FREUNDE, DIE KEINE SIND. Suman Lederer

FREUNDE, DIE KEINE SIND - Suman Lederer


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und legte auf.

      Danach rief sie ihre Freunde an, alle nacheinander, Pardhan, Harsh, Prabhakar und Shehnaz, und noch Anant. Alle waren fassungslos. Alle hörten zu, äußerten fast die gleichen Worte der Fassungslosigkeit, fragten, wie es ihr ging und sagten, sie solle sich doch bitte melden, wenn sie etwas brauche.

      Anant und Suwarna hatten sich ein Jahr zuvor bei Bekannten kennengelernt. Seitdem hatten sie sich ab und zu getroffen, vielleicht war es so etwas wie eine Freundschaft. Er fragte sie noch, ob er vorbeikommen sollte, nein, nicht notwendig, alles noch in Ordnung. Er spürte die Wut in ihr und sagte, sie solle versuchen zu meditieren, das würde ihr helfen. Da kam die Wut hoch, die seit dem Überfall in irgendeiner undefinierten Form in ihr steckte, wie sollte Meditieren ihr helfen? Wenn die Polizei die Schläger fassen und sie ein paar Sachen zurückbekommen würde, würde ihr das helfen, nicht Meditieren. Na gut, dann halt nicht.

      Für Mittagessen hatten ihre Mitbewohnerinnen etwas gekocht, für sie, meinten sie. Halbherzig aß sie ihr Mittagessen. Sie wusste, was ihr bevorstand. Die Schwestern hatten schon ihren Koffer gepackt und verabschiedeten sich am Nachmittag:

      „Pass auf dich auf! Wenn was ist, ruf an! Deine Freunde sind eh in der Stadt, oder?“

       Na toll! Und jetzt?

      Sie saß eine Weile im Wohnzimmer, ins Nichts schauend, dann ging sie ins Schlafzimmer, legte sich hin und tat dasselbe, ins Nichts schauen, dann ging sie auf die Terrasse, es dämmerte bereits, sie hörte die Vögel zwitschern, was soll das alles bringen, diese angeblichen Glücksgeräusche, alles hat keine Bedeutung, alles ist gut für nichts!

      Allmählich wurde es dunkel, sie fing an, Geräusche zu hören, es wurde ihr seltsam zumute, als ob die Dunkelheit sie immer mehr einengte, es war kein schönes Gefühl. Sie ging hinein ins Wohnzimmer, machte die Tür hinter sich zu und prüfte mehrmals, ob sie richtig geschlossen war. Jede Minute kam ihr wie eine Stunde vor, immer wieder sah sie auf die Uhr, als ob es gleich Morgen werden würde, aber es wurde nicht Morgen, ganz im Gegenteil, es wurde draußen immer dunkler, immer ruhiger. Sie wusste nicht, wie sie es bis zum nächsten Morgen schaffen sollte.

      Sie dürfte doch irgendwann eingeschlafen sein, denn plötzlich wachte sie auf, hörte Geräusche aus der Küche, dann aus dem Badezimmer, dann aus dem Wohnzimmer, es war ihr alles zu viel. Sie ging ins Wohnzimmer und legte sich dort aufs Sofa. Die Geräusche waren noch da, sie schlief ein. Sie war wieder mittendrin, die zwei Schläger hielten sie fest, sie wachte wieder auf, hörte wieder die Geräusche, sie schwitzte, gleichzeitig war ihr auch kalt, sie hörte Geräusche draußen auf der Terrasse, dann wieder aus der Küche …

      Am nächsten Tag nach dem Mittagessen ging sie zu Pardhan hinüber. Er wohnte in der Nähe. Mit ihm konnte sie immer reden. Er hörte ihr immer zu, manchmal lachte er darüber, was sie erzählte, selbst wenn es nicht lustig war, vielleicht weil er bestimmte Dinge nicht so ernst fand wie sie. Aber da lachte er nicht, er schaute sie ernst an, und fragte, wie es ihr ging, nicht gut.

      „Bleib doch bei uns für das Abendessen“, sagte er, die ersten Sonnenstrahlen!

      Als die Abendessenszeit näherkam, wurde sie wieder unruhiger. Das Abendessen würde bedeuten, dass sie danach wieder in ihre WG zurückkehren und das Ganze aus der letzten Nacht nochmal durchmachen musste, das konnte sie nicht.

      „Pardhan, ich muss mit dir reden. Ich habe gestern die ganze Nacht nicht geschlafen, ich kann es nicht noch einmal durchmachen. Würde es dir was ausmachen mit mir mitzukommen, und in meiner WG zu schlafen?“

      „Warte, Suwarna, ich bin gleich wieder da“.

      Er kam nach ein paar Minuten in sein Zimmer zurück, in dem sie saß, in der Wohnung, die er mit sieben anderen Jungen teilte, und sagte zu ihr:

      „Was hältst du davon, wenn du ein bis zwei Tage hier bei uns bleibst? Wir sind insgesamt acht Jungs, hier kann dir nichts passieren, nicht mal ein Geist würde sich hier hineinverirren, denn diese anderen sieben sind erschreckender als alle Geister zusammen, die es geben könnte.“

      Es wurde heller und heller!

      „Ginge das?“, strahlte sie fast.

      „Ja, natürlich, sonst würde ich es nicht vorschlagen. Ich habe vorhin mit den Jungs gesprochen, und es war ihr Vorschlag. Du kennst sie ja alle bereits, also sollte es nicht wirklich ein Problem sein.“

      Es gab zwei Schlafzimmer, zum Schlafen teilen sich die acht Jungen normalerweise auf die zwei Schlafzimmer auf. Da Suwarna aber in einem schlafen sollte, verteilten sich alle anderen auf das andere Zimmer sowie auf das wirklich kleine Wohnzimmer. So gut hatte sie seit einer Ewigkeit nicht geschlafen. In der Nacht hätte sie kein Erdbeben wecken können. Am nächsten Morgen ging sie fast strahlend in ihre WG zurück. Der Tag verlief normal, nichts Außergewöhnliches. Am Abend ging sie wieder zu Pardhan in die WG. Vier Nächte schlief sie bei ihm und seinen hilfsbereiten WG-Kollegen. Sie redeten alle nett mit ihr, erzählten ihr Witze und Verliebtheitsgeschichten, wer in wen verknallt war, versuchten sie aufzuheitern und ihr zu helfen.

      Zu dem Zeitpunkt dachte sie, ich werde ihnen allen ewig dankbar sein. Zu dem Zeitpunkt wusste sie nicht, dass es wirklich so sein würde, dass sie zumindest Pardhan für seine Hilfe ewig dankbar sein würde! Ob er das wusste? Wahrscheinlich schon! Denn zumindest auf Suwarna machte er immer den Eindruck, dass er alles ahnte, alles wusste, nur nicht immer etwas dazu sagte.

      Wenn sie ihn etwas fragte, ganz egal was, hatte er immer eine vernünftige Antwort für sie parat. Manchmal sagte er aber auch:

      „Suwarna, was fragst du mich da? Woher soll ich das wissen?“, wenn sie ihn aus heiterem Himmel etwas fragte, was er wirklich nicht hätte wissen können.

      Pardhan war sehr ehrlich und direkt. Wenn er ahnte, dass seine direkte Antwort nicht gut ankommen würde, sagte er einfach nichts.

      Er besuchte sie später im Leben einmal in Karlsruhe, als sie noch in Deutschland war und er für einige Zeit in Frankreich arbeitete. Max und Suwarna besuchten ihn und seine Familie Jahre später in Bengaluru. In der Zwischenzeit versuchten beide, Pardhan und Suwarna, irgendwie in Kontakt zu bleiben, selbst wenn es nur ein loser Kontakt war.

      Jahre später belog er sie einmal, nur einmal im Leben, und das wegen des Netzwerks. Die Frauengruppe, mit „freundlicher“ Unterstützung aus Mexiko, Kanada und Russland, hatte es geschafft, sogar ihn umzustimmen, bei ihrem hinterhältigen Spiel gegen Suwarna mitzumachen, natürlich ohne dass er hätte vermuten können, dass es ein hinterhältiges Spiel war. Aber das kam vierundzwanzig Jahre später.

      Dann kam das Wochenende, sie ging zu ihrer Cousine nach Hause. Aber vorher, als Suwarna sie anrief, sagte sie noch zu ihrer Cousine:

      „Pass auf, wir brauchen nicht wirklich über das alles reden, lassen wir es im Moment, es würde Tante und Onkel nur stressen!“

      Am Sonntag kamen ihre Mitbewohnerinnen zurück und alles ging seinen gewohnten Gang weiter wie immer.

      In den Folgetagen und -wochen bekam Suwarna nur nebenbei mit, dass ihre Tante und ihr Onkel schon etwas vermutet hatten, als ihre Cousine ihnen eine Geschichte erzählte, die keinen Sinn ergab, wie Suwarna ihren Goldschmuck und ihr Geld verloren hatte. Daraufhin hatten sie ihre Mutter in Deutschland angerufen, obwohl so ein Auslandsanruf teuer war, aber es war eine dringende Sache, und sie wollten es mit ihr besprechen. Ihre Mutter hörte sich alles an, natürlich war sie besorgt, aber was konnte sie aus der Ferne auch tun! Sie erkundigte sich, wie es Suwarna gehe, eigentlich sei nichts weiter zu merken. Okay, sie würde sich Gedanken machen und danach mit Suwarna reden.

      Madita machte sich Gedanken, sie redete mit anderen Bekannten in Karlsruhe, danach war die Entscheidung getroffen und sie rief Suwarna an. Sie erzählte ihr nicht, dass ihre Tante sie angerufen hatte. Nach den üblichen Fragen über dies und das sagte ihre Mutter, dass sie ihre Schwester angerufen hatte; bei dem Gespräch hätte ihre Schwester dann etwas über Geld und Gold erwähnt. Suwarna wich dem Thema aus, sie wollte noch nicht darüber reden und alles noch einmal aufwühlen und durcherleben.

      „Möchtest du nach Deutschland kommen?“

      Die


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