TIERE FRESSEN MENSCHEN.. Roy Koepsell
ROY KOEPSELL
TIERE FRESSEN
MENSCHEN.
– WERDE MENSCH, GLAUBE AN DAS GUTE.
© 2020, Roy Koepsell
Alle Rechte vorbehalten.
Sämtliche Texte, Konzeption und Illustration: Roy Koepsell
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback: | 978-3-347-06478-2 |
Hardcover: | 978-3-347-06479-9 |
e-Book: | 978-3-347-06480-5 |
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
DIE PERSONEN.
Knut – der Protagonist.
Werner – sein Großvater väterlicherseits.
Ingrid – seine Großmutter väterlicherseits.
Thilo – Nachbarjunge von Knuts Großeltern.
Olaf – Knuts Vater; Sohn von Ingrid & Werner.
Karola – Knuts Mutter; Ehefrau von Olaf.
Karolas Eltern – bleiben namenlos.
Jens – Knuts Arbeitskollege.
Vincent – prägt ihn.
Anna V. – Knuts Therapeutin.
Gerd – Knuts ungeliebter Vorgesetzter.
Jochen – Knuts Verbündeter in der Fabrik.
Die Fähe – die Protagonistin.
ERSTER
TEIL
.
RASTLOSIGKEIT.
KAPITEL EINS.
Nichts ließ zu diesem Zeitpunkt darauf schließen, dass er sich auf der größten Reise seines Lebens befand. Das treibstoffhungrige Passagierfugzeug donnerte an Knut vorbei und hievte den aufgedruckten Kranich, der das vertikale Stabilisierungselement des Fliegers zierte, unter Volllast der Triebwerke gen Himmel. Er hatte sich auf einem grüngrasigen Hügel oberhalb der Startbahn niedergelassen, um den idealen Blick auf das Geschehen zu haben. Eine Gruppe Gänseblümchen beobachtete den Trubel mit ihm gemeinsam. Zu Knuts Verwunderung zogen sie ihre feinen weißen Blütenblätter in Windeseile zusammen, nachdem die geballte Wucht der Turbinen die Anhöhe des Hügels passierte. In einem, mit prächtigen Farbfotos ausstafferten Buch über Wildkräuter hatte er herausgefunden, dass Gänseblümchen heliotrop veranlagt sind und sich stets der Sonne zuwenden. Sie schließen ihre Blütenköpfe prinzipiell nur, wenn die Abenddämmerung einbricht oder sie von einem heftigen Regenschauer überrascht werden. Doch der hellste aller Sterne thronte inmitten seines Zenits und der sommerlich blaue Himmel untersagte jede noch so schüchtern inszenierte Wolkenaufführung.
Derweil versuchte Knut sich in die kleinen Korbblütler einzufühlen und sogleich zu ergründen, warum sie derart impulsiv auf die Kraft der Flugzeugturbinen reagierten. Im Schneidersitz hockend, legte er seine rechte Hand fach auf den Boden und lauschte simultan tief ins sich hinein.
Fast wirkte es so, als könne er den Herzschlag des Untergrundes spüren, als ein weiterer Flieger mit großem Getöse startete und auf Hügelhöhe den Kontakt zu der feinporig asphaltierten Oberfäche verlor. Die Gänseblümchen reagierten erneut geistesgegenwärtig und schotteten sich von ihrer Außenwelt ab. Knut fühlte sich verbunden. Wie und mit wem wusste er nicht – einleuchtend war ihm lediglich, dass es der Fall sein musste.
Als er am Abend in seiner überschaubaren Einzimmerwohnung eintraf, war es – wie häufg in den Sommermonaten – sehr stickig und schwül und die schwere Luft verharrte inmitten der Gemäuer. Den kombinierten Wohn- und Schlafraum füllten einige schlichte Kiefernholzmöbel. Ein dunkelgrünes Schlafsofa, welches bündig zur Wand aufgestellt war, diente ihm als weiche Ruhestätte. Knut klappte die Couch gewöhnlich allmorgendlich ein, um für konstante und geordnete Strukturen zu sorgen. Und für den Fall, dass sich unerwartet Besuch ankündigte. Doch infolge seiner Verwirrung zu Tagesanbruch verkürzte sich das offene Zeitfenster, welches ihm ermöglichte, sich an seine selbst verordnete Routine zu halten. Mit der Absicht, den sonntäglichen Flohmarkt vor dem Ansturm der Menschenmassen zu erreichen, hatte er seine Wohnung an jenem Morgen um Punkt fünf verlassen. Dadurch ergab sich für ihn die Möglichkeit, die vielfältigen Stände mit meditativer Ruhe nach seltenen Kostbarkeiten zu durchstöbern.
In seinen Gedanken versunken, faltete er die wertvolle Vierjahreszeitendecke akribisch zusammen, die in wilder Formgebung auf seinem Schlafplatz vegetierte. Die graugrüne Bettwäsche wurde aus einhundertprozentigem Polyester gefertigt und hatte die Maße von 135 mal 200 Zentimetern. Auf den Inhalt seines Bettzeuges legte Knut besonderen Wert, als er die Decke vor rund vierzehn Jahren kaufte. Nachdem er sich detailliert und weitschweifg mit der Materie auseinandergesetzt und den Kauf über sieben Monate hinausgezögert hatte, entschied er sich für eine Füllung mit wilden, isländischen Eiderdaunen. Ihn interessierte das Gefeder dieser Enten, welches jedem arktischen Sturm und Starkregen trotzt und den Leib des Tieres auf perfekte Weise isoliert. Bezogen auf seinen erholsamen Schlaf begeisterte ihn weitreichender die Tatsache, dass sich die feinen Daunen in den Wintermonaten aufplusterten und ihre wohlige Wärme direkt an Knuts Körper weiterleiteten. Doch sobald der Sommer seine hitzigen Winde über das Land stülpte, verringerte sich ihr Volumen und die kleinen Ärmchen des Flaums fachten sich automatisch ab. Die Natur agiert unentwegt im Nanobereich – unabhängig von unserem Tun und Treiben.
Nachdem sich Knut eine Dose Ravioli mit Fleischbällchen aufgewärmt und sein Abendessen innerhalb weniger Minuten verspeist hatte, blätterte er durch einen Bildband. Dieser setzte sich mit den Werken der Post-Impressionisten auseinander und beleuchtete das kreative Schaffen und Wirken der Künstler. Knut hatte den Einband im frühen Morgengrauen auf dem Flohmarkt erstanden und wirkte überrascht von der niedrigen Preisvorstellung des Verkäufers. Ohne langes Feilschen erwarb er das Buch. Auf Seite sechsundachtzig fand sich ein Abbild von Vincent van Goghs Sternennacht, dessen Farbverläufe Knut minutiös mit denen auf seinem Kunstdruck abglich, welcher oberhalb seines einfachen Schreibtisches verweilte. Durch sein feinfühliges Gespür war er in der Lage, selbst minimalste Unterschiede zwischen der bedruckten Buchseite und der physischen Reproduktion ausfndig zu machen. Beispielsweise bemerkte er, dass die Lichtquellen in den Stadthäusern auf seinem Kunstdruck von einem intensiveren Gelb ausgefüllt waren, als dies in dem Bildband der Fall war.
Nach einigen Minuten der inneren Einkehr legte er seinen Flohmarktfund beiseite und versuchte zu schlafen. Am morgigen Montag galt es vier Uhr aufzustehen, um pünktlich zum Glockenschlag der Sechs-Uhr-Position auf Arbeit zu erscheinen. Ihm blieben noch fünf Stunden und vierzehn Minuten Zeit, bis der Wecker klingeln würde. Als er endlich einschlief, war es 01.37 Uhr. Zeit ist vergänglich, dachte er sich im Halbschlaf.
Morgens um halb vier wachte Knut plötzlich auf. Übermannt von einer Welle drängender Leere, wohnte ihm nicht die minimalste Ahnung inne, aus welcher Gefühlswelt dieses übergriffge Nichts gespeist wurde. Um sich zu vergewissern, dass er wirklich wach war, zitierte er in gemäßigter Lautstärke aus einem seiner selbstgedichteten Verse und nahm die Sequenz mit seinem Handy auf. Und tatsächlich, sein Wortlaut befand sich anschließend abgespeichert auf dem Smartphone. Knut wusste, welch realistische Träume er von Zeit zu Zeit hatte. Danach war er nie sicher, ob das Erwachen ebenfalls nur in seiner Einbildung stattfand. Die Methode, sich selbst aufzunehmen, half ihm seit etwa sieben Monaten dabei, nach jeder nächtlichen Illusion wieder in der Realität anzukommen. Ob das Träumen