Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift
Ich beschrieb, so gut wie möglich, unsere Art zu reiten, die Form und den Gebrauch des Zaumes, des Sattels, der Sporen, der Peitsche, des Geschirrs und der Räder. Ich fügte hinzu: Wir befestigten Platten von einer gewissen harten Substanz, die wir Eisen nennen, unten an die Hufe, um zu verhindern, daß diese auf steinigen Wegen zerbrechen, auf denen wir gewöhnlich reiten.
Nachdem mein Herr seinen Unwillen ausgedrückt hatte, sprach er sein Erstaunen darüber aus, wie wir uns auf den Rücken eines Hauyhnhnms wagen könnten, er sei überzeugt, der schwächste Diener seines Hauses sei imstande, den stärksten Yähu abzuwerfen, oder wenn er sich niederwerfe und auf dem Rücken rolle, dieses Tier zu Tode zu drücken. Ich erwiderte, unsere Pferde würden vom dritten und vierten Jahre an für den Zweck, den wir beabsichtigten, zugeritten; würden einige von ihnen als weniger gut erkannt, so gebrauche man sie zum Wagenziehen; für jede boshafte Laune würden sie in ihrer Jugend gehörig gepeitscht; die Hengste, die man zum gewöhnlichen Reiten oder Ziehen bestimme, würden gewöhnlich im zweiten Jahre nach ihrer Geburt verschnitten, um ihren Mut zu vermindern und um sie zahmer und sanfter zu machen; sie seien allerdings für Belohnungen und Strafen empfänglich, allein Seine Gnaden möge bedenken, daß sie nicht die geringste Spur von Vernunft besäßen, ebensowenig wie die Yähus in diesem Lande.
Ich benutzte viele Umschreibungen, um meinem Herrn eine richtige Idee von allem, was ich gesagt hatte, beizubringen; die Sprache der Hauyhnhnms ist nämlich nicht so reich an Worten, weil ihre Bedürfnisse und Leidenschaften bei weitem geringer sind als unsere. Es ist mir jedoch unmöglich, seinen edlen Unwillen über die harte Weise, womit wir die Hauyhnhnms behandeln, zu beschreiben; besonders, nachdem ich ihm die Art und Weise erklärte, wie wir die Pferde bei uns verschneiden, um zu verhindern, daß sie ihr Geschlecht fortpflanzen, und um ihren Mut zu brechen. Mein Herr sagte: Wenn es möglicherweise ein Land geben könne, wo nur Yähus Vernunft besäßen, so müßten sie notwendig die herrschende Tierrasse bilden. Vernunft werde mit der Zeit stets die brutale Gewalt besiegen. Wenn er jedoch die Form unserer Körper und vorzüglich die des meinigen betrachte, so müsse er auf die Vermutung geraten, kein Geschöpf von meinem Wuchse müsse für die Anwendung der Vernunft in den gewöhnlichen Geschäften des Lebens so schlecht geeignet sein. Er wünschte deshalb zu wissen, ob meine Landsleute mir oder den Yähus seines Vaterlandes glichen. Ich gab ihm die Versicherung, ich sei so gebaut wie die meisten meines Alters; die Frauen seien jedoch bei weitem zarter und sanfter und ihre Haut gewöhnlich so weiß wie Milch. Er erwiderte: Ich sei wirklich von anderen Yähus sehr verschieden, reinlicher und nicht so häßlich; hinsichtlich des Nutzens sei ich jedoch, wie er glaube, im Nachteil; meine Nägel könne ich weder an den Vorder- noch Hinterfüßen gebrauchen; meine Vorderfüße könne er nicht mit diesem Namen bezeichnen, denn er habe nie bemerkt, daß ich auf ihnen einhergehe; sie seien zu weich, um die Härte des Bodens zu ertragen; ich halte sie gewöhnlich nicht bedeckt; die Bedeckung jedoch, die ich dabei anwende, sei nicht von derselben Form und auch nicht so stark wie bei den Hinterfüßen; ich könne mit keiner Sicherheit gehen, denn sobald einer meiner Hinterfüße ausgleite, so müsse ich unfehlbar zu Boden fallen. Dann fand er auch an anderen Teilen meines Körpers manches auszusetzen; die Flachheit meines Gesichts, das Hervorragen meiner Nase, die Stellung meiner Augen vor der Stirn, so daß ich nicht nach beiden Seiten hin sehen könnte, ohne den Kopf umzuwenden; ich sei nicht imstande, mich zu ernähren, ohne meinen Vorderfuß zum Munde zu erheben, weshalb auch die Natur die Glieder so gestellt habe, daß sie dem Bedürfnis entsprächen. Er könne nicht begreifen, wozu die vielen Gelenke und Abteilungen an meinen Hinterfüßen dienten; die seien zu weich, um die Härte und Schärfe der Steine zu ertragen, wenn ich nicht die Haut von anderen Tieren zu Hilfe nehme; mein ganzer Leib bedürfe des Schutzes gegen Hitze und Kälte, den ich täglich mit einem lästigen Verfahren anziehen und ablegen müsse; zuletzt auch bemerkte er, jedes Tier in diesem Lande weiche den Yähus aus, die von Schwächeren vermieden, von den Stärkeren zurückgetrieben würden. Wenn er nun auch zugäbe, daß wir Vernunft besäßen, so könne er deshalb dennoch nicht begreifen, wie wir jene natürliche Abneigung überwänden, wie wir überhaupt jene anderen Tiere zähmten und uns dienstbar machten. Er wolle jedoch mit mir über diese Angelegenheit nicht streiten, sondern wünsche meine eigene Geschichte, das Land, wo ich geboren sei, und die verschiedenen Handlungen und Ereignisse meines Lebens, bevor ich hierhergekommen sei, kennenzulernen.
Ich gab ihm die Versicherung, daß ich ihn in jedem Punkte zufriedenstellen möchte. Ich bezweifle jedoch, daß es mir möglich sein werde, bei manchen Dingen mich deutlich genug auszudrücken, wovon Seine Gnaden keinen Begriff haben könne, weil ich nichts in diesem Lande sehe, womit ich diese zu vergleichen vermöge. Ich würde jedoch mein möglichstes tun und mich durch Gleichnisse verständlich zu machen suchen, und ich bäte Seine Gnaden demütig, sie möge mir behilflich sein, wenn ich der passenden Worte bedürfen sollte. Mein Herr hatte auch die Güte, mir dies zu versprechen.
Ich sagte, daß ich von ehrlichen Eltern auf einer Insel, mit Namen England, geboren sei; diese liege vom hiesigen Lande so viele Tagereisen entfernt, wie der stärkste Diener Seiner Gnaden in dem jährlichen Laufe der Sonne zurücklegen könne. Ich sei als Wundarzt erzogen worden, zu einem Stande, der Wunden und Verletzungen am Körper, die man durch Gewalttätigkeit oder Zufall erlange, wieder heile. Mein Vaterland werde von einem weiblichen Menschen, der Königin heiße, beherrscht; auf meiner letzten Reise sei ich der Befehlshaber eines Schiffes gewesen und habe fünfzig Yähus unter mir gehabt. Von diesen seien viele zur See gestorben, so daß ich diese durch andere aus verschiedenen Nationen hätte ersetzen müssen. Unser Schiff sei zweimal in Gefahr gewesen zu sinken, das erstemal durch einen heftigen Sturm, das zweitemal durch einen Stoß gegen Felsen. Hier unterbrach mich mein Herr mit der Frage, wie ich Fremde von verschiedenen Ländern nach so vielen Verlusten und Gefahren hätte überreden können, sich mit mir aufs Meer zu wagen. Ich sagte, es wären Leute in verzweifelten Umständen, die gezwungen gewesen seien, wegen Verbrechen oder Armut aus ihrem Vaterlande zu fliehen. Einige seien durch Prozesse zugrunde gerichtet worden, andere hätten all ihr Vermögen bei Trinken, Spielen und anderen Ausschweifungen verschwendet; andere seien wegen Hochverrats, andere wegen Mordes, Diebstahls, wegen Vergiftung, Raubs, Meineids, Fälschung, Falschmünzerei, Notzucht und wegen unnatürlicher Laster, wegen Desertion und wegen Überlaufens zum Feinde geflohen: Die meisten wären aus Gefängnissen ausgebrochen. Keiner wage in sein Vaterland zurückzukehren, aus Furcht, gehängt zu werden oder in einem Gefängnisse zu verhungern; deshalb seien sie gezwungen, sich ihren Lebensunterhalt an anderen Orten zu erwerben.
Während dieser Unterredung hatte mein Herr mehreremal die Güte, mich zu unterbrechen. Ich mußte häufig Umschreibungen gebrauchen, um ihm die Natur der verschiedenen Verbrechen darzustellen, wegen derer ein Teil meiner Schiffsmannschaft gezwungen war, aus dem Vaterlande zu fliehen. Diese Arbeit erforderte ein Gespräch von mehreren Tagen, bevor er mich verstehen konnte. Er war durchaus nicht imstande zu begreifen, wozu die Ausübung dieser Laster notwendig und nützlich sei. Um ihm dieses klarzumachen, suchte ich ihm einen Begriff von dem Wunsche, Reichtümer und Macht zu erwerben, beizubringen; ferner auch von den furchtbaren Folgen der Wollust, Unmäßigkeit, der Bosheit und des Neides. Alles dies mußte ich ihm durch Beispiele und durch erfundene Fälle erläutern. Hierauf glich er einem Menschen, der über etwas früher nie Gesehenes und Gehörtes von dem heftigsten Erstaunen ergriffen wird. Er erhob seine Augen mit Schrecken und Unwillen. Für Macht, Regierung, Krieg, Gesetz, Strafe und für tausend andere Dinge fand sich kein Ausdruck in seiner Sprache; dadurch wurde die Schwierigkeit, meinem Herrn einen allgemeinen Begriff von dem, was ich sagen wollte, zu geben, beinahe unüberwindlich. Da er jedoch einen ausgezeichneten und durch Überlegung sowie durch Gespräch gebildeten Verstand besaß, erwarb er sich zuletzt ein genügendes Urteil über alles, was die Menschennatur in unseren Weltteilen auszuführen imstande ist; er bat mich deshalb, ihm einen besonderen Bericht von dem Lande, das Europa heißt, besonders aber von meinem Vaterlande zu geben.
Fünftes Kapitel
Der Verfasser gibt seinem Herrn auf dessen Befehl einen Bericht über den Zustand von England. Die Ursachen der Kriege unter den europäischen Fürsten. Der Verfasser beginnt mit Darstellung der englischen Staatsverfassung.
Der Leser muß gütigst beachten, daß der folgende Auszug vieler Gespräche, die ich mit meinem Herrn führte, den Inbegriff der wesentlichsten Punkte enthält, die ungefähr zwei