Leiser Schrei. Slafa Kafi

Leiser Schrei - Slafa Kafi


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‚Danke‘, aber ich glaube, das hat er nicht mehr gehört.

      Habe ich eigentlich erzählt, was Yail und ich gestern gemacht haben? Ich glaube, ich habe das komplett vergessen, aber den gestrigen Tag werden Yail und ich sicherlich nicht vergessen.

      Wir waren am Vormittag bei Abu Schakr, einem der bekanntesten Cafés in ganz Damaskus und haben uns Milchshakes gekauft und dann durften wir jeden Fleck von unserem Restaurant erkunden. Wir haben eine sehr interessante Tour bekommen. Zu unserem Glück war gestern auch ein Mann aus dem Gesundheitsamt dort und wir konnten mitverfolgen, wie so eine Hygieneüberprüfung, die wir aus dem Fernseher kennen, genau abläuft. Es war wirklich sehr interessant, das alles zu sehen.

      Wie abgemacht bin ich um circa halb eins wieder zu Hause. Der Tag war sehr cool, auch wenn ich nicht so viel Zeit hatte, aber wenigstens werde ich morgen keinen Muskelkater haben.

      Meine Eltern haben schon die nötigen Sachen gepackt und auch mein Koffer für die nächsten fünf Tage steht im Flur.

      „Eid Mubarak“, es ist Yail, der jetzt vor mir steht.

      „Danke, dir auch. Bist du schon lang hier?“, frage ich ihn.

      Er nickt und wir gehen gemeinsam ins Wohnzimmer, wo auch seine Eltern sitzen. Auf dem Tisch sind die verschiedenen Gebäcke, die meine Mama und ich gekauft haben.

      „Gut, jetzt haben wir auch Yasmin gesehen“, sagt Onkel Phillip. „Wir wollen euch nicht länger aufhalten, damit ihr nicht zu spät abfahrt“, ergänzt er.

      Ich stehe auf und hole die Schale mit den Süßigkeiten, wie man es eben macht. Nachdem sich jeder was genommen hat, verabschieden wir uns dann endgültig.

      So sehr ich mich auf die kommenden Tage freue, so sehr fällt mir der Abschied von Yail schwer. Ich hasse Abschiede. Habe ich das nicht schon Mal erwähnt?

      „Wir können losfahren“, ruft mein Vater, kurz nachdem Yails Familie weg ist. Wenig später haben wir es auch ins Auto geschafft.

      Mittlerweile haben wir die Hälfte der Strecke hinter uns und ganz langsam fängt es an zu dämmern. Ich habe die ganze Zeit über eigentlich nur gegessen und Musik gehört.

      Normalerweise unterhalten wir uns oder spielen irgendwas, aber meine Mutter war so müde, dass sie direkt eingeschlafen ist, und ich wollte meinen Vater nicht vom Fahren ablenken.

      In solchen Momenten sehne ich mich nach einer Schwester oder einem Bruder. Früher habe ich das auch laut zugegeben. Immer wenn mir langweilig wurde, habe ich über alles Mögliche gesprochen, was ich machen könnte, wenn ich Geschwister hätte.

      Der Grund, warum ich damit aufgehört habe, ist ein Gespräch mit meiner Stadt-Oma, bei dem sie mir erzählt hat, dass meine Eltern sich schon sehr lange ein zweites Kind wünschen, es aber nicht klappt.

      Und seitdem habe ich nie wieder gesagt, dass ich gerne Geschwister hätte. Ich habe Angst, meine Eltern zu verletzen oder sie wieder daran zu erinnern.

      „Yasmin?“, meine Mutter holt mich aus meinen Gedanken wieder zurück. „Hast du Hunger?“

      Ich brauche nicht zu antworten, denn als sie sich zu mir umdreht, erhält sie die Antwort auf ihre Frage. Sie schaut schockiert auf die leeren Tüten neben mir, dreht sich aber zum Glück lachend wieder um.

      Der Rest der Fahrt ist so wie sonst abgelaufen. Wir haben uns unterhalten und ein paar Spiele gespielt. Lange bis zum Ziel ist es nicht mehr.

      Zum zweiten Mal während der Fahrt klingelt das Handy meines Vaters und zum zweiten Mal ist es mein Opa, der wissen möchte, wie lange wir noch brauchen.

      „Noch ungefähr zehn Minuten. Sind alle anderen schon da?“, antwortet mein Vater.

      Kurz später legt er auf.

      „Alle sind da und warten hungrig auf uns“, sagt er.

      ,Alle‘ bedeutet meine Stadt-Großeltern, beide Tanten und beide Onkel.

      Als wir in die Einfahrt einbiegen, empfängt uns Bobby ganz begeistert. Wenig später stehen auch alle anderen vor der Tür und begrüßen uns.

      Nachdem alle sich begrüßt haben, geht es für uns zum Essen, wo es sehr viele verschiedene Gerichte gibt.

      Normalerweise kochen die Gastgeber alles, mittlerweile haben wir das Prinzip umgeändert, sodass niemand so viel Aufwand hat.

      Dadurch, dass jeder ein Gericht mitnimmt, haben wir dann sehr viele verschiedene und niemand hat, wie gesagt, einen großen Aufwand.

      Wie jedes Jahr verbringen wir sehr viel Zeit am Esstisch. Wir unterhalten uns über alles Mögliche. Heute war das Hauptthema die Kindheit meines Vaters, Onkels und meiner Tante hier im Dorf.

      Es war unglaublich amüsant zu wissen, dass sie in meinem Alter auch nicht die größten Engel waren.

      Sie haben angeblich täglich Klingelstreiche bei den Nachbarn gemacht und das so oft, dass sich jeden zweiten Tag die Nachbarn beschwert haben. Sie waren natürlich nur genervt und in Wirklichkeit gar nicht sauer.

      Ich liege jetzt übrigens im Bett und freue mich auf morgen, denn da werde ich mit meiner Oma das Mittagsessen machen. Sie hatte mir das an meinem Geburtstag versprochen.

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