Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift

Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten - Jonathan Swift


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die Eitelkeit unserer weiblichen Einwohner zu befriedigen, schickten wir den größten Teil unserer Erzeugnisse in andere Länder und erhielten dafür Materialien für Krankheiten, Laster und Torheit zum Verbrauche. Daraus ergebe sich als notwendige Folge, daß ein großer Teil unseres Volkes gezwungen werde, seinen Lebensunterhalt durch Betteln, Rauben, Stehlen, Betrügen, Kuppeln, Schmeicheln, Verführen, Falschschwören, Fälschen, Spielen, Lügen, Kriechen, Bramarbasieren, Skribeln, Prophezeien, Vergiften, Buhlen, Schwatzen, Klatschen, durch Freidenkerei und andere Beschäftigungen zu erlangen. Es war jedoch viele Mühe erforderlich, einen jeden dieser Ausdrücke meinem Herrn verständlich zu machen.

      Wein, fuhr ich fort, wurde aus fremden Ländern bei uns eingeführt, nicht um den Mangel an Wasser oder anderen Getränken zu ersetzen, sondern weil dieser aus einer Flüssigkeit besteht, die uns munter macht, indem sie uns den Verstand nimmt, alle melancholischen Gedanken zerstreut, wilde und ausschweifende Ideen im Hirn erzeugt, unsere Hoffnung erhöht und unsere Furcht bannt, jede Wirkung der Vernunft auf einige Zeit unterbricht und uns an dem Gebrauch unserer Glieder verhindert, bis wir in einen tiefen Schlummer fallen. Wir erwachen jedoch jedesmal krank und entmutigt, und der Gebrauch dieses Getränkes erweckt bei uns Krankheiten, die unser Leben unangenehm machen und verkürzen.

      Außerdem ernährt sich die Volksmasse durch das Mittel, daß sie die Bequemlichkeiten des Lebens den Reicheren liefert und sich gegenseitig damit versorgt. Zum Beispiel, wenn ich zu Hause bin und mich nach meinem Stande kleide, so trage ich an meinem Leibe die Arbeit von hundert Handwerkern. Der Bau und die Möblierung meines Hauses erfordern dieselbe Anzahl; die fünffache Zahl ist jedoch notwendig, um meine Frau zu schmücken.

      Dann erzählte ich von einer anderen Art Leute, die sich ihren Lebensunterhalt dadurch erwerben, daß sie sich mit den Kranken abgeben. Vorher hatte ich nämlich meinem Herrn schon gesagt, ein großer Teil meiner Matrosen sei an Krankheit gestorben. Hier konnte ich ihm jedoch nur mit größter Schwierigkeit meine Worte verständlich machen. Er hatte den Begriff, ein Hauyhnhnm könne wenige Tage vor seinem Tode alt und schwach werden oder durch irgendeinen Zufall sich ein Glied verletzen; er hielt es aber für unmöglich, daß die Natur, die doch bei allen Dingen Vollkommenes hervorbringt, es leiden sollte, daß Krankheiten sich in unseren Körpern erzeugen. Er wünschte deshalb die Ursache von diesem unnatürlichen Übel zu erfahren.

      Ich sagte ihm, wir nährten uns von tausend Dingen, die einander entgegenwirkten; wir äßen, ohne hungrig zu sein, und tränken, ohne Durst zu fühlen. Wir wachten oft in Nächten und genössen starke Getränke, ohne etwas zu essen; dies erwecke Trägheit, entzünde unsere Körper und beschleunige oder verhindere die Verdauung. Verdorbene weibliche Yähus bekämen eine gewisse Krankheit, die Fäulnis der Knochen bei denjenigen bewirke, die sich mit ihnen abgäben; diese Krankheit sowie manche andere gingen vom Vater auf den Sohn über.

      Somit kommen, fuhr ich fort, viele Yähus auf die Welt mit komplizierten Krankheiten; ich kann hier unmöglich den ganzen Katalog menschlicher Krankheiten anführen, denn diese bestehen aus fünf- bis sechshundert, die sich auf jedes Glied und Gelenk verteilen; kurz jeder innere und äußere Teil hat sein eigentümliches Übel. Um diesem abzuhelfen, wurde bei uns eine gewisse Menschenklasse, in dem Geschäft oder zu dem Vorwande, die Kranken zu heilen, aufgezogen.

      Weil ich in diesem Geschäfte einige Geschicklichkeit besitze, kann ich Euer Gnaden das ganze Geheimnis und die Methode darlegen, nach der die Leute zu verfahren pflegen.

      Ihr Hauptgrundsatz besteht darin, daß alle Krankheiten in Überfüllung bestehen. Daraus schließen sie, eine große Ausleerung des Körpers sei notwendig, entweder aus dem natürlichen Kanale oder aus dem Munde. Ihr zweites Geschäft besteht darin, daß sie aus Kräutern, Mineralien, Gummi, Ölen, Wurzeln, Salzen, Pflanzensäften, Seegräsern, Exkrementen, Baumrinden, Schlangen, Kröten, Fröschen, Spinnen, Fleisch und Knochen von toten Menschen, Vögeln, Tieren, Fischen eine Mischung bilden, die durch Geschmack und Geruch so abscheulich und ekelhaft wie möglich gemacht wird, so daß der Magen sie sogleich wieder auswirft. Dies heißt ein Brechmittel. Oder aber sie bilden aus Stoffen desselben Warenlagers, indem sie noch einige andere giftige Materialien hinzufügen, eine oben oder unten (wie der Arzt gerade gelaunt ist) einzunehmende Medizin, die gleicherweise den Eingeweiden ekelhaft und unerträglich ist. Diese erleichtert die Gedärme und treibt alles darin Befindliche hinaus. Dieses letztere Mittel heißt ein Klistier. Da die Natur, wie der Arzt behauptet, die obere Öffnung für Einführung fester und flüssiger Nahrung, die untere zum Ausscheiden bestimmt hat, so stellt die Kunst den genialen Grundsatz auf: Die Natur, die bei jeder Krankheit gestört sei, müsse dadurch wieder in ihre richtige Verfassung gebracht werden, daß man den Leib in einer durchaus entgegengesetzten Weise behandle, indem man die Funktionen einer jeden Öffnung austausche, feste und flüssige Substanzen hinten einführe und Ausleerungen durch den Mund bewirke.

      Außer wirklichen Krankheiten sind wir jedoch auch eingebildeten ausgesetzt, wofür die Ärzte besondere Kuren erfinden; diese Krankheiten haben ihre besonderen Namen und besonderen Mittel. Hieran aber leiden dauernd unsere weiblichen Yähus.

      Die größte Kunst des Ärztestandes besteht aber darin, eine Prognose zu stellen, und diese trifft auch fast immer ein. Die Vorhersage der Ärzte in wirklichen Krankheiten, die einen bösartigen Charakter zeigen, betrifft immer den Tod, der in ihrer Gewalt liegt, während sie über die Wiederherstellung nichts bestimmen können; bessert sich jedoch der Kranke auf unerwartete Weise, nachdem sie ihr Urteil gesprochen, so wissen sie, wie ihr Scharfsinn auf eine richtige Weise der Welt gezeigt werden muß, damit sie nicht als falsche Propheten dastehen.

      Sie sind auch Gatten und Gattinnen, die einander nicht leiden können, älteren Söhnen, Staatsministern und Fürsten bisweilen von größtem Nutzen gewesen.

      Früher hatte ich mit meinem Herrn über die Natur des Regierens im allgemeinen und besonders über unsere ausgezeichnete Konstitution gesprochen, die mit Recht das Erstaunen und den Neid der ganzen Welt errege. Da ich aber zufällig einen Staatsminister hier erwähnte, befahl er mir zu sagen, was für einen Yähu ich unter dieser Benennung verstehe.

      Ich sagte ihm, ein Premierminister, den ich zu beschreiben beabsichtige, sei ein Geschöpf ohne Freude und Kummer, ohne Liebe und Haß, ohne Mitleid und Zorn; er hege wenigstens keine anderen Leidenschaften als ein heftiges Verlangen nach Reichtum, Macht und Titeln; er gebrauche seine Rede zu allen Dingen, nur nicht um seine wirklichen Gedanken zu verkünden; er sage nie eine Wahrheit, als in der Absicht, daß man sie für eine Lüge halte, noch eine Lüge, damit man sie als wahr glaube; diejenigen, denen er in ihrer Abwesenheit die schlimmsten Dinge nachsage, könnten überzeugt sein, daß er sie befördern werde; andere, denen er in ihrer Gegenwart oder Abwesenheit Lobsprüche erteile, könnten sich als verlorene Leute betrachten. Das schlimmste Zeichen für irgendeine Hoffnung sei jedoch ein Versprechen, besonders wenn es mit einem Eide bekräftigt werde. Hierauf pflege sich jedermann zurückzuziehen und alle Hoffnung aufzugeben.

      Der Palast eines Premierministers gilt als Lehranstalt, um andere zu diesem Geschäfte aufzuziehen; Pagen, Lakaien und Portiers werden in verschiedenen Departements Staatsminister, indem sie ihren Herrn nachahmen, und erwerben sich eine große Vollkommenheit in den drei Haupteigenschaften: der Unverschämtheit, des Lügens und der Bestechung. Demgemäß wird auch ihnen von Personen des höchsten Ranges ein untergeordneter Hof gebildet; bisweilen gelingt es ihnen durch Geschick und Unverschämtheit, nach verschiedenen Stufenleitern die Nachfolger ihres Herrn zu werden.


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