde nicht gegeben, und der Aufstand weitete sich auf Kiel aus. Max von Baden wollte den Kaiser zum Rücktritt zwingen, erlitt jedoch einen am 1. November einen Nervenzusammenbruch, weil Kaiserin Auguste Viktoria damit drohte, in diesem Fall seine Homosexualität publik zu machen. Nach außen hieß es, der Reichskanzler sei krank. Inzwischen ging die Novemberrevolution ihren Gang und die Monarchie brach am 9. November inmitten der laufenden Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen zusammen. Die Matrosen hatten den Generälen einen Strich durch die Rechnung gemacht.

      In einem Punkt waren die Generäle jedoch erfolgreich: Der neuen Regierung und den Matrosen konnten die Nationalkonservativen und später die Nationalsozialisten die Schuld für den Waffenstillstand vom 11. November, den angeblichen „Dolchstoß“ in den Rücken der unbesiegten Armee, geben. Es dauerte viele Jahrzehnte und einen weiteren verheerenden Weltkrieg, bis die Wahrheit ans Licht kam. Der Krieg war bereits im Sommer 1918 aussichtslos verloren. Die Verantwortung dafür trugen der Kaiser und seine Generäle. Die aufständischen, von den Nazis später diffamierten Matrosen waren keine Verräter gewesen. Sie waren Helden gewesen, die zu Recht einen selbstmörderischen Befehl verweigert hatten.

      Die Besatzungen der U-Boote, die sich dem Aufstand nicht angeschlossen hatten, blieben vom Ruch des Verrats in der in weiten Teilen sehr konservativen Gesellschaft Weimarer Republik ausgenommen. Weddigen wurde weiterhin als Held verehrt, was den Mythos der unbesiegbaren U-Bootwaffe nährte. Warum aber hatten sich die U-Boot-Besatzungen anders verhalten als die Matrosen auf den Kriegsschiffen? Die Tatsache, dass sie sich meist freiwillig gemeldet hatten und sich auch spät im Krieg daher noch mehr mit den Zielen des Kriegs identifizierten, mag dazu einen Beitrag geleistet habe. Die Tatsache, dass Offiziere und Mannschaften an Bord der engen U-Boote die gleichen schwierigen Lebensbedingungen teilten, hat sicher auch mit dazu beigetragen, dass die U-Boot-Besatzungen die Befehle ihrer Offiziere nicht verweigerten.

       Postskript: Seefriedhof vor Flandern

      2017 entdeckte der flämische Unterwasserarchäologe Tomas Termotte das Wrack eines U-Boots vor der Küste Flanderns. Das deutsche U-Boot vom Typ UB II aus dem Ersten Weltkrieg war, anders als andere Wracks, nahezu intakt und lag in nur 30 Meter Tiefe. Das Boot war mitsamt seiner Besatzung von 23 Mann vermutlich nach der Kollision mit einer Mine mit nur geringer Beschädigung auf den Meeresgrund gesunken. Weitere Untersuchungen durch Taucher förderten eine Plakette zutage, durch die das U-Boot eindeutig als UB 29 identifiziert werden konnte. In weniger als einem Jahr hatte es 32 Handelsschiffe versenkt, bevor es im Dezember 1916 unterging. Die Besatzung war erstickt. Das Wrack wurde nicht gehoben, sondern das Gebiet um das Boot wurde zum Seefriedhof erklärt. Das U-Boot wurde von der belgischen Regierung zum Kulturerbe erklärt.44 45

       Fazit

      U-Boote traten im Ersten Weltkrieg erstmals als wirksame Waffe in Erscheinung. Insgesamt versenkten deutsche U-Boote im Krieg 6.394 Frachtschiffe und 100 Kriegsschiffe. Die Besatzung der meisten versenkten Frachtschiffe überlebte, weil ihnen Gelegenheit gegeben wurde, vor der Versenkung in Rettungsboote zu steigen. Im Schnitt versenkte jedes deutsche U-Boot fast 20 Schiffe. Dies geschah aber unter hohen eigenen Verlusten. 200 der 329 deutschen U-Boote sanken oder gelten als verschollen. Für 5.249 der deutschen U-Bootmänner, fast die Hälfte der 12.500 Mann starken U-Boot-Waffe, bedeutete der Krieg den Tod. Deutsche U-Boote beeinflussten auf indirekte Weise zweimal das Kriegsgeschehen: Erstens durch die Versenkung der „Lusitania“, womit sie zum späteren Kriegseintritt der USA und damit zur deutschen Niederlage beitrugen. Und zweitens durch die Versenkung der „RMS Leinster“, wodurch der Friedensschluss verzögert, die Friedensbedingungen verschärft und das Ende des Kaiserreiches beschleunigt wurde. Die indirekten Auswirkungen dieser beiden Versenkungen hatten wahrscheinlich einen größeren und gegenteiligen Einfluss auf den Kriegsverlauf als die militärische Wirkung des Einsatzes deutscher U-Boote.

       Zwischen den Weltkriegen: Gescheiterte Abrüstung und kuriose U-Boot-Kreuzer

      Kaum war der Erste Weltkrieg vorbei, begann ein Wettrüsten der Siegermächte zur See. Die USA und Japan begannen mit massiven Programmen zum Bau von Schlachtschiffen, um Großbritannien als führende Seemacht abzulösen. Frankreich und Italien versuchten ebenfalls, ihre Flotten auszubauen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten und um die Vorherrschaft im Mittelmeer zu erlangen.

      In dieser Situation schlug US-Präsident Harding ein Abkommen der fünf großen Seemächte zur Begrenzung des Ausbaus ihrer Flotten vor. Dieser Vorschlag passte gut zur Stimmung nach dem blutigen Weltkrieg. Die britische Regierung war dazu nur allzu gerne bereit, weil das wirtschaftlich geschwächte Land sich ein Wettrüsten nicht leisten konnte. Sie hofften, mit dem Abkommen ihre Position als Seemacht auf Augenhöhe mit den USA halten zu können. Die Amerikaner hingegen waren vor allem daran interessiert, Japan als wirtschaftlich und militärisch aufstrebenden Konkurrenten im Pazifik im Zaum zu halten. Das Washingtoner Flottenabkommen von 1922 legte in diesem Sinn die maximale Tonnage und die maximale Zahl der Schlachtschiffe und Flugzeugträger fest. Beispielsweise dürften die USA und Großbritannien jeweils höchstens 15, Japan neun sowie Frankreich und Italien jeweils fünf Schlachtschiffe besitzen. Die Amerikaner und die Briten hatten damit ihr Ziel erreicht: Die japanische Flottenstärke war auf 60% ihrer jeweiligen Flottenstärke limitiert. Frankreich und Italien waren auf ein Drittel der Flottenstärke der beiden führenden Seemächte begrenzt. Deutschland, das an den Verhandlungen nicht beteiligt war, war der Bau von Großkampfschiffen und von U-Booten durch den Versailler Vertrag verboten worden.

      Bei den Verhandlungen in Washington hatten die Briten ein weltweites Verbot von U-Booten gefordert. Dies war Folge der traumatischen Erfahrungen mit der Versenkung britischer Fracht- und Passagierschiffe durch deutsche U-Boote im Frühjahr 1917, als England drohte, von der Versorgung zur See abgeschnitten zu werden. Außerdem sahen viele britische Offiziere und Politiker den Einsatz von U-Booten immer noch als „unenglisch“ und als Waffe der moralisch Schwächeren an.46 Lord Lee of Fareham, First Lord der Britischen Marine, bezeichnete U-Boote auf der Konferenz als „die Verneinung der Menschlichkeit, der Ritterlichkeit und der Zivilisation selbst“.47 Die britischen Delegationen bei zwei weiteren Flottenkonferenzen, den Londoner Konferenzen 1930 und 1935, brachten immer wieder ihre Argumente für ein Verbot von U-Booten vor und bezeichneten den Einsatz von U-Booten gegen Handelsschiffe


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