Es werde dunkel - Ein Spaziergang durch die Geschichte der Filmbearbeitung. Günter Sack

Es werde dunkel - Ein Spaziergang durch die Geschichte der Filmbearbeitung - Günter Sack


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Kalenderspruch

      „Um ein Filmbild über eine große Entfernung zu projizieren, benötigte man zunächst eine kräftige Lichtquelle. Die derzeit übliche Glühbirne war dafür zu schwach und wurde meist nur für Wanderkinos in Kofferprojektoren eingesetzt. In den ersten leistungsfähigen Filmprojektoren wurden deshalb sogenannte Kohlebogenlampen eingebaut. Diese beruhten auf dem Effekt eines Lichtbogens, der entsteht, wenn man zwei unter Gleichspannung und hoher Stromstärke stehende Kohlestäbe kurzschließt und sofort auseinanderzieht. Der dickere der beiden Stäbe, der Pluspol, war im Projektor nach hinten auf einen großen Hohlspiegel gerichtet, der wiederum den hell leuchtenden Krater des Stabes nach vorn, durch einen sogenannten Wabenkondensor, auf das Bildfenster lenkte. Man verwendete in kleinen Kinos die leicht gelblich leuchtende Reinkohle und in großen Sälen die kupferummantelte, weiß leuchtende Beckkohle. Ihre Lichtleistung war so enorm, dass selbst große Autokinos, wie sie schon bald in Amerika üblich wurden, damit ausgeleuchtet werden konnten.“

      „Brannten die Kohlestäbe nicht im Laufe der Zeit ab und war das nicht enorm heiß?“, fragte mein Freund Kalli.

      „Diese Probleme löste man im ersten Fall durch einen Nachschubmotor und im zweiten Fall durch eine Wasserkühlung am Bildfenster, denn die Wärmeentwicklung war wirklich enorm, zumal das damals übliche Filmmaterial auf Basis Nitrocellulose leicht entzündlich war“, erklärte ich.

      „Die Kohlenachschubmotoren waren leider oft nicht sehr präzise und wenn der Filmvorführer nicht aufpasste, riss der Lichtbogen ab und die Zuschauer saßen im Dunkeln. Zur Überwachung des Lichtbogens wurde das Bild des Kraters ausgespiegelt und auf eine Markierung an der Kabinenwand projiziert. Man hatte so einen Anhaltspunkt für die Lampenhelligkeit und den Elektrodenabstand.

      Alexander Ernemann war Maschineningenieur und konstruierte in der Firma seines Vaters Heinrich in Dresden 1909 den ersten alltagstauglichen, aus Stahl und Eisen konstruierten Projektor Imperator. Alexanders Vater, der ursprünglich Kurzwarenhändler war, erkannte schon 1889 die Zeichen der Zeit und beteiligte sich an einer Kameratischlerei für die aufkommende Fotografie. 1898 betrieb er bereits eine Fabrik mit eigener optischer Werkstatt. Er erkannte rechtzeitig die Bedeutung der aufkommenden Kinematographie und baute bereits 1903 seine erste Filmkamera Kino 1. Da das Filmmaterial noch nicht genormt war, benutzte er 17,5 mm breiten Film mit Mittelperforation auf dem Bildstrich. Als Sohn Alexander, nach Studium und mehrjährigem USA-Aufenthalt die kinotechnische Abteilung der väterlichen Firma übernahm, erkannte er sofort die zukünftige Bedeutung stabiler Metallkonstruktionen. Auf Grund der robusten Bauweise seines Imperators nannte man von nun an diese Projektoren Kino-Maschinen. Im Jahr zuvor brachten Heinrich und Alexander ihre erste 35-mm-Kamera Ernemann Modell A auf den Markt. 1923, nach vielen Weiterentwicklungen im Kamera- und Projektorbau, beschäftigte ihre Firma bereits 3500 Mitarbeiter. 1926 ging die Firma in der Zeiss Ikon AG auf, in der Alexander einer der Direktoren wurde. Die 1934 auf den Markt gekommene Ernemann VII, und als Tonfilm-Kinomaschine in der Variante VIIb bis 1951 gebaut, war wegen ihrer Zuverlässigkeit und Ästhetik sehr beliebt und wurde lange Zeit in Kinos und Filmbetrieben verwendet. In meiner ersten Firma waren 17 dieser Projektoren im Einsatz, bis man später einige durch moderne Prüftische der italienischen Firma Prevost ersetzte. Unsere älteren Mitarbeiter in den Vorführungen waren meist vor dem Krieg schon Filmvorführer im Kino und haben an diesen Maschinen noch gearbeitet.“

      „Wie genau entsteht denn nun eigentlich das bewegte Bild auf der Leinwand?“, wollte mein Freund wissen. „Weißt du“, sagte ich, „es kam zunächst darauf an, die Filmrolle auf ihrem Weg durch die Maschine schonend von der oberen Abwickeltrommel in die untere Aufwickeltrommel zu befördern, sie dabei auf halbem Wege am Bildfenster in eine intermittierende Bewegung zu überführen, um sie gleich darauf an der Stelle der Tonabtastung wieder im Gleichlauf zu beruhigen. Die schrittweise Bewegung des Filmes am Bildfenster wurde durch ein sogenanntes Schaltwerk ermöglicht. Bekannte Formen sind zum Beispiel das Greifer Schaltwerk und das Malteserkreuzgetriebe. Letzteres ist robust, filmschonend und wurde wegen seiner Wartungsarmut hauptsächlich in 35-mm-Projektoren eingebaut. Die erwähnte E VII b zum Beispiel hatte einen geschlossenen Getriebeblock, in dem eine Ölpumpe das Schmieröl im Kreislauf auf alle drehenden Wellen beförderte, wobei es ständig gefiltert wurde. Nach ca. 300 Betriebsstunden machte man dann einen kompletten Ölwechsel.

      Da der 35-mm-Film mit 4 Löchern pro Bild perforiert ist, bekam die unterhalb des Bildfensters angebrachte Zahnrolle 16 Zähne. Angetrieben vom Malteserkreuz, schaltete sie den Film jeweils mit einer Viertelumdrehung um ein Bild weiter. Man nannte diese Zahnrolle auch Schaltrolle. Da der Zuschauer auf der Leinwand nur das jeweils stehende Filmbild sehen sollte, musste man die Transportphase von einem zum nächsten Bild abdecken. Dies erreichte man mit einem rotierenden Flügel-Verschluss, auch Umlaufblende genannt, beim Imperator noch vor dem Objektiv, später dann, in Form einer Trommel- oder Kegelblende, eingebaut zwischen Lampenhaus und Bildfenster. Dieser Verschluss hatte neben der Abdeckung des Filmtransports noch eine zweite Aufgabe. Du erinnerst dich an die Flimmerfrequenzgrenze? Man sorgte dafür, dass die Umlaufblende das stehende Bild noch einmal zusätzlich abdeckte, wodurch sich eine Verdoppelung der Hell- /Dunkelphasen, also eine Frequenz von 48 Lichtwechseln ergab.“ „Soweit komme ich mit, Thomas“, sagte Kalli. „Aber du sprachst von der Tonabtastung, war das eine Magnettonspur auf dem Film?“

      „Die Magnettonspur gab es ab den 1950er Jahren, beim 35-mm-Film nur eine kurze Zwischenzeit“, sagte ich. „Obwohl damals die Qualität des Magnettons deutlich besser als die des Lichttons war, sprach vieles dagegen. Unabhängig davon, dass die Projektoren mit Magnettonteilen nachgerüstet werden mussten, die, zwischen oberer Filmtrommel und Laufwerk eingebaut, die Höhe der Maschine veränderten, was für kleine Vorführer problematisch war, waren die Filmrollen anfällig gegen unbeabsichtigtes Löschen durch Magnetfelder. Für das Kopierwerk bedeutete der Magnetton einen enormen Mehraufwand, da auf jede einzelne Filmrolle der entsprechende Ton aufgespielt und geprüft werden musste. Auch konnte die Magnetitschicht im Laufe der Zeit brüchig werden. Für das Filmpositiv ergab sich die Notwendigkeit eine sogenannte Kleinlochperforation herzustellen, denn man benötigte Platz für mehrkanalige Magnettonspuren. Die Lichttonspur war dagegen, wie das Bild, eine fotografische Aufzeichnung zwischen Filmbild und Perforation und wurde mit einem optischen System aus Tonlampe, Optik und Fotozelle unterhalb des Bildfensters abgetastet. Konstruktionsbedingt ergab sich ein Bild,- /Tonabstand von 20 Feldern beim 35-mm-Film.

      Bild und Ton waren sozusagen eine organische Einheit und wurden in der Regel auch in einem Durchgang von gesonderten Negativen, dem Bild- und dem Tonnegativ, auf den Kino-Positivfilm kopiert. Von der besonderen Schwierigkeit der Lichttonbearbeitung beim Farbfilm erzähle ich dir später, wenn wir über Kopier- und Entwicklungsmaschinen sprechen. Nun zurück zum Projektor. Ab 1937 galt in Deutschland die schon erwähnte Zellhornvorschrift. Filmtheater und Filmbetriebe mussten auf Grund der leichten Entzündlichkeit des Nitrofilms spezielle Sicherheitsvorrichtungen einbauen. In den Projektionsräumen wurden Überdruckfenster eingesetzt und Stahltüren sowie Sprinkleranlagen waren, wie schon gesagt, Vorschrift. Eine mit einer kleinen Nitrofilmschleife versehene Schaltvorrichtung in der Nähe des Bildfensters am Projektor sorgte im Falle eines Filmbrandes, bei dem diese Schleife als erstes mit durchbrannte, für ein automatisches Verschließen der Kabinenfenster zum Zuschauerraum. Die Filmtrommeln, von denen ich anfangs sprach, waren zu dieser Zeit auf 600 m Film begrenzt und hatten ein Draht-Gazefenster, um im Brandfall dem Film Sauerstoff zuzuführen und ein explosionsartiges Verbrennen zu verhindern. Selbst die Anzahl der Maschen war vorgeschrieben, 59 bis 64 pro Quadratzentimeter. In den ersten Jahren wurden auf dem Hof unserer Firma unter Leitung der Feuerwehr regelmäßig Brandschutzübungen durchgeführt, wobei sich die ganze Belegschaft versammelte und man uns vorführte, wie rasend schnell eine Rolle Nitrofilm abbrennt.“

      „Das klingt alles nicht ungefährlich“, sagte mein Freund. „Spätere Filmmaterialien waren doch wesentlich sicherer, oder?“

      „Genau“, sagte ich. „Deshalb nannte man sie auch Sicherheitsfilme. In den USA brachte man bereits 1923 den ersten auf Acetat-Basis hergestellten Film heraus. Für das 16-mm-Format verwendete man ihn ausschließlich. Da er jedoch nicht so strapazierfähig war, nutzte man für 35-mm-Filme noch lange Nitrocellulose. Während eine Rolle Nitrofilm ca. 600 Durchläufe aushielt,


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