Katholisch...oder?. Oliver Grudke
einmal eine Dusche!
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Müde und total durchnässt schleppte sich Alex in die Galerie, welche oberhalb seines üppigen Wohnbereichs lag und so eine Art Balkon bildete.
Nun gab es zwei Optionen:
A: Er nahm den kurzen Weg in das etwas Kleinere sogenannte Gästebad oder
B: Er benutzte den vollverglasten Aufzug, ließ sich in die untere Etage schweben und benutzte das
sehr großzügige Wellnessbad.
Es war Montagmorgen und deshalb entschied er sich für die erste Variante. Das andere Bad war für die Freizeit gedacht. Für besondere Momente, mit Frauen oder als Krönung eines erfolgreichen Tages oder nach der Arbeit.
Und danach fühlte er sich nun wirklich nicht. Im Gegenteil, es begann nun eine sehr stressige Woche und er war nicht erholt. Nicht einmal ein kleines Stückchen.
Nicht genug, dass dieser Pfarrer ihm seinen so schönen erotischen regnerischen Sonntag zerstört hatte, nein, nun gelang es ihm, ihn auch noch um den Schlaf zu bringen.
Und warum das alles?
Er hatte keine Ahnung, nein, er wollte es gar nicht wissen, hatte nicht gefragt. Und doch schien ihn der Besuch irgendwie zu beunruhigen.
„Mist!“, sagte er laut, als er die digitale Anzeige seiner LED beleuchteten Uhr am Ende der Galerie sah. 5.23 Uhr! Zu früh, um in die Praxis zu fahren, zu spät, um wieder ins Bett zu schlüpfen. Ein weiterer Blick verriet ihm, dass Joggen auch nicht in Frage kam. Es regnete immer noch Bindfäden und der Nebel war sehr dicht.
Nicht, dass ihm das etwas ausmachen würde, nein, im Gegenteil. Dies war ja sonst sein Wetter. Regen, kühl und Nebel. Ein Wetter für den Alb gemacht. Niemand ging an so einem Wetter in den Wald. Allein konnte er deshalb seinen Kopf freibekommen und Ruhe und Kraft tanken. So wie er es jetzt, zu Beginn der Woche, schon nötig hätte.
Doch er wollte heute nicht! Er hatte nicht gut geschlafen und hasste Montage im Allgemeinen. All dies waren keine Pluspunkte für einen Besuch des Traufwaldes morgens um halb sechs.
Alex Kanst stellte die Dusche an. Sollte er sich mit Musik berieseln lassen?
Nein! Besser nicht. Auch hatte er ja gleich zu Beginn seines Tages noch eine wichtige, aber ungemein peinliche und im höchsten Maße unnötige Aufgabe zu erledigen.
Alles wegen dieses Pfarrers!
Erst nach der Dusche fand es Alex etwas frisch in seinem neuen Haus. Sollte er den Kamin noch einmal anwerfen?
Nein! Nicht an einem Montagmorgen, dem Beginn einer schlechten Woche.
Natürlich soll man so keine Woche beginnen! Seinen Patienten riet er immer, nur das Positive herauszufiltern und sich so Raum für energiegeladene Impulse selber zu schaffen.
Er wusste, wie dies ging, doch er wollte es nicht wissen. Nicht an einem der schlechtesten Montage seit? Ja, wann war ein Montag so schlecht gewesen wie heute?
Damals, als ihn zwei Gerichtsvollzieher gleichzeitig besuchten.
An einem Montagmorgen!
Er hasste Montage!
Doch das war damals! Ein anderes Leben in einer anderen Zeit! Manchmal fragte er sich, ob diese Zeit wirklich stattgefunden hatte.
Sie hatte - und Alex stellte den Beamer an und wählte das ARD-Morgenmagazin. Dazu würde er nun einen starken Kaffee aus seiner brandneuen Kaffeemaschine zaubern. Bohnen aus Kolumbien, Faire Trade natürlich.
Gerade als die Maschine ihr Mahlwerk anschmiss, kam das Thema des Tages:
Zunehmende Gefahr durch religiösen Fanatismus!
„Kein Problem für Dr. Alex Kanst!“, dachte er und wusste noch nicht, wie sehr er sich irrte.
Montag, 8.15 Uhr, es war der 23. November 2015. Und Dr. Kanst würde dieses Datum nie mehr vergessen.
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Es war sonderbar! Nun war er schon so lange auf und doch hatte es den Anschein, dass er zu spät in seine Praxis zu seinem ersten Termin kommen würde. Hatte er gebummelt?
Nein, wohl eher keine Lust und eigentlich müsste er ja schon lange nicht mehr in die Praxis. Die fallweise Arbeit für die Polizei, seine zahlreichen Publikationen und seine Vorträge an international anerkannten Hochschulen, vor allem in London, hatten sein Konto mehr als dick gefüllt. Doch er war dazu zu sehr Schwabe.
Aber gerade an einem solchen tristen Montagmorgen war er sich sicher, dass die Tage der Praxis gezählt waren. Und vielleicht sollte er auch nicht mehr für die Polizei arbeiten. Bei seinem letzten Einsatz war er doch angeschossen worden und schwebte aus heutiger sich längere Zeit in Lebensgefahr. Nicht durch die Verletzung im eigentlichen Sinne, aber durch die Bedrohung des Mörders.
Egal, das hat das Land Baden-Württemberg eine schöne Summe gekostet. Einige seiner Jahrgänger würden mit so einer Summe ein kleines Einfamilienhaus bauen.
Der neue VW Tiguan fuhr auf die Landstraße in Richtung Hechingen. Lange war er immer den Umweg gefahren, doch nun fuhr er schon einige Monate wieder durch sein Heimatdorf, vorbei an seinem alten Haus aus einem anderen Leben und irgendwie aus einer anderen Zeit.
Es machte Dr. Kanst nichts mehr aus, fast fühlte es sich surreal an, als hätte es diese früheren Leben nie gegeben. Er war anders, schon fast neugeboren worden.
Und doch fand sein Blick nie das alte Haus wieder. Immer suchte dieser etwas zur Ablenkung. Sei es das Radio, sei es der Blick auf ein anderes Haus oder, wie heute, suchte er den Hebel für die Scheibenwaschanlage.
Vor ihm fuhr ein kleines rotes Auto, Dr. Kanst vermutete einen Japaner, doch dies war ja auch nicht wichtig.
Es war nur lästig! Lästig war, wie langsam der oder vermutlich war es eine sie oder am ehesten jemand aus der Gruppe der Senioren fuhr.
Nun hatte er es wieder getan. Er schob Unbekannte in vorgefertigte Schubladen. Genau das war es, was er ablehnte. Eigentlich! Er war ein Verteidiger der Individualität und der Freiheit des Denkens und Tuns eines jeden. Eigentlich! Doch nicht an einem nebligen Montagmorgen. An dem er schon zu spät war und der kleine rote Wagen ihm immer die Frontscheibe vollspritzte.
Plötzlich klingelte sein Handy.
„Kanst!“, sagte er barsch über die Freisprechanlage und hatte schon lange gesehen, dass es die Praxis war, welche anrief, und somit Tina.
„Hi, Chef! Habe die Termine bereits um zwanzig Minuten nach hinten verschoben und Herr Müller mit einem Kaffee und einem Motorradmagazin ruhiggestellt“, sagte Tina.
„Danke, du bist ein Schatz!“, sagte Dr. Kanst.
„Ich weiß, und hoffentlich flüsterst du mir dies bald mal wieder ins Ohr!“, sagte Tina schon fast singend.
„Versprochen!“
„Tschüüüüss!“
Nach zwölf Kilometern öffnete sich das ansonsten so enge Tal und gab den Blick auf Hechingen und seine schöne mittelalterliche Altstadt frei. Aber auch auf die Burg, welche Hechingen und irgendwie die ganze Gegend überthronte.
„Mist!“, murmelte Dr. Kanst und seine Laune war noch etwas tiefer gesunken. Eigentlich wollte er an diesem Morgen nicht hochsehen, und doch hatte er im linken Augenwinkel die Fahne gesehen. Ein Zeichen, dass der Fürst im Hause war und SIE für ihn damit unerreichbar. Immer noch!
Erst jetzt bemerkte er, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit weit überschritten hatte. Dies passierte ihm eigentlich nur selten. Was auch dazu geführt hatte, dass er als Inhaber eines Führerscheines seit 29 Jahren noch nicht einen Bußgeldbescheid für das zu schnelle Fahren bekommen hatte.
Dr. Kanst bremste seinen Tiguan herunter, bis die Tachonadel die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 100 km anzeigte.
Er hatte seine innerliche