Western Ferien Sammelban 9018 - 9 Romane um Gunfighter und Helden. Pete Hackett

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preschte er über den Hof. Er beugte sich weit über den Hals des Tieres, das sich anfänglich gegen die brutale Behandlung wehrte, von dem hageren Burschen aber zum Gehorsam gezwungen wurde. Er sah den Mann kaum, der gerade das Gebäude erreichte und ihm reflexartig in die Zügel greifen wollte. Er ritt ihn einfach über den Haufen, und als er einen flüchtigen Blick zurückwarf, freute er sich erst richtig, dass er ausgerechnet diesen verhassten Halbindianer erwischt hatte. Hoffentlich hatte er ihm wenigstens das Kreuz gebrochen!

      Genauso gefährlich sah es auch aus. Ich wurde von weitem durch das wilde Wiehern des Pferdes aufmerksam und erkannte mit Entsetzen, dass Chaco dem heranrasenden Tier nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte. Die Ereignisse richtig zu beurteilen, war nicht schwer. Slinger, der raffinierte Halunke, hatte es tatsächlich geschafft, aus seinem unfreiwilligen Hotel auszubrechen. Das musste ich verhindern. Mit langen Sätzen eilte ich heran. Der Bursche preschte direkt auf mich zu. Ein Warnschuss würde sicher genügen. Ich hatte nicht die Absicht, den Gauner zu erschießen, wenn ich auch wenig Hoffnung hatte, dass er seinen Lebenswandel demnächst ändern würde und sich damit auf jeden Fall früher oder später einen unehrenhaften Tod verdiente.

      Ich riss meinen Revolver aus dem Holster und setzte ihm eine Kugel direkt vor die Hufe. Der Hengst war zu meinem Leidwesen prächtig erzogen und scheute nur geringfügig. Slingers Erziehung ließ dagegen zu wünschen übrig. Kaum dass er mich sah, riss er das Gewehr an die Hüfte und feuerte sofort. Der Kerl hätte mich glatt durchlöchert, wenn ich nicht im letzten Moment wie ein Seehund mit dem Bauch über die Straße gerutscht wäre.

      Ich rollte mich blitzschnell zur Seite, suchte meinen Gegner und jagte ihm ein paar Kugeln hinterher. Aber dafür war es längst zu spät. Triumphierend galoppierte Slinger davon und verschwand wenig später hinter den Hügeln im Süden der Stadt.

      Wütend stand ich auf und klopfte mir den Dreck von der Hose. Der Halunke hatte Glück gehabt. Ich allerdings auch, und nun hoffte ich nur noch, dass sich Chaco ebenfalls dafür entschieden hatte.

      Ich eilte zu ihm hinüber. Er lag noch immer am Boden. Er rührte sich nicht. Nur sein Gesicht war schmerzverzerrt.

      3

      Für einen Augenblick befürchtete ich das Schlimmste und war wütend, weil sich natürlich sofort eine Menge Schaulustiger auf der Straße ansammelte, von denen keiner einen Finger rührte. Erst ein stämmiger Mann mit gerötetem Gesicht eilte herbei und fasste sofort mit an, um Chaco ins Office hinüberzutragen. Es war mein Freund Henry Duncan, der Chef der hiesigen Wells Fargo Frachtagentur.

      „Schöne Schweinerei!“, schnaubte er wütend. „Wer ist das gewesen?“

      Ich sagte es ihm.

      Durch die Menge, die sich nun vor dem Office staute, drängte sich Doc Walter, der Arbeit witterte. Der kleine, ewig aktive Mann beugte sich besorgt über Chaco und zeigte ein bedenkliches Gesicht. Aber Chaco wehrte ihn ab.

      „Lassen Sie es gut sein, Doc“, sagte er stöhnend. „Diesmal sind Sie noch zu früh dran. Aber viel hätte nicht gefehlt, dann sähen meine Knochen so aus wie ein Haufen durcheinandergeworfener Zündhölzer.“ Er erhob sich ächzend und ließ sich dabei nicht mal von mir helfen.

      Ich war froh, dass er überhaupt noch lebte, wenn auch sein Gesicht um ein paar Schrammen reicher geworden war. Da ich sah, dass seine seelische Verfassung kaum besser als seine körperliche war, verkniff ich mir die Frage, ob er seine Gefangenen immer im Freien übernachten ließ. Aber Chaco ahnte, dass ich mich, gelinde ausgedrückt, wunderte, wie dem Bürschchen ohne Hilfe die Flucht gelingen konnte.

      „Er ist wohl der gerissenste Halunke, der mir seit langem begegnet ist“, stieß er wütend hervor. Und da er meinen zu einem Einwand geöffneten Mund bemerkte, fügte er gleich hinzu: „Außer dir natürlich, Carringo.“

      „Wie fühlst du dich?“, fragte ich.

      „Erlaubst du mir das Fluchen?“

      „Du hast es dir verdient.“

      „Ach was, der Kerl ist gar nicht wert, dass ich mich ärgere.“

      „Warum tust du es dann?“

      „Ich ärgere mich ja hauptsächlich über mich selbst. Ich dachte, dass mich so leicht kein Gesicht mehr täuschen könnte, dabei bin ich der Fratze ordentlich auf den Leim gegangen. Dass Slinger ein schmieriger, ausgekochter Schwindler ist, der uns mit seinem Theater zu Tränen rühren wollte, hatte ich ja gewusst, aber dass er auch vor einer Gewalttat nicht zurückschrecken würde, hätte ich ihm nicht zugetraut.“

      „Ohne neue Erfahrungen wäre das Leben arm“, dozierte ich.

      „Deine geistvollen Sprüche kannst du dir sparen“, sagte Chaco. „Hilf mir lieber auf mein Pferd!“

      Ich sah ihn überrascht an, und auch der Doc protestierte lautstark: „Was fällt Ihnen ein, Mister Gates? Was Sie brauchen, ist unbedingte Ruhe. Wenn Sie auch wie durch ein Wunder nichts gebrochen haben, so sind Ihre Prellungen auch nicht von schlechten Eltern.“

      „Sind Sie etwa der Anwalt von diesem Slinger?“, fauchte Chaco. „Sie bilden sich doch nicht etwa ein, dass ich das wildgewordene Bürschchen laufenlasse?“

      Vor dem Office sprang ein Reiter aus dem Sattel und trat in das Office. Sein erhitztes Gesicht glänzte. Er musste scharf geritten sein. Ich kannte ihn. Es war der Express-Reiter der Wells Fargo, der, wie ich hoffte, die telegraphische Nachricht, auf die ich dringend wartete, von Fort Whipple mitbrachte.

      „Ich habe mich beeilt, so sehr ich konnte, Mister Carringo“, erklärte er keuchend, „denn ich nehme an, dass es wichtig ist, wenn Chefdetektiv James B. Hume persönlich telegraphiert.“

      Mein Lob war aufrichtig gemeint. Gespannt las ich die Zeilen aus Kalifornien. Chaco beobachtete grinsend, wie ich von Zeit zu Zeit zustimmend nickte, störte mich aber nicht. Auch Henry Duncan schwieg. Aber auch er war neugierig, denn er sah meinem Gesicht an, dass es sich um keine Lappalie handelte.

      Als ich das Papier sinken ließ, hielt es Chaco nicht länger aus.

      „Was befiehlt der große Boss?“, fragte er. „Nach deinem Mienenspiel zu urteilen, scheinen sich eure Ansichten zu decken.“

      Ich hatte ihm nicht nur von meinen Erlebnissen in St. Louis und dem Missouri erzählt, sondern natürlich wusste er auch über den Zwischenfall in Rains Bescheid. Ich nickte daher zustimmend. „Wie ich erwartet habe, wünscht Hume, dass ich mich auf jeden Fall um die geheimnisvollen Waffenhändler kümmere. Schließlich wurde bei dem Überfall auf einen unserer Waggons Wells Fargon Eigentum beschädigt. Außerdem ist ein Mitarbeiter der Agentur in Rains von den Verbrechern bestochen worden, und auf mich hat man einen Mordanschlag verübt.“

      „Und Mister Hume mag es nicht, wenn man auf seine Sicherheitsagenten schießt, nicht wahr?“

      „Nein, das gefällt ihm nicht. Genauso wenig wie der Umstand, dass die Wells Fargo unter offensichtlich falschen Angaben zum Transport einer illegalen Waffenladung missbraucht wurde, denn dass die Kisten weder Maschinenteile enthielten, noch für eine nicht existierende Porzellanfabrik in Cerbat bestimmt waren, ist ja inzwischen bewiesen.“

      „Da wird Mister Sherlock aber gar nicht einverstanden sein“, sagte Chaco.

      Er spielte damit auf den Burschen an, der sich erst, nachdem ich ihn niedergeschlagen hatte, als Spezialagent der Regierung in Washington vorstellte und das alleinige Recht für sich in Anspruch nahm, den Waffenhändlern auf die schmutzigen Finger zu klopfen. Er hatte mir sogar mit seinem hochoffiziellen Auftraggeber gedroht, wenn ich nicht meine verdammten Pfoten, wie er sich ausdrückte, von diesem heiklen Fall ließe.

      „Er wird sich wohl oder übel damit abfinden müssen“, erklärte ich, nicht ohne gewisse Genugtuung. Mir waren Leute zuwider, die sich aufgrund eines Dienstausweises als die Herren der Welt fühlten. „Mister Hume sieht das genau wie ich. Die Tatsache, dass ein Regierungsagent mit der Klärung des Falls betraut wurde, schließt die Zuständigkeit der Wells Fargo nicht aus.


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