Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland
Lohnkillers, den man für Dutzende von Morden im Umfeld der Drogensyndikate verantwortlich machte. Das einzige, was man definitiv über ihn wusste, war, dass es sich um einen exzellenten Motorradfahrer handeln musste. In sämtlichen Mordfällen, die mit ihm in Verbindung gebracht wurden, hatten Motorräder eine Rolle gespielt.
Daher auch der Spitzname, den man ihm gegeben hatte.
Seit Jahren stand er auf der Fahndungsliste, aber bislang gab es keinen viel versprechenden Ermittlungsansatz.
„Ich weiß aus sicherer Quelle, dass der Road Killer zurzeit in New York ist“, eröffnete Mendoza.
„Von wem haben Sie das?“, hakte ich nach.
„Kann ich Ihnen nicht sagen, sonst beträgt meine Lebenserwartung noch eine halbe Stunde oder so.“ Er grinste. „Sie kennen das Spiel doch, Agent Trevellian. Aber wenn Sie die Quelle auch nicht kennen, so müssen Sie doch zugeben, dass ich Ihnen noch nie Mist erzählt habe!“
„Ich nehme an, der Road Killer ist aus beruflichen Gründen hier in New York“, schloss Milo.
„So ist es.“
„Wissen Sie Näheres darüber?“
Mendoza nickte. „Wo denken Sie hin? Er hat angeblich einen Auftrag. Mehr weiß ich nicht. Aber an Ihrer Stelle würde ich diesen Hinweis sehr ernst nehmen. Ich wäre nicht zu Ihnen gekommen, wenn ich das nur für die üblichen Gerüchte halten würde. Was ist mit dem Bonus?“
„Ob wir Ihnen mehr zahlen können, hängt davon ab, ob sich das ganze wirklich als heiße Spur erweist, Mister Mendoza“, schränkte ich ein. „Sie wissen ja, dass sich die Beträge für Informanten in einem engen Rahmen bewegen.“
Er setzte sich den Helm wieder auf.
Für ihn schien die Unterhaltung mehr oder weniger beendet zu sein.
Ich trat etwas näher an seine Harley heran. „Einen Moment noch, Mister Mendoza.“
Er klappte das Visier hoch.
„Ich muss dringend wieder zurück in den Big Apple. Termine – Sie verstehen?“
„Ich dachte, die Arbeitszeit eines Barkeepers im Latin Pop beginnt nicht vor dem frühen Abend“, wandte ich ein.
„Man hat ja auch noch ein Privatleben, Agent Trevellian!“
„Oder Geschäfte, die nebenbei laufen und es einem Barkeeper ermöglichen, sich eine Harley zu leisten?“
Er lachte. „Mit Verlaub, aber das geht Sie nichts an. Im Übrigen bin ich einfach nur ein sparsamer Mensch.“
„Natürlich…“
„Das meine ich vollkommen ernst!“
„Wie frisch ist die Information? Das werden Sie mir doch sagen können, ohne Ihre Quelle zu verraten?“
„Ich habe gestern Abend davon erfahren. Meine Quelle erfuhr maximal einen halben Tag früher davon. Und jetzt rechnen Sie mal schön, ob Ihnen das noch frisch genug ist!“
„Wir sprachen ja gerade über Gerüchte.“
„Ja?“
„Man redet davon, dass sich angeblich ein neuer Anbieter auf dem Drogenmarkt etablieren will. Ist da was dran?“
Er zuckte die Achseln. „Ich habe auch schon davon gehört, Agent Trevellian. Aber was davon jetzt den Tatsachen entspricht, davon habe ich keine Ahnung. Eigentlich müssten dann die Straßenpreise für Heroin ins Bodenlose fallen, aber das tu sie nicht. Also wenn eine derartige Aktion geplant, kann sie meiner Ansicht nach noch nicht begonnen haben.“
„Verstehe.“
„Nur das mit dem Road Killer, das ist ziemlich sicher – und wenn Sie beide Puzzleteile zusammenbringen, dann ergibt das doch ein Bild, das Sinn macht, finde ich!“
Er klappte das Visier herunter. „Ich melde mich, wenn ich mehr weiß!“, versprach er und brauste mit durchdrehendem Hinterreifen davon. Er drehte das Gas voll auf und raste mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf die Ausfahrt zu. Wenig später fuhr er die Küstenstraße zurück in Richtung der Grenze zwischen Connecticut und New York State.
„Man sollte ihm die Fahrerlaubnis wegnehmen!“, meinte Milo. „Der Kerl ist doch gemeingefährlich!“
Ich wandte den Blick in Richtung meines Kollegen und fragte: „Sprichst du jetzt von Mendoza oder dem Road Killer?“
Milo machte eine wegwerfende Handbewegung. Wir stiegen in den Sportwagen ein. Schließlich fragte er: „Was hältst du von er Story, die uns Mendoza erzählt hat?“, fragte Milo.
„Mehr als ein Tipp war das nicht – aber bislang konnte man sich auf Mendoza immer verlassen. Wir tun also gut daran, diesen Hinweis ernst zu nehmen.“
„Ich kann diesen Wichtigtuer nicht leiden!“
„Wenn bestimmt, was er sagt, haben wir in nächster Zeit jede Menge Arbeit im Field Office, Milo. Ein auswärtiges Syndikat schickt einen Profi-Killer, der die Konkurrenz aus dem Weg räumen soll… Ich hoffe, dass Mendoza sich geirrt hat!“
3
Brad Mendoza jagte mit seiner Harley die Küstenstraße entlang. Zurzeit war nur wenig Verkehr.
Die Nebelschwaden über dem Long Island Sound zogen jetzt nach und nach in die Uferzone. Normalerweise konnte man von hier aus die Silhouette von Queens sehen. Aber jetzt war da nichts weiter als eine hellgraue, undurchdringliche Wand.
Und die ersten Schwaden zogen nun auch über die Straße. Die Sichtweite sank innerhalb kurzer Zeit dramatisch.
Mendoza drosselte die Geschwindigkeit.
Der Nebel wurde rasch dichter. Bald fuhr er in ein graues Nichts hinein. Selbst die Küstenlinie war kaum noch zu erkennen. Die Bäume am Straßenrand waren nur noch dunkle, drohende Schatten. Auf dreißig bis vierzig Yards schätzte er die Sichtweite. Ein Truck kam ihm donnernd entgegen. Er war erst in letzter Sekunde zu erkennen und tauchte düsterer, übermächtiger Schatten aus dem Nebel heraus.
Im Rückspiel sah Brad Mendoza zwei Lichter herannahen. Ein Geländewagen schloss mit ziemlich hoher Geschwindigkeit zu ihm auf, hielt sich dann aber hinter ihm.
Die schlechte Sicht zwang Brad Mendoza dazu, die Geschwindigkeit noch etwas weiter abzusenken. Einfach ins Nichts hineinzurasen war selbst ihm zu riskant, obwohl er ansonsten stets dazu neigte, sich als Fahrer zuviel zuzutrauen.
Der Geländewagen scherte plötzlich auf die Gegenfahrbahn aus, beschleunigte und zog dann wieder nach rechts. Dabei touchierte er die Harley. Mendoza verlor die Kontrolle über das Motorrad, brach seitlich aus und geriet von der Fahrbahn.
Ehe er bremsen konnte, knallte die Harley gegen einen der zahlreichen Bäume, die an der dem Ufer abgewandte Seite der Fahrbahn zu finden waren.
Der Geländewagen hielt mit quietschenden Reifen.
Ein Mann stieg aus.
Er trug eine Mütze mit der Aufschrift WINNER. In der Linken schwang er einen Baseball-Schläger.
Brad Mendoza lag in verrenkter Haltung auf dem Boden.
Er stöhnte auf, war aber zu schwer verletzt, um sich aufzurappeln. Der Mann mit der WINNER-Mütze näherte sich.
Er verzog das Gesicht, als er Mendoza in seiner Blutlache liegen sah. Der Verletzte schaffe es, den Helm vom Kopf zu nehmen. Er keuchte, rang nach Luft und versuchte, die Blutung am Bein stillen.
Dann sah er den Mann mit der WINNER-Mütze auf sich zukommen. Er stierte ihn gläubig an. Mendoza hob abwehrend die Hand.
„Nein!“, schrie der Verletzte mit heiserer, schwacher Stimme. Er versuchte die letzten Kräfte zu mobilisieren.
Vergeblich.