Gestern war heute. Berth Mann
viele schöne neuen Häuser entstanden an allen Ecken des Oberdorfes, auf dem ehemaligen Besitz derer „von der Leyen“.
Das Eigentum an Grund und Boden besaß die adlige Familie schon viele Jahrzehnte nicht mehr, nur ehemals war es einmal so gewesen.
Heute gehörten die meisten Grundstücke der Kirche, einigen Bauern oder dem Bürgermeister und seinem Bruder, dem Hotelier und Gastwirt Werner. Der Werner war besonders geschickt beim Grundstückserwerb und bestimmt gehörte ihm bereits der halbe Ort und in der großen Stadt dann noch das ein oder andere Anwesen. Mitnehmen konnte er aber all das Schöne nicht. Er verstarb einige Jahre später noch vor seiner Zeit.
Damals war es für ihm leicht immer weiter neue Häuser zu bauen.
Mehrere Geschäftshäuser und ein neues Hotel baute er, der Werner war damals dabei schon sehr geschickt.
Die räumliche Ausdehnung des Dorfes ging ebenfalls oft nur nach seinen Interessen und sein Bürgermeisterbruder war sicher der beste Helfer dabei. Fast jedes Feld und Grundstück gehörte ihnen inzwischen und wenn am Ortsrand ein Gewerbegebiet entstand, gab es kein Wunder wenn man nach den Grundstücksbesitzern fragte.
Da kam immer wieder eine Menge Geld zusammen wenn die Grundstücke verkauft wurden, wieder eine ganze Menge. Aber der Teufel macht ja bekanntlich immer auf die größten Haufen!
Es lebte und wohnte sich ansonsten dennoch recht gut in dem kleinen Dorf.Alles war überschaubar und wenn man noch Mitglied in einem Verein wäre, dann konnte nichts mehr schiefgehen, meinte der Robert echt. Wie in jedem Dorf gab es auch hier mehrere Vereine.
Da gab es den „KA & KI“, die „Raubfischer“ und die „Möhnen“, den Faschingsverein der Dorffrauen und die Fußballer natürlich.
Mehrere Sportvereine gab es noch und so manchen Hausfrauen- und Skatklub, so wie es eben Tradition ist in den Dörfern.
Die meisten Anwohner waren schon über mehrere Generationen hier beheimatet und die Zugezogenen stellten nur eine Minderheit dar. Ansonsten gab es hier keine Minderheiten weiter. Nur wenige Türken, Russen oder andere ausländische Mitbürger durften hier wohnen.
Da passten die Dorfgewaltigen schon auf. Hier im Ort wollte man am besten keine Migranten oder was auch immer Fremdes haben.
Hier war Moselland und das war schon seit Urzeiten der Römer so!
Sollten die Ausländer doch hingehen wo sie wollten.
Hier sollten sie nicht sein, hier sollte nur Ruhe sein.
Das mit der Ruhe klappte dann auch die meiste Zeit im Jahr.
Nur in den Wochen im Herbst war es damit vorbei.
Dann strömten die Kegelklubs aus dem Ruhrpott in das kleine Dorf und ins Hotel vom Werner.
Das Wort Ruhe kannten sie nicht und so waren die feuchtfröhlichen Gruppen von Damen- und Herrenkeglern auf den Straßen und Plätzen lautstark unterwegs.
Das diese Herrschaften immer sehr fröhlich waren, es nahm ihnen keiner übel und die Lautstärke nahm man dann ebenfalls hin.
Schließlich brachten sie Geld in die Kassen der Geschäfte und der Wirtschaften, das war dann doch viel wichtiger.
Nur waren es eben wenige Wochen im Herbst und danach war wieder Ruhe im Ort, bis nächstes Jahr zum Wiedersehen.
Bei einigen Dorffesten kam zwar immer wieder einmal etwas Stimmung bei den Eingeborenen und ihren Besuchern auf, aber auch dabei handelte es sich nur um wenige Tage im Jahr.
Besonders natürlich zu Karneval und an den Tagen des Weinfestes war das dann genau so der Fall.
Wenn die Festzüge durch den Ort gingen und sich viele Menschen an den Weinbrunnen oder Ständen versammelten, dann war etwas los im kleinen Dorf, dann war die Stimmung wirklich gut.
Am Ende der Feste waren die meisten Menschlein immer recht weinselig und ihr Verhalten war stark von den Gaben des Gottes Bacchus geprägt. Aber dennoch blieben die meisten Teilnehmer friedlich und freuten sich an diesen Tagen einfach ihres Lebens und Daseins.
Das war dann die sogenannte „moselländische Gemütlichkeit“, die man ansonsten an anderen Tagen manchmal sehr vermissen musste.
Nach den Festen waren die Dorfleute schnell wieder für sich alleine oder in ihren Vereinen versammelt.
So ist es anscheinend immer und an vielen Orten ist es auch genau so.
So ist das Leben in einem kleinen Dorf eben.
Alles hat seine Zeit, warum sollte diese Wahrheit hier nicht stimmen?
Sie stimmte auch hier und es gab eben gute und schlechte Zeiten im Dorfleben.
Robert hatte sich mit den Gegebenheiten in all den Jahren inzwischen arrangiert.
Vieles war eben hier so wie immer und Tradition und Brauchtum ist ja eigentlich auch nicht´s Schlechtes.
Nur eben nicht so modern und zeitnah wie er es sich oft wünschte.
Das war aber auf dem Dorf nun einmal nicht zu ändern und von ihm schon gar nicht!
Am Anfang gab bei ihm auch ein Interesse in einen Verein einzutreten.
In keinem Verein zu sein war nicht förderlich für viele Dinge und er war ja auch ein Geschäftsmann der Kontakte dringend brauchte.
Da er von keiner Seite jemals dahingehend angesprochen wurde, bot er sich den Karnevalisten des „KA & KI“ Karnevalsvereins einmal als Moderator und DJ an.
Sie nahmen seine Offerte zwar zur Kenntnis, aber das war es dann auch schon.
Es kam keine weitere Reaktion von den einheimischen Herren des Elferrates und somit wurde aus der Karriere leider nichts.
Es sollte wohl nicht sein, dass ein „Ossi “ hier im Moselland den Ton angab? Das konnte nicht sein. Der Ostler kannten doch den Karneval sicher gar nicht.
Roberts Dialekt war auch nicht typisch für die Gegend hier und ansonsten konnten sie das sowieso besser, meinten sie jedenfalls später einmal hinter vorgehaltenen Hand.
Damit wurde Robert kein Vereinsmitglied, in diesem Verein nicht und auch nicht in einem anderen Klub. Na ja, wenn es so sein sollte?
Aber immerhin war er ein Bewohner des Ortes und hatte damit ebenfalls seine verbrieften Rechte als Bürger.
Zur Wahl zum ersten gemeinsamen deutschen Bundestag ist er damals noch mit großem Stolz in das Wahllokal im Rathaus gegangen.
Als Neubürger war er verständlicherweise dabei etwas unsicher.
Zu den Wahlen in seiner Ost-Heimat ist er in der Zeit wo er einen Ausreiseantrag gestellt hatte gar nicht mehr hingegangen.
Als Antragsteller einer Ausreise nach dem Westen war das nur konsequent und seine Stimme war sicherlich sowieso schon als „JA“ von der Krenz- Wahlkommission gezählt worden.
99,7% war damals eine übliche Erfolgszahl der Genossen Wahlbetrüger. Aber damals im Frühjahr 1989 gab es sehr viele „ Nein-Stimmen “ und trotzdem hatten die ewig lächelnden roten Wahlbetrüger das Ergebnis noch als überwältigendes Bekenntnis der Bevölkerung für ihre Einheitspartei gewertet und nach ihren Wünschen wieder zurecht gelogen.
Es war eine ihrer letzten Lügen, zum Glück!
Hier im Westen sollte das natürlich nicht so sein. Sollte es nicht?
Als Robert zu seiner Wahlkabine ging wurde er von einem der anwesenden Wahlhelfer darauf aufmerksam gemacht, dass er seine Kreuze gleich an die erste Stelle des Wahlzettels machen könne.
Was sollte er ? Er sollte was tun ? Da standen doch nur die Kandidaten der SPD oben drauf. Das war ein Ding!
Da wollte ihn wohl Einer für dumm verkaufen, so ein Idiot.
Jetzt konnte Robert doch endlich selbst bestimmen, selbst unabhängig abstimmen, nun das.
Ein