Im Würgegriff der Staatsverschuldung. Michael Ghanem

Im Würgegriff der Staatsverschuldung - Michael Ghanem


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dass es den nötigen niedrigen Preis erhält, kann bei stringentem Denken zum Absurdum führen. Denn wenn das Einkommen zu niedrig ist, so dass die Nachfrage nicht befriedigt werden kann, kann der Absatz nicht erfolgen. Daher ist es notwendig den neoliberalen Ansatz mit der Einbringung einer weiteren Variablen, dem Mindesteinkommen, zu korrigieren.

      Weitere Probleme können die oben genannten Ansätze nicht lösen: Die massive zu erwartende Arbeitslosigkeit sowohl in Europa als auch in den USA durch die technische und digitale Revolution. Die digitale und die Genetik-orientierte Revolution werden dazu führen, dass sich für eine längere Zeit ein fester Satz Arbeitslosigkeit in den Entwicklungsländern verbreiten wird. Diese Arbeitslosigkeit kann nur bekämpft werden indem man Marshall-Pläne für unterentwickelte Kontinente bereitstellt. Die Konzeption eines solchen Marshall-Plans, zum Beispiel für Afrika, stößt jedoch in der unfähigen politischen Klasse und insbesondere der Ära Merkel, auf heftigen Widerstand.

      Eine weitere Gefahr für den monetaristischen Ansatz besteht darin, dass der globale Finanzmarkt die Wirkung von Zentralbanken eigentlich relativ beschränkt hat. Dies ist zurzeit (2016/2017) zu beobachten, denn eines steht fest: Alle Zentralbanken haben durch eine außerordentliche Verbreitung der Geldmenge den Zinspreis gegen Null geführt. Dies hat nicht den gewünschten Erfolg für das reale Wachstum der Weltwirtschaft herbeigeführt – Selbst Japan leidet seit über zehn Jahren unter einer Deflation und hat seit zehn Jahren eine Null-Zins-Politik. Das Bemühen der Zentralbanken, durch niedrige Zinspolitik die Währungen so schwach wie möglich zu halten, hat zur Folge, dass sich die Staaten gegenseitig blockieren. Gigantische Exportschüsse (bis auf wenige Ausnahmen) sind nicht die Regel.

      Weiterhin ist zu beobachten, dass die neoliberale Politik sehr oft zu einer Oligopolisierung des Marktes führt. Das heißt, dass die Anzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen zu Gunsten größerer Konglomerate ständig abnimmt. Dies führt häufig zu einer Katastrophe.

      Der neoliberale Ansatz hat spätestens beim zunehmenden Aufkommen von Autokratien seine Grenzen erreicht. Der neoliberale Ansatz hat weiterhin das ernstzunehmende Problem, dass die Spaltung zwischen Reich und Arm in allen westlichen Gesellschaften in den letzten 30 Jahren erheblich zugenommen hat. So beobachtet man in allen westlichen Ländern und selbst in China die Vermehrung von Kapital-/Eigentum-Milliardären. Demgegenüber befindet sich der größte Teil der Bevölkerung in einer zunehmenden Armut. Der Aufbau eines Mittelstandes wird nur noch selten beobachtet. Daher ist zu befürchten, dass langfristig der reine Ansatz des Neoliberalismus eher zu sozialen Unruhen führt und damit autokratische Wege vorzeichnet.

      2.2.9 Vermögensverteilung (Fuest versus Piketty)

      Zu dieser Frage gibt es zwei unterschiedliche Schulen: Die neoliberale und die Ordo-liberale Schule (die Ordo-Liberalen sind nichts anderes als ein Teil der neo-liberalen) gegenüber der postkeynesianisch – verhaltenstheoretischen Schule.

      Einer der prominentesten Vertreter der Ordo-Liberalen ist Clemens Fuest. Der Ordo-Liberalismus ist ein Konzept der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung und wurde von der sog. Freiburger Schule der Nationalökonomie entwickelt. Unter anderem von Walter Eucken, Franz Boehm, Leonard Miksch. Die ersten Ansätze wurden schon 1937 veröffentlicht, aber erst 1950 von Hero Moeller propagiert. Seine Prinzipien basieren auf den Lehren von Adam Smith und anderen Vertretern der klassischen Nationalökonomie. Der Ordo-Liberalismus basiert auf den negativen Erfahrungen des Staats-Interventionismus als auch auf dem Laissez-Faire des Liberalismus.

      Für Eucken war das zentrale Anliegen, eine menschenwürdige und funktionsfähige Ordnung zu schaffen, die politische und wirtschaftliche Freiheiten vereint.

      Laut Lüder Gerken und Joachim Stabaty hat die soziale und Wirtschaftsgeschichte vor allem Adam Smith und den Ordo-Gedanken aufgegriffen. Er sah nämlich eine natürliche Ordnung als gegeben an, in der Interessen des Einzelnen und Interessen der Gesellschaft miteinander harmonieren. Dies stellt der Autor in Frage.

      Demgegenüber stehen Thomas Piketty und ihm verbundene Ökonomen, insbesondere Miriam Rehm und Dr. Matthias Schnetzer. Sie zeigen auf, dass in Europa und in Deutschland sowie besonders in Österreich die Verteilung der Vermögen in den modernen Gesellschaften sehr ungleich ist. Dabei spielen folgende wichtige Gründe eine Rolle: das Einkommen aus Kapitalerträgen und die Erbschaften. Folgendes Ergebnis ist erschreckend: Nach Analyse des „Household Finance and Consumption Survey“ (HFCS) besitzt das reichste Prozent der Deutschen etwa 25% des gesamten Privatvermögens. Tatsächlich dürfte der Anteil sogar höher sein. Nach einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung könnte sogar ein Drittel des Vermögens bei den 1% reichsten konzentriert sein. In diesem Zusammenhang darf darauf hingewiesen werden, dass während der Amtszeit von Angela Merkel als Vertreterin der neoliberalen Wirtschaftsordnung die Zahl der Milliardäre in Deutschland sich verdoppelt und die Zahl der Millionäre sich vervierfacht hat.

      Die Ungleichheit zwischen Topverdienern und Einkommensschwachen ist auf der ganzen Welt in den letzten 50 Jahren gestiegen. Die Mittelschicht hat dagegen kaum profitiert, auch wenn das Einkommen statistisch allen Menschen zugutegekommen ist.

      In Deutschland haben 10% der Bevölkerung ca. 40% des Gesamteinkommens. „Ihr Anteil ist seit Mitte der 90er Jahre erheblich gestiegen“, so Bartels vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Die unteren 50% haben in den letzten Jahren an Anteil verloren, in den 60er Jahren verfügten sie noch über etwa 1/3 des Gesamteinkommens. Wenn man zu den Nettoeinkommen die Sozialtransfers hinzurechnet, sieht das Ergebnis etwas besser aus. Die Mittelschicht hat nichts hinzugewonnen.“

      Die soziale Ungleichheit zwischen Spitzenverdienern und Einkommensschwachen ist gemäß Studien des DIW in den letzten Jahren größer geworden. Demnach hat sich das Einkommen des reichsten ein Prozent der Bevölkerung mehr als verdoppelt.

      Da große Mengen des öffentlichen Vermögens privatisiert wurden, verringerte sich der Spielraum der Regierungen, dieser Ungleichheit entgegen zu wirken. Die soziale Ungleichheit ist weltweit sehr unterschiedlich ausgeprägt. Seit 1980 ist die Einkommensungleichheit in Nordamerika, China, Indien, Russland, Brasilien, Chile rasant gestiegen. Das geringste Gefälle hat jedoch Europa. Dort verfügten 2016 die obersten 10% lediglich über 37% des Nationaleinkommens, in Nordamerika 47% und im Nahen Osten sogar 61%. Laut DIW ist auch ein großer Unterschied in Deutschland festzustellen, denn die Hälfte der unteren Schichten hat anteilsmäßig am Gesamteinkommen verloren. Während in den 60-er Jahren diese Schichten noch über 1/3 des Gesamteinkommens verfügen konnten, sind das heute 16-17%.

      Das Forscherteam um Piketty empfiehlt, zur Bekämpfung dieser Ungleichheit eine globale Finanzdatenbank einzurichten wird, um mit deren Hilfe Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu erschweren. Zudem sollten progressive (reale) Steuersätze mit einer Mindestbesteuerung eingerichtet werden. Zudem müssen die Kinder der ärmeren Schichten unbedingt den Zugang zu Bildung und Weiterbildung erhalten, was eine Hauptaufgabe des Staates sein muss. Insbesondere in Deutschland muss ein Mindesteinkommen festgelegt werden, welches ein menschenwürdiges Leben (d.h. ohne Rückgriff auf soziale Systeme) ermöglicht. Zu dem Warenkorb gehört unbedingt Bildung, Weiterbildung und Kultur.

      Laut Marcel Fratzscher vom DIW sind die Löhne inflationsbereinigt bei den unteren 40% der Bevölkerung heute niedriger als vor 20 Jahren.

      2.2.10 Postkapitalismus - was nun?

      Das postkapitalistische System hat sich in den letzten Jahren unter dem Deckmantel der Globalisierung sehr verbreitert. Anhand des folgenden Beispiels wird gezeigt, dass Grundlagen der menschlichen Ethik völlig außer Acht gelassen worden sind. In Hamburg werden zurzeit immer mehr Teeproben-Partys mit dem weltweit besten Tee veranstaltet. Dieser Tee wird in den höheren Lagen in Indien in der Nähe des Himalayas gepflückt. Ein Kilo Tee wird in Hamburg zurzeit für 600 Euro verkauft. Dieser Tee wird angeblich von den Gütesiegeln Fair Trade und UTZ anerkannt und besiegelt. Dieser Tee wird sehr oft von Frauen und Jugendlichen oder Heranwachsenden gepflückt. Sie werden pro Tag bezahlt und müssen jedes Mal Berge mit bis zu 60 Grad Gefälle hoch und runter steigen. Ihr Tageslohn beträgt 1,20 Euro für acht Kilo Tee. Dazu erhalten sie 200 Gramm Reis für die Familie und wohnen in unbeschreiblichen Behausungen, die sie teilweise selbst reparieren. Fließend Wasser gibt es nicht, daher bauen die Bauern selbst Hilfsmittel mit Pumpen. Sie haben keine sanitären Einrichtungen und müssen


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