Katholisch...oder?. Oliver Grudke

Katholisch...oder? - Oliver Grudke


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Fürst auf seinem Schloss.

      Nicht einmal mehr an ihren Duft konnte er sich noch recht erinnern. So konnte es nicht weitergehen.

      Montage waren einfach nicht seine Sache.

      Vielleicht etwas zu schnell war er in die Fußgängerzone eingebogen. Natürlich musste sofort einer diese komplett in orange gekleideten Bauhofmitarbeiter ihm einen sehr energischen Blick zuwerfen und eine beschwichtigende Handbewegung hinterherschieben.

      Der ganze Marktplatz wimmelte von Leuten in orange.

      „Was machten die an einem so trüben Tag hier?“, fragte sich Alex Kanst und sogleich bekam er die Antwort, als einer dieser Typen in orange einen Fichtenbaum an seinem Tiguan vorbeizog.

      Natürlich wurde bereits die Weihnachtsdekoration aufgestellt. Jedes Jahr früher. Sicher würden die es früher oder später gleich im September aufbauen, so konnte man die Stimmung länger halten oder aber sie völlig ruinieren.

      Plötzlich fiel ihm das Schild Katholisches Pfarramt auf.

      Oh ja, dass musste er auch noch erledigen. Irgendwie war es ja wichtig und er hatte es Rita versprochen. Also am besten gleich und jetzt.

      „Mist!“ Natürlich gab es keinen freien Parkplatz und Alex Kanst fuhr komplett durch die Fußgängerzone, vorbei am Stadtschloss und zurück zur Einfahrt der Fußgängerzone. An guten Tagen konnte man so Stunden verbringen, ohne zu einem Parkplatz zu kommen.

      Nicht er und nicht heute! Quietschend kam er direkt vor dem Eingang des Katholischen Pfarrbüros auf einem Behindertenparkplatz zum Stehen.

      Sportlich schwang er sich aus seinem Sitz und bemerkte die eklige nasskalte Luft, welche ihm entgegenströmte.

      Solche Tage hatte er auch schon in seiner beruflichen Tätigkeit als Forstingenieur nie leiden können. Doch seit diese Tage vorbei waren, kam es ihm so vor, als würde er diese Art von Wetter immer schlechter ertragen können.

      Doch es gab eben nicht nur sonnige Tage.

      Er würde nur ein paar Minuten brauchen, und dann schnell in die Praxis. Tina konnte seine Patienten ja nicht unbegrenzt umschichten.

      „Aua, was für eine Sche…!“ Dr. Kanst unterdrückte das Fluchwort und rieb sich die Stirn. Das würde sicherlich eine dicke Beule geben und bestimmt der Auslöser für einen Migräneanfall sein.

      Dr. Kanst war mit voller Wucht auf die geschlossene Tür des Katholischen Pfarramtes aufgeschlagen.

      Geschlossen? Alex Kanst schaute auf seine Uhr. Es war viertel nach neun. Schon sehr spät für seine Patienten. Sicherlich müsste Tina einigen absagen. Dazu nahm er immer die, deren Termin in der Mitte des Tages lag, so gab es kein totales Durcheinander.

      Vielleicht war es ja nur ein Irrtum. Sanft drückte er noch einmal gegen die Tür. Geschlossen!

      Erst jetzt lachten ihn einige freundliche Gesichter an.

      Das Büroteam der Seelsorgeeinheit Hechingen ist gerne für Sie da. Täglich von 11.05 Uhr bis 11.35 Uhr

      Gerne? Täglich? Dr. Kanst merkte, wie in ihm die Empörung stieg! Was waren das für Bürozeiten?

      Vermutlich so angelegt, dass erst gar niemand kommen wollte.

      Aber er musste, heute, und er musste es persönlich erledigen. Eigentlich war er ja ein Fan der Mail, aber in diesem sehr sensiblen Falle musst er es persönlich erledigen und die Schweigepflicht oder wie es ja bei der Katholischen Kirche heißt das Beichtgeheimnis in Anspruch nehmen.

      Mit noch schlechterer Laune trottete er zu seinem Behindertenparkplatz zurück und was er da sah, war das erste Erfreuliche an diesem trüben Montag. Lange, sehr lange blonde Haare, welche fast bis an den Poansatz reichten, entfernten sich gerade von seinem Auto.

      „Schön!“, dachte Alex und merkte, wie er dem Drang, diese Frau anzusprechen, völlig erlag.

      „Guten Morgen!“, rief er den blonden Haaren hinterher, so laut, dass die Frau sich umdrehte.

      Doch das war nun nicht so schön. Denn das Gesicht, welches zu den schönen blonden Haaren gehörte, war versteinert und sehr ernst. Auch zeigte es Spuren von starkem Alkoholkonsum.

      „Sie parken auf einem Behindertenparkplatz! Das kostet 50 Euro! Zahlen sie bar oder mit EC-Cash?“

      Dr. Kanst war noch immer geschockt von der unnatürlichen Verbindung so schöner Haare und eines so hässlichen Gesichtes, dass er nicht sofort antwortete.

      „Natürlich können sie den Betrag auch auf das Konto der Stadtkasse einbezahlen. Hier haben Sie einen Überweisungsträger. Und eigentlich sollten Sie sich schämen. Ein gesunder Mann stiehlt den Behinderten ihren Platz. Wünsche einen guten Tag!“

      Mit diesen Worten war das hässliche Gesicht hinter dem nächsten Fahrzeug verschwunden. Dr. Kanst stand noch immer wie ein begossener Pudel da und hielt seinen Überweisungsträger als sei es ein Glückslos.

      Nun war er sich sicher! Er sollte wieder in sein Bett in seinem neuen Haus. Was war eigentlich los? Kein Sex, schlecht geschlafen, zu spät zur Arbeit und dann noch der erste Strafzettel in seinem Leben. Und schuld daran war dieser Priester. Leider konnte er sich dafür nicht erkenntlich zeigen, denn er benötigte ja in Sachen Rita noch dessen Wohlwollen.

      Hoffnung keimte auf, als er bemerkte, wie spät es war. So lange würde es Herr Müller nicht in seinem Wartezimmer aushalten. Dann hatte er diesen Typen wenigstens wieder für eine Woche von der Backe.

      Alex Kanst stieg in den verglasten Aufzug und steckte den Schlüssel bei seinem Stockwerk rein. Ein individueller Aufzug nur für die Eigentümer. Nun machte sich die Müdigkeit aus der letzten Nacht doch schon sehr bemerkbar, aber man ist ja pflichtbewusst und erinnert sich an Tage, da das Portemonnaie leer war. Deshalb die Pflicht und deshalb auch die Arbeit. Wenn man dies einmal erlebt hatte, dann steckte dies in allen Knochen und man wird arbeiten, egal wie dick das Bankkonto ist.

      Mit einem leichten Gong öffnete sich die Tür und Dr. Kanst eilte am Empfangstresen und der dort brennenden Kerzen mit einem leichten Gruß vorbei direkt in sein Büro.

      „Morgen!“, brummte der Psychologe.

      „Morgen Chef! Drei Termine abgesagt, einen verschoben und Herr Müller wäre dann jetzt soweit!“ Tina stöckelte auf ihren neuen Plateaustiefeln aus grauem Wildleder, welche über ihre Knie reichten, in einem schwarzen Strickkleid mit Zopfmuster hinter ihrem Chef her.

      Alex Kanst seufzte. Er war sich sicher, diesen Müller nicht mehr sehen zu müssen. Doch wenn es erst mal nicht sein Tag war, dann war es halt so.

      „Na gut, aber um 11 Uhr 5 muss ich noch einmal kurz weg!“

      „Um exakt 11 Uhr 5?“ Tina lachte.

      „Ja, so ist es und ich brauche einen sehr starken Kaffee. Ach ja, hier wäre noch eine Art Quittung, die bezahlt werden muss!“ Alex Kanst übergab sein Knöllchen an Tina.

      „Ja Chef, ein Strafzettel, von unseren Stadtscheriffs! Was ist bloß los?“ Tina schien sich köstlich zu amüsieren.

      „Tina, bezahlen und Herrn Müller!“

      „Klaar! Hihihi!“

      Frank Müller war mindestens zwei Meter groß. Schlank, schlaksig und hatte irgendwie das Mitgefühl von Alex Kanst. Insgeheim bezeichnete er ihn als den armen Kerl, der für vier Kinder nur zweimal Sex hatte.

      Tatsächlich hatte die kleine, sehr pummelige Frau von Frank ihm gleich zweimal Zwillinge geschenkt. Frank mochte diesen Passus wohl eher nicht, aber im Rahmen der Gespräche nutze Dr. Kanst öfters den Passus, um die eigentliche Situation von Frank Müller etwas in ein besseres Licht zu rücken.

      „Herr Doktor, das Wochenende war die Hölle! So kann ich nicht mehr weiterleben!“ Frank Müller zitterte am ganzen Körper. Dies tat er heute, und eigentlich an jedem Montagmorgen. Die Aufgabe von Alex Kanst bestand darin, ihn in einer Sitzung wieder fit für die Woche zu machen. Meist gelang ihm das, vor allem, weil Frank sich


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