Trojanische Hühner. Ado Graessmann

Trojanische Hühner - Ado Graessmann


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um das Fahrzeug herum, ich konnte es an seiner Haltung und seiner Gestik erkennen, dass er nicht glauben konnte, was er da sah. Hätte er die Motorhaube berührt, so wäre ihm aufgefallen, dass der Motor noch etwas warm war, er tat es aber nicht. Nach einer Weile stieg er in das Fahrerhaus und kurz danach hörte ich wie der Motor aufheulte, er hatte zu viel Gas gegeben. Sicherlich war er kein geübter Fahrer, einmal hatte er den Motor sogar noch abgewürgt, der Laster machte einen kleinen Sprung nach vorne und blieb dann stehen, aber schließlich gelang es ihm rückwärts auf die Straße zu fahren, ohne im Straßengraben zu landen. Von meinem Versteck aus sah ich, wie er langsam die steile Straße nach oben fuhr, als er hinter einer Kurve verschwand, hörte ich nur noch für einige Minuten das Knattern des Motors, dann trat wieder Stille ein. Nach Sonnenuntergang, die Dämmerung setzte schon früh ein, machte ich mich auf den Weg, nutzte jede mögliche Deckung aus, alles war einfacher als ich erwartet hatte, nach zwei Stunden hatte ich den Steilhang erreicht, unter mir lag das Tal, mit einem Gehöft und dort stand auch der Lastwagen, der nun wohl einen neuen Besitzer gefunden hatte. Die Bergspitzen leuchteten noch hell auf, obwohl die Sonne schon seit einiger Zeit hinter den Bergen verschwunden war. Vom Tal zog die Dunkelheit bis zu mir nach oben. Da ich ab jetzt das Gelände vor mir nicht mehr richtig erkennen konnte, richtete ich mich für die Nacht ein, ich fand zwischen zwei Felsen eine gesicherte Liegemöglichkeit, dort wuchs grünes Moos und daneben hatten sich braune Blätter angesammelt, obwohl keine Bäume in unmittelbarer Umgebung standen, der Wind hatte sie wohl hier zusammen gefegt, über mir nur Sterne und himmlischer Frieden, ich zog den Reisverschluss meiner Windjacke nach oben, streifte die Kapuze über meinen Kopf, das Moos hatte die Sonnenwärme des Tages gespeichert und sie an meinen Rücken abgegeben, kurz danach schlief ich ein. In der Nacht wurde es kalt und feucht, das Moos wirkte wie ein Schwamm, saugte das Wasser auf und gab einen Anteil davon wieder an mich ab. Ich merkte auch, wie mir einige Tropfen von der Stirn über meine Nasenspitze in den Hals liefen, mein Oberkörper war durch die Windjacke geschützt und blieb trocken, aber meine Hose klebte feucht an meinen Beinen und ich begann zu frieren. Ich dachte an Terri, wenn es uns nachts zu kalt wurde, dann rückten wir näher zusammen und wärmten uns gegenseitig, zwischen ihr und mir lagen aber leider mehr zehntausend Kilometer, so musste ich mir irgendwie anderes helfen. Mit der linken Hand schaufelte ich einiges Laub über meine Hosenbeine um damit etwas von der Kälte abzuhalten. Noch bevor die Sonne aufging bemerkte ich, dass sich im Laub noch andere Bewohner angesiedelt hatten, es waren Ameisen, die an meinen Beinen nach Wärme suchten, die meisten konnte ich wieder abschütteln und als die Sonne langsam aufging zog ich Hose und Strümpfe aus und legte alles flach auf den großen Felsen zum Trocknen aus. Noch herrschte Stille über dem ganzen Tal, das immer noch im Dunklen unter mir lag, das Wohnhaus und die Tierställe waren schon schattenhaft zu erkennen, auch die Gestalt, die plötzlich aus der Tür trat, war nur als Umriss zu erkennen, es war wohl der junge Mann vom gestrigen Abend, der neue Lastwagenbesitzer. Obwohl der Abstand bis zum Haus ziemlich groß war, konnte ich deutlich das Knarren der Tür bis nach oben hören, es war fast so, als stände ich daneben, es war echohaft und hallte wieder. Wenn ich selbst leise Geräusche von unten bis hier nach oben hören konnte, dann galt dies wohl auch für die umgekehrte Richtung, ich musste also vorsichtig sein, selbst ein losgetretener Stein könnte mich verraten. Der Schatten ging zu den Ställen, die Türen von den Stallungen wurden geöffnet, dann wurde es laut, zahllose Hühner stürzten laut gackernd ins Freie und verteilten sich schnell auf den umliegenden Wiesen um dort nach Futter zu suchen. Die ersten Sonnenstrahlen kamen über die Bergspitzen und trafen mein Gesicht und mit ihnen eine wohltuende Wärme. Nach Sonnenaufgang dauerte es noch eine Stunde bis ich meine fast trockenen Sachen wieder anziehen konnte, ich hatte ja keine Eile. Auch die Hühner waren wieder ruhiger geworden, nur noch ein dumpfes Rauschen war zu hören, es schien von weither zu kommen, es kam wohl aus dem Tal, war bis oben zu mir zu hören. Bevor ich mich auf den Weg machte, spritze ich mir aus meiner Feldflasche etwas Wasser ins Gesicht, füllte meinen Mund mit Wasser und versuchte mit meinem rechten Zeigefinger die Zähne etwas zu putzen, Zahnbürste hatte ich keine dabei, auch auf den Kaffee musste ich wieder einmal verzichten. Bei dem Krämer im Tal hatte ich mir einige Dosen mit gekochten Bohnen gekauft, eine davon war noch übrig geblieben, ich öffnete sie, mehr hatte ich nicht zum Frühstück. Ich hatte keinen Löffel, also fischte ich sie einzeln mit dem Messer heraus, kalt waren sie nicht gerade meine Lieblingsspeise, aber besser als nichts. Nach dem Essen entfernte ich etwas Moos, grub ein Loch mit dem Messer, versenkte die leere Dose darin und bedeckte die Öffnung wieder mit Erde und dem Moos, dann sah es wieder so aus wie vorher.

      Der Weg bis zur Anhöhe wurde immer steiler und felsiger, war aber im Großen und Ganzen keine besondere Herausforderung für mich, ich genoss sogar die Aussicht, setzte nach jeder Stunde eine Pause ein und ließ den Blick über das Tal schweifen und sah die Welt, so wie sich entwickelt hatte, die nicht erschaffen wurde. Die Gefahr, dass man mich noch hören konnte war vorüber, die Geräusche des beginnenden Tages verschluckten meine Schritte. In meinem Gehirn wurde das was ich sah, wie in einer Fotografie abgespeichert, ich war mir sicher, noch nach Jahren alles genau abrufen zu können.

      Als ich das gegenüberliegende Tal erreicht hatte, war ich in einem anderen Land, Vorsicht war keine mehr geboten. Ich folgte dem Kompass Richtung Osten, nach zwei Stunden Fußweg stieß ich auf eine mäßig befahrene Landstraße, ich nahm einen zwanzig Dollarschein aus meiner Tasche und winkte damit den entgegen kommenden Lastwagen zu. Schon der zweite hielt an, es war ein ähnlicher Pritschenwagen wie der, den ich für meine bisherige Flucht verwendet hatte. Die Fahrt verlief schweigend, beide, der Fahrer und ich hatten kein Bedürfnis viel zu reden, nur das Notwendigste. In der Stadt rief ich die dortige Botschaft an, nannte meinen richtigen Namen und bat um Unterstützung. Viel musste ich nicht erklären, offensichtlich war der Botschafter von meinem Vorhaben unterrichtet worden. Er nannte mir die Adresse und ich nahm mir ein Taxi bis zur Botschaft, nach vier Nächten im Freien konnte ich wieder einmal in einem richtigen Bett schlafen, zuvor konnte ich mich ausreichend duschen, und meine verschmutzten Klamotten wurden durch neue ersetzt. Ich bekam wieder einen roten Diplomaten Pass mit meinen richtigen Namen, Geld hatte ich noch ausreichend. Drei Tage später stieg ich, nach verschiedenen Zwischenlandungen, am Logan Airport in Boston aus dem Flugzeug aus, kaufte eine Flasche Champagner und einen lebenden Hummer auf dem Weg zum Ausgang, die kann man dort bei Tag und bei Nacht kaufen, für fünf Dollar das Pfund. Vor dem Flughafen Ausgang nahm ich das erstbeste Taxi. Als ich die Tür zu meinen Apartment öffnete stand Terri spärlich bekleidet, mit ausgestreckten Armen, vor meiner Zimmertür, wie sie von meiner genauen Ankunft erfahren hatte, wusste ich nicht, ich habe sie auch niemals danach gefragt, es wurde die Nacht der Nächte nach all den Entbehrungen der letzten Wochen. Eine ganze Woche hatten wir die Wohnung nicht verlassen und uns meistens im Bett aufgehalten. Der Pizzaladen und der Vietnamese an der nächsten Ecke sorgten dafür, dass wir nicht verhungerten, danach flog ich für eine Woche zur Erholung zu meinen Eltern nach Kalifornien. Schon wenige Tage nach der Besetzung der Botschaft trat die Regierung in Geheimverhandlungen ein, nicht direkt, sondern über die Botschaften befreundeter Staaten. Die wesentliche Forderung nach Auslieferung des Herrschers war durch dessen Tod hinfällig geworden. Es wurden Zusagen gemacht und fast wie immer, schloss es auch diesmal wieder heimliche Waffenlieferungen ein, über dunkle Kanäle. Nach 444 Tagen, am Tag der Einführung des neuen Präsidenten wurde die Besatzung beendet und alle Geiseln wurden am 20. Januar ausgeflogen. Zuvor waren einige Befreiungsversuche durch das Militär kläglich gescheitert, besonders die Operation Adlerkralle, zum Gespött der ganzen Welt. Das Trauma blieb haften, sie hatten nicht nur ihre Geiseln, sie hatten unsere ganze Nation gedemütigt, es wurde zu einer nationalen Schande, die nach Rache schrie, nicht nur an den Rädelsführer.

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