Conclusio. Thorsten Klein

Conclusio - Thorsten Klein


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sich nicht daran.

      Sie verstand ihre Brüder nun viel besser. Diesen Menschen den richtigen Weg zu weisen, war ein Job, der schlauchte. Auch eine Göttin.

      Inzwischen diskutierten die Herren, was in Europa anders werden musste.

      Wissarew erklärte weiter: „Wir werden der Siegesgewissheit der Alliierten schon den richtigen Dämpfer versetzen. Die werden merken, was sie von ihrer Demokratie haben.“

      Damit war es eigentlich so wie immer. Und die meisten hatten inzwischen vergessen, dass sie sich bereits geeinigt hatten, wie es nach Wissarews Tod weitergehen sollte. Sie sahen ihn mit hündischer Ergebenheit an und lauschten seiner Weisheit.

      Der gestikulierte mit seiner Pfeife und gab Anweisungen: „Genosse Chruschtschow, Ihr Aufgabengebiet wird sich nun nicht mehr nur auf die Ukraine erstrecken, sondern erst hinter der Werra enden. An der deutsch-deutschen Grenze.“

      Chruschtschow stand auf und nickte ergeben.

      Wissarew sah es gnädig, tigerte weiter durch den Raum und erklärte, ab und zu an seiner Pfeife ziehend: „Vergessen Sie das Geschwafel von der deutschen Einheit. Ein geeintes Deutschland wird immer viel zu mächtig für uns sein. Wir wollen zwei deutsche Staaten. Mindestens. Der östliche davon gehört uns. Was die anderen mit ihren Besatzungszonen machen, ist Ihre Sache.“

      Wissarew blieb stehen und sah die Politbüromitglieder an: „Der französische Präsident hat mich unter dem Mantel tiefster Geheimhaltung gebeten, seinen Plan zu unterstützen. Er will aus jedem Besatzungsgebiet eine neue deutsche Republik machen. Alles andere macht den Franzosen Angst.“

      „Sie haben immer noch Angst vor den Deutschen?“, fragte Chruschtschow erstaunt.

      Wissarew nickte. „Fast so viel, wie vor dem Kommunismus. Wir werden ihnen zeigen, wie mächtig der Kommunismus ist. Sein Gespenst wird wieder umhergehen, in Europa.“

      Ort: Psyche, Washington, Weißes Haus

      „Das Gespenst des Kommunismus darf man nie unterschätzen, Mr. President“, bekräftigte der blasse Mann im Bett.

      „Die sind aber unsere Verbündeten“ warf der Angesprochene ein.

      „Unsinn. Der Krieg ist vorbei. Wir brauchen sie nicht mehr. Der nächste Krieg hat bereits begonnen und es kommt nun nur noch darauf an, wer dabei die bessere Ausgangsposition einnimmt, um nicht gleich zu Beginn abgehängt zu werden.“

      „Das hat nichts mit Sport zu tun.“

      „Deshalb können wir auch unfair sein, Mr. President. Der einzige Schiedsrichter ist der da oben und er mischt sich selten ein“, erklärte der Berater seinem Präsidenten.

      „Meinen Sie, er billigt, was wir tun?“, fragte der.

      „Trauen Sie mir einen direkten Draht dorthin zu?“, fragte sein Berater erstaunt.

      Der sah genau so erstaunt auf Harry Hopkins. „Unbedingt. Ich hatte noch nie einen Berater, der immer richtig lag. Kein Wunder, dass mein Vorgänger auf Sie nicht verzichten konnte und Sie mir wärmstens empfahl. Wie wollen wir vorgehen?“

      „Wir spielen unsere Stärken aus. Die Demokratie ist dem Kommunismus weit überlegen. Bei uns gibt es Freiheit und Gerechtigkeit. Gegen die Nazis mussten wir noch mit den Kommunisten gemeinsame Sache machen. Damit ist es endlich vorbei.“

      „Sie sprechen mir aus der Seele, Harry. Es hat mir nie gefallen, wie die alle aus ihren Winkeln krochen, und ich konnte nichts dagegen tun“, gab der US-Präsident zu.

      „Sie müssen sich da raushalten, Mr. President. Suchen Sie sich einen Bluthund. Einen Mann fürs Grobe. Einen richtig scharfen. Der die Kommunisten jagt. Weil er das will. Es gibt genug Senatoren und Abgeordnete beider Parteien, die das wollen, und die für Sie in die Schusslinie gehen können.“

      „Beider Parteien?“

      „Meinen Sie, die werden Ihnen eine vierte Amtszeit zugestehen? Niemals. Man arbeitet bereits an einem Verfassungszusatz, der einer Person nur eine zweimalige US-Präsidentschaft ermöglichen soll. Mehr wird es in Zukunft nicht geben.“

      „Ich weiß.“

      „Dann wissen Sie auch, dass man Eisenhower die Präsidentschaft angetragen hat?“

      „Die Wahlen sind erst in zwei Jahren, Harry.“

      „Politisch gesehen also morgen.“

      „Morgen interessiert mich Politik nicht mehr.“

      „Auch nicht, was aus der Politik wird, die Sie zu verantworten haben oder die Sie angeregt haben?“

      „Sie wissen, wie Sie bekommen, was Sie wollen. Also, was wollen Sie, Harry?“, fragte der US-Präsident.

      „Fördern Sie den jungen Fjölnir. Ich meine natürlich Paulos Pantonostis. Er ist nicht nur ein begabter Journalist.“

      „Ich wundere mich, dass seine Zeitung die Dinge veröffentlicht, die er schreibt“, musste der US-Präsident zugeben.

      „Warum nicht?“, wunderte sich Harry Hopkins. „Jedes Wort davon ist wahr.

      Der US-Präsident lachte. „Sie glauben an diesen Schwachsinn, Harry?“

      Der sah ihn aufmerksam an. Und erwiderte in einem Ernst, der den Präsidenten nachdenklich machte: „Ich weiß, dass jedes Wort davon wahr ist. Denn ich war dabei, als die Vereinigten Staaten vor tausend Jahren besiedelt wurden.“

      „Unsinn, Harry. So alt sind Sie nicht.“

      Nach einem heftigen Hustenanfall entgegnete der jedoch: „Ich bin viel älter, als Sie glauben. Aber es wird Zeit, dass ich abtrete. Der Mann, den Sie als Paulos Pantonostis kennen, ist mein Neffe und heißt Fjölnir. Reicht Ihnen das als Empfehlung?“, fragte Harry Hopkins.

      „Unbedingt. Soll ich ihn zu Ihrem Nachfolger machen?“

      „Das ist unmöglich. Er will es nicht. Fjölnir will nicht mehr sein, als ein Journalist. Sagen Sie den richtigen Leuten, wie sehr Sie ihn schätzen. Der Rest wird sich von selbst ergeben“ erklärte der Berater.

      „Einverstanden. Was noch?“, fragte der Präsident.

      „Ein Krieg geht zu Ende. Damit beginnt immer eine technologische Revolution. Diesmal wird sie gewaltig sein. Damit meine ich nicht die Waffen, die wir bauen werden, sondern die Dinge, die bei dieser Entwicklung quasi abfallen. Es wird eine vollkommen neue Welt auf Psyche entstehen. Sorgen wir dafür, dass es die richtige wird.“

      „Machen wir das nicht schon lange, Harry?“

      „Viel zu lange, Mr. President.“

      Ort: Psyche, Moskau

      „Wie lange wird Wissarew noch leben?“

      Gerrich lächelte. „Lassen Sie sich überraschen, Georgi Konstantinowitsch.“

      „Als Militär ist mir das egal. Aber Politiker, die sich überraschen lassen, leben nicht lange. Nicht in diesem Land.“

      „Und wenn Sie die richtigen Maßnahmen ergreifen? Mercheulow ergreift sie bereits. Er möchte einen einheitlichen Geheimdienst. Unter seiner Führung, versteht sich.“

      „Darauf kann er lange warten“, erwiderte Schukow verächtlich.

      „Er wartet nicht. Sobald Wissarew tot ist, wird er handeln. Vorbereitet ist schon alles. Schließlich stellen seine Leute die Bewachung des Kremls.“

      Schukow verstand. „Dann wird das so schnell wie möglich von meinen Leuten übernommen“, erklärte er.

      „Es muss aber geschehen, ohne dass nur ein einziger Schuss fällt“, verlangte Gerrich.

      „Selbstverständlich. Alles andere würde einen Bürgerkrieg auslösen. Den kann im Moment niemand gebrauchen.“

      „Das wird auch die anderen Politiker davon abhalten, dem Militär ins Handwerk zu pfuschen, wenn das Militär keinen Pfusch macht“,


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