Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland
hat er nichts mitbekommen und außerdem schien er mir ziemlich fix und fertig zu sein.“
„Dieser Montgomery hat nicht versucht, Mendoza zu helfen, als er ihn gefunden hat?“
Branson schüttelte den Kopf. „Er hielt ihn für tot. Wir haben aber trotzdem den sicherheitshalber Notarzt verständigt. Schließlich wollten wir uns nicht auf die Einschätzung deines Laien verlassen. Ich kann Ihnen sagen, da habe ich schon die dollsten Dinger erlebt…“
6
Wir setzten uns telefonisch mit Mr McKee in Verbindung und erstatteten ihm Bericht.
„Bleiben Sie an der Sache dran, bis wirklich ausgeschlossen ist, dass es sich um einen Mord handelt“, ordnete unser Chef an. „So lange das nicht der Fall ist, betrachten wir den Unfall als Teil des Road Killer-Falls.“
„Ja, Sir“, bestätigte ich.
„Sie haben im Übrigen jetzt alle Freiheiten, im Umfeld von Mister Mendoza zu ermitteln – auch was seine mögliche Quelle angeht. Schließlich besteht ja jetzt nicht mehr die Möglichkeit, dass wir ihn in Gefahr bringen.“
Im Verlauf der nächsten zwei Stunden trafen unsere Kollegen Sam Folder und Mell Horster ein. Die beiden Erkennungsdienstler suchten insbesondere nach Spuren eines eventuell vorhandenen zweiten Verkehrsteilnehmers, der an dem Unfallgeschehen beteiligt war.
Bevor der tote Mendoza abtransportiert wurde, durchsuchten wir noch einmal gründlich seine Taschen. Dann nahmen wir uns das Handy vor und überprüften mit Hilfe unseres Online-Anschlusses im Sportwagen die im Menue gespeicherten Nummern.
Es waren viele Nummern von Prepaid-Handys darunter, die sich keinem Vertragsnehmer zuordnen ließen und daher gerne benutzt wurden, wenn der Betreffende in jeder Hinsicht anonym bleiben oder sich vor Abhörmaßnahmen durch die Polizei schützen wollte.
Die Nummer, die er zuletzt angerufen hatte, gehörte einem Handy, dessen Vertrag unter dem Namen Rita Clemente abgeschlossen worden war, wie wir schnell über unseren Rechner im Sportwagen ermitteln konnten.
Die Adresse war interessant.
Sie stimmte mit dem Apartment überein, das Mendoza in Spanish Harlem bewohnt hatte.
„Vielleicht seine Freundin!“, vermutete Milo.
„Wir sollten uns mit ihr unterhalten – ganz gleich, was jetzt bei dieser Untersuchung herauskommt und ob wir es nun mit einem Verkehrsunfall oder einem Mordanschlag zu tun haben.“
Milo stimmte mir in dieser Hinsicht zu.
Aber schon wenig später hatten unsere Erkennungsdienstler herausgefunden, dass es an Mendozas Harley verdächtige Lackspuren gab.
„Wir müssen natürlich genauere Untersuchungen abwarten“, meinte Mell Horster. „Aber es scheint sehr wahrscheinlich zu sein, dass das Motorrad von einem anderen Fahrzeug touchiert wurde und dies die Ursache des Unfalls war.“
„Dann handelt es sich auf jeden Fall um Fahrerflucht“, stellte Milo fest.
„Oder um Mord!“, ergänzte ich. „Vielleicht war Mendoza doch nicht vorsichtig genug. Es ist ihm jemand gefolgt, hat beobachtet, wie er sich mit uns traf und später dafür gesorgt, dass ein Informant ausgeschaltet wird!“
„Bis jetzt ist das noch reine Spekulation, Jesse!“, gab Mell Horster zu bedenken. „Das einzige, was in diese Richtung weist, ist die Lage der Lackspuren. Sie sind auf der rechten Seite des Motorrads.“
Ich hob die Augenbrauen. „Das bedeutet, dass der unbekannte Fahrer Mendozas überholt haben oder es zumindest versucht haben muss!“
Branson schüttelte den Kopf. „Wer so etwas tut, muss wahnsinnig sein! Sehen Sie sich diese Nebelsuppe an! Wer da überholt, ist doch lebensmüde.“
„Wenn der Unbekannte Mendozas Harley von hinten erwischt hätte, würde man annehmen, dass er ihn im Nebel übersehen hat – aber nicht wenn der Zusammenstoß ganz offensichtlich von der Seite stattfand“, erklärte Mell Horster.
„Der Unbekannte könnte überholt haben und dann plötzlich auf Gegenverkehr gestoßen sein, der ihn zwang sofort wieder auf die linke Fahrbahn zurückzuziehen“, sagte Milo.
„Wir werden die Straße auf Bremsspuren, Reifenprofilen und so weiter untersuchen müssen“, kündigte Mell an.
„Dann sollten wir uns auch noch einmal die Umgebung des Parkplatzes genauer ansehen, auf dem wir uns mit Mendoza getroffen haben“, schlug ich vor. „Wenn es nur ein Unfall mit Fahrerflucht war, werden wir dort kaum etwas finden. Aber wenn es sich um geplanten Mord handelt, dann wird der Täter uns dort wahrscheinlich vorher beobachtet haben!“
7
Für Milo und mich gab es zunächst am Tatort nichts mehr zu tun. So fuhren wir die paar Meilen zurück zu dem Parkplatz, auf dem das kurze Treffen mit Mendoza stattgefunden hatte. Wir stiegen aus.
„Wo könnte sich jemand postiert haben, um uns zu beobachten?“, fragte ich.
Milo deutete mit ausgestrecktem Arm zur Böschung, die die Küstenstraße begrenzte. Dort waren einige Sträucher, hinter denen sich jemand hätte verbergen können. „Versetz dich mal in die Lage eines potentiellen Verfolgers. Er hat gesehen, dass Mendoza auf den Parkplatz abbog. Also wird er seinen Wagen irgendwo in der Nähe abgestellt haben, ist dann zu Fuß bis zur Böschung gegangen und hat uns beobachtet!“
„Sehen wir einfach mal nach, Milo!“
Wir stiegen die Böschung empor und sahen uns an den Stellen um, die uns als geeignete Beobachtungsposten erschienen. An einer Stelle waren Gras und Sträucher niedergetreten. Ein Indiz für die Anwesenheit eines Menschen – mehr aber auch nicht. Hundert Yards entfernt gab es an der dem Meeresufer abgewandten Straßenseite eine Stelle am Straßenrand, wo zweifellos ein Wagen für einige Zeit abgestellt worden war. Wir fanden einen Reifenabdruck und telefonierten mit unseren Erkennungsdienstlern, damit die Spur gesichert werden konnte.
Ich hatte Sam Folder am Apparat.
„Wir haben hier inzwischen auch ein paar Reifenspuren gefunden“, berichtete er mir. „Die Hypothese, dass Mendoza abgedrängt wurde, scheint sich zu erhärten. Es gibt noch ein weiteres interessantes Detail.“
„Und das wäre?“
„Es gibt Anzeichen dafür, dass der Unbekannte keineswegs einfach davon gefahren ist. Er hat auf jeden Fall stark abgebremst und sich vielleicht sogar angesehen, was er angerichtet hat. Aber Genaueres können wir wahrscheinlich frühestens Morgen sagen, wenn wir alle Erkenntnisse ausgewertet haben. Im Moment suchen wir noch nach Fußspuren. Der Täter könnte ausgestiegen sein und sich erst dann zur Fahrerflucht entschlossen haben, als er merkte, dass er einen Menschen auf dem Gewissen hatte!“
8
Es war später Nachmittag, als wir nach New York City zurückkehrten und Mendozas Wohnung in East Harlem aufsuchten. Sie lag im dritten Stock eines Brownstone-Hauses.
Es war ein Haus der mittleren bis unteren Kategorie. Zwar gab es einen funktionierenden Fahrstuhl, aber dafür so gut wie keine Sicherheitsvorkehrungen. Nur im Eingangsbereich befand sich eine Überwachungskamera, wobei ich mich fragte, wer sich deren Bilder überhaupt ansah. Von einem privaten Sicherheitsdienst war nämlichch weit und breit nichts zu sehen.
Wir klingelten an der Wohnungstür und eine junge Frau mit seidigem, bis über die Schultern fallendem, schwarzem Haar und dunklem Teint öffnetet uns.
„Jesse Trevellian, FBI“, stellte ich mich vor und zeigte ihr meinen Dienstausweis. Anschließend deutete ich auf Milo. „Dies ist mein Kollege Agent Tucker. Ich nehme an, Sie sind Rita Clemente?“
„Ja“, nickte etwas irritiert. „Woher kennen Sie meinen Namen und was wollen Sie hier?“