Jahrestage-Buch. Siegfried Reinecke

Jahrestage-Buch - Siegfried Reinecke


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gleichen Datum das Licht der Welt erblickten bzw. für immer darauf verzichten mussten: Albert Einstein und Stephen Hawking. Pis Leben hinwiederum verdanken wir ja recht eigentlich dem antiken Think Tank Archimedes, der schon im dritten Jahrhundert vor Christus das mathematische Phänomen bewies, demzufolge sich der Umfang eines Kreises zu seinem Durchmesser genauso verhält wie die Fläche des Kreises zum Quadrat des Radius – die Archimedes-Konstante. Pi nannte er diese Näherungszahl, die er aus dem Quotienten von 22: 7 gewann, noch nicht, sodass alle wahren Archimedes-Freunde den Pi-Tag abstinent verleben und sich dafür umso inniger auf den 22. Juli freuen – den Pi Approximation Day (Pi-Annäherungstag). Feiern Sie also, aber feiern Sie bewusst Ihren Helden mit der ihm zustehenden Pietät.

       Niernand hat die Absicht, Pi unter die Erde zu bringen. Trotzdem allen Wykern Dank für ihre Initiative. Nur: nächstes Mal bitte richtig schreiben!

      Nicht fehlen sollte bei jeder guten Pi-Celebration ein gutes Exemplar einer Torte (engl. pie). Auf den Geschmack kommt es bei den Briten, noch dazu den zahlenfixiert backenden, ganz und gar nicht an, nur rund sollte sie selbstverständlich sein, mit einem Pi-Zeichen muss sie versehen sein und sie muss in möglichst geselliger Mathematiker-Runde verzehrt werden (wenn uns so viel Phantasie auch reichlich überfordert).

      Solche Süßspeise muss es der Pointe wegen sein, heißt, Torte ‘ doch im Oxford-Englischen „pie“, was sich in dieser fremden Zunge ebenso ausspricht wie die bewusste Kreiszahl. Es handelt sich demzufolge nicht um einen [pipi], sondern um einen [paipai].

      Pie the way: In idealer Rundung wird die Kreiszahl überhaupt nie dargestellt, wenn schon rund, dann als Spirale. Was aber eine rechte und echte Kreiskonstante ist, so muss sie doch auch in Form der idealen geometrischen Figur, eben des Kreises, ikonisch präsentabel sein. Da sei ihre vermutliche Unendlichkeit vor? Das wissen wir aber doch gar nicht. Hilfsweise können wir es immer noch mit der Quadratur des Kreises versuchen, doch daran ist selbst Archimedes gescheitert.

      Pi oder – wer perfekt auswärts spricht – hat auch in der elaborierten Kultur inzwischen Kultstatus erlangt; weniger in der Musik (seit Don McLeans „American Pi“ ist nicht mehr viel nachgekommen) als in der Kinematographie (gleicher Titel, mehrere follow ups). Die magische Zahl scheint dort manchmal doch arg überschätzt. In dem Pi-Film „Pi – der Film“ z.B. wird die rätselhafte, weil irrationale Zahl zur Weltformel geadelt. So kann man mit ihr etwa die Aktienkurse voraussagen und damit die Weltherrschaft bzw. doch immerhin die Weltwirtschaft in den miesen Griff kriegen, und eine jüdische Glaubensgemeinschaft verspricht sich, mit ihrer Hilfe die Thora zu entschlüsseln. Das ruft natürlich dunkle Gestalten auf den Plan, die aus dem Mathematikgenie Max Cohen die Universalformel pressen wollen. Daraus – man hätte es sich denken können – wird nichts, und alle großen Hoffnungen müssen begraben werden. Wieder einmal, schade.

      Wenn eine Zahl als Weltformel gelten kann, dann nur die aus Roman und angedocktem Film, aus Hör- und Computerspiel hinlänglich berühmte. Sie wissen schon: Sie müsste am 2. April gefeiert werden. Per Anhalter Reisende werden sich auskennen, allen anderen wird weiterhelfen HHGTTG, HHGG oder H2G2, oder aber Doch zurück zum 14. März: In Deutschland wird der Kreiskonstanten auch künftig kaum der angemessene Tribut gezollt werden, auch wenn es, so der Berliner Mathematiker Behrens, immer schon Leute gegeben habe, „die merkwürdige Dinge mit Pi getan haben. Etwa auf Berge klettern, um dort laut die Nachkommastellen zu zitieren.“ Wer wollte da dem Direktor des Erlebnismuseums „Mathematikum“, Beutelspacher, widersprechen, der das Ganze „eine offene Flanke Richtung Verrücktheit“ nennt. Gänzlich durchgeknallt ist aber die Idee, die Rechnerei mittels marketingmäßiger Aufrüstung zu popularisieren und den Gedenktag analog dem Girls Day künftig als Pi-Day zu benamsen. Das weckt doch ganz falsche, ja fast unangenehm schiefe, jedenfalls höchst unbritische Assoziationen.

       23. März – Weltwettertag

       Gegen Abend Bevölkerungsverdichtung

      Da geht es wohl fast jedem so: Wenn er oder sie „Wetter“ hört, da denken beide doch an diese grundsympathische Kleinstadt in Westfalen (an die Wetterau ja sicher kaum). Auch wenn das Gerücht nicht auszurotten ist, sei noch einmal versichert: Wenn Sie hier den Deutschen Wetterdienst anzutreffen erwarten, werden Sie enttäuscht. Er ist viel eher ein Essen-Dienst. Dort jedenfalls ist die nächstgelegene Niederlassung, ein paar Kilometer Ruhr abwärts.

      Die Stadt im Herzen der Metropole Ruhr (steht da so wirklich) hat sich jedenfalls und immerhin eine ansprechende Web-Präsenz gegönnt. Da gibt es Rubriken, die kein Thema aussparen: Service in Wetter, Freizeit in Wetter, Bauen in Wetter, Wirtschaft in Wetter – nur eines gibt es nicht: Wetter in Wetter. Unter uns: Da verpassen Sie nichts. Der

      .

      Mit den Namen Unwetter, Extremwetterereignis oder Wetteranomalie wollte sich bis zum heutigen Tag noch keine deutsche Gemeindeneugründung schmücken.

      Nun kommt beim Thema Wetter, dem unstreitig wichtigsten überhaupt, stets etwas zu kurz, was gerade hier im Ruhrgebiet – im Kohlenpott, wie immer noch unschön gesagt wird – eine herausragende Bedeutung hatte. Im Zentrum des deutschen Steinkohlebergbaus war das Wetter unter Tage oft von sozusagen lebenswichtigerer Bedeutung als das über der Erde, welches man bis in die Siebziger Jahre hinein ohnehin nicht wirklich wahrnehmen konnte, zu undurchdringlich waren die Abgasschwaden, die die Kohle verarbeitende Industrie und ihre Nebengewerke freisetzten.

      „Dein Grubengold hat uns wieder hochgeholt“ (Grönemeyer). Allein: Wie konnte das gelingen? Damit man auf Sohle sieben überhaupt schnaufen konnte, musste man akzeptable Bedingungen schaffen, es bedurfte der „Bewetterung“ der Grube. Luft war das wichtigste, was der Steiger und seine Gefolgsleute brauchten, und wie sie erzeugt und hunderte Meter unter der Erde bewegt werden konnte, dazu entwickelte man über die mehr als hundert Jahre Steinkohlebergbau technische Verfahren, die stets frische Luft garantieren sollten.

      Aus dem Bergbau stammt auch der Erste Fundamentalsatz der Meteorologie, wie er heute noch über alle wissenschaftlichen Differenzen hinweg Geltung beansprucht: „Der Bergmann unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Arten von Wettern: gute Wetter und schlechte Wetter.“ (Wikipedia) Alle Wetter auch! Die Wissenschaft hat festgestellt. Klar ist, was als positiv gilt; zu erklären sind hingegen böse Wetter und gar schlagende Wetter. Bei ersteren ist die Beimischung von Kohlenmonoxid, Schwefelwasserstoff oder Stickoxiden gefährlich hoch. Darin kann man nicht arbeiten. Ein schwer schuftender Bergmann aber benötigt allein 707 Liter Luft pro Stunde (inkl. Geleucht). Zuzüglich weiterer Risiken bei der Arbeit unter Tage müssen heutzutage aus Sicherheitsgründen mehr als zehn Kubikmeter Luft pro Mann und Minute in die Grube gepresst werden. Ein ungeheurer Aufwand, wie sich ermessen lässt.

      Zu vielen tragischen Unglücken aber hat die zweite Variante schlechter Wetter geführt: Dabei geht es um ein explosives Gemisch von Luft und brennbaren Gasen, meistens Methan. Diese so genannten schlagenden Wetter können in eine Schlagwetterexplosion münden, wenn dadurch loser Kohlenstaub aufgewirbelt und gezündet wird und eine Kohlenstaubexplosion die Folge ist. Schon die kann für Bergleute tödlich sein, hinzu kommt aber noch der dadurch bedingte rasche Verbrauch des Luftsauerstoffs und die mit Kohlenmonoxid angereicherte Luft, als deren Folge der Erstickungstod droht. Das Risiko gingen diese Menschen immer ein, wenn sie in die Grube fuhren und im ungünstigten Fall auch in die andere Grube fuhren – und daraus resultiert ihr Heldenstatus im Revier an der Ruhr.

      Und da reden wir immer nur von Wetter, Wetter, Wetter. Außer die Bundesbahn, natürlich.

       „Non, je ne suis pas un grenouille météo, mais le


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