Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018. Cedric Balmore

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Ich gehe hinunter und hole Ihre Notfalltasche. Soll ich das Fenster schließen?“

      Er schüttelte kaum merklich den Kopf.

      Sie lief nach unten, fand die Notfalltasche auf Anhieb und kehrte wieder nach oben zurück. Unterwegs überlegte sie, ob es sich wirklich nur um einen grippalen Infekt handelte. Das Fieber erschien ihr einfach zu hoch dafür. Und sie wusste, dass sehr viele Infektionen mit Halsentzündungen begannen. Es musste also nicht unbedingt ein grippaler Infekt sein.

      In der Notfalltasche fand sie Aspirin, nahm zwei Tabletten, löste sie in Wasser auf und ließ es ihn trinken. Sie nahm ein großes Glas und sagte: „Immer nur ein paar Schlucke, eine halbe Stunde lang.“

      Sie kannte es von ihm, und er lächelte, weil sie seine Methode anwandte, die davon abging, ein Aspirin mit einem kleinen Schluck Wasser mit einem Mal hinunterzuspülen, was die Wirkung verminderte.

      Sie hoffte, das Fieber damit etwas zu senken, forschte aber noch immer nach der wirklichen Krankheit.

      Er hatte jetzt die Augen geschlossen und den Kopf zur Seite gewandt. Sie nutzte die Gelegenheit, um ihn genau zu betrachten, leuchtete sogar, als sie glaubte er schliefe, mit der Taschenlampe sein Gesicht ab, danach seinen Hals, suchte nach einem Exanthem, aber sie fand nichts.

      Er schien jetzt wirklich zu schlafen. Sie nahm das Stethoskop aus seiner Notfalltasche und begann ihn an der Brust abzuhören. Sie konzentrierte sich auf all das, was sie darüber gelernt hatte.

      Das Herz schien kräftig, trotz allem.

      Der Puls war so rasch, wie es der hohen Temperatur entsprach.

      Das Fieber muss runter, dachte sie. Und mit den Wadenwickeln und der Aspirin wird mir das auch gelingen. Aber was steckt noch in ihm? Wirklich nur diese Infektion im Hals? Das kann es nicht sein.

      Über dem Abhören wurde er wieder wach.

      „Was ... was ist los?“, fragte er verwirrt.

      „Ich haben nur ihre Herztöne abgehört und ihre Atmung kontrolliert. Sie haben auch eine schöne Bronchitis.“ Und in diesem Augenblick, als sie das sagte, fiel ihr etwas ein. Sie hatte das Stethoskop noch umhängen. Sie steckte die Enden wieder in die Ohren und sagte: „Atmen Sie doch mal tief durch! Halten Sie die Luft an! Jetzt ausatmen.“

      Er tat alles, was sie verlangte. Und da war sie jetzt sicher. Keine Bronchitis. O nein. Er hatte eine ausgewachsene Bronchopneumonie, eine Lungenentzündung also.

      Wie zur Bestätigung musste er plötzlich husten. Dieses tiefe Atmen hatte das wohl bewirkt. Und als er hustete, beugte er sich zur Seite, nahm hastig ein Taschentuch. Er wollte verbergen, wie der Auswurf aussah. Aber sie sah es doch. Ziegelrot. Der Beweis.

      Ihm brach der Schweiß aus. Er schob das Überbett von sich.

      „Ich werde Professor Winter informieren, dass er herkommt“, erklärte sie. „Sie haben eine Bronchopneumonie. Das ist kein Spaß. Ich brauche Tetracyclin, um sie zielsicher zu behandeln.

      Sie wollte zum Telefon gehen, aber plötzlich fühlte sie einen eisernen Griff seiner linken Hand an ihrem rechten Unterarm.

      „Nein. In der Notfalltasche ... ganz rechts im Seitenfach ... Ledermycin, Ledermycin 300. Das genügt.“

      Sie wusste, dass Ledermycin 300 ein Tetracyclin war, wirksam gegen die diese Lungenentzündung auslösenden Strepto- und Staphylokokken. Auch die Pneumokokken, die eigentlichen Auslöser, wurden vom Tetracyclin erreicht und vernichtet.

      Es kam darauf an, sofort mit der Behandlung zu beginnen.

      Sie nahm das Ledermycin, holte ein Glas mit etwas Wasser und gab ihm zu trinken, dass er die Tablette schlucken konnte. Als die rote Tablette hinunter war, nahm sie ihm das Glas aus der Hand. Jetzt folgte dem Schwitzen von eben ein Schüttelfrost. Auch ein typisches Zeichen für eine Lungenentzündung.

      Sie konnte jetzt nur hoffen, dass nicht noch andere Erreger mitspielten. Zum Beispiel die gefährlichen Viren für eine Grippepneumonie, die gefährlichste der Lungenentzündungen, die es gab. Oder resistente Erreger, wie den Friedländer-Bazillus, den man sehr schwer mit Antibiotikum erreichen konnte.

      Als er wieder die Augen schloss und geschwächt einzuschlafen schien, nahm sie das Taschentuch, das neben dem Kopfkissen lag, um den Auswurf zu sichern. Der musste untersucht werden.

      Sie wickelte ihn in eine Papierserviette, die sie drüben auf dem Tisch liegen sah, und steckte das in ihre Tasche.

      Was er jetzt brauchte, war Flüssigkeit. Aber vorher beschloss sie noch seinen Blutdruck zu messen, der häufig bei Pneumonien stark abfiel. Sie musste dann nach einem Kreislaufmittel suchen. Vielleicht hatte er so etwas in seiner Notfalltasche. Ganz sicherlich. Und sie brauchte auch Digitalis, um sein Herz zu stärken. Einen wirksamen Hustensaft musste sie auch besorgen. Aber das war noch nicht so eilig. Offensichtlich hustete er nicht sehr stark. Stattdessen sollte sie lieber für eine Medizin sorgen, die das Sekret in den Bronchien verflüssigte.

      Draußen begann es zu regnen. Die Tropfen fielen aufs Fensterbrett, sodass Doris das Fenster schließen musste.

      Als sie sicher war, dass er nun wirklich schlief und weder von Schüttelfrost noch von Schweißausbrüchen gequält wurde, ging sie auf den Flur. Dort hatte sie ein Telefon gesehen. Sie schloss die Tür zu dem Zimmer, in dem er lag, und wählte die Nummer der Klinik. Sie ließ sich mit Professor Winter verbinden und hatte Glück. Er war tatsächlich da und meldete sich selbst.

      Sie erzählte ihm, wie sie Dr. Graf angetroffen hatte und was sie gegen seine Krankheit tun wollte.

      „Ich werde sofort kommen“, erklärte Winter.

      „Aber er wollte es nicht. Ich sollte Sie nicht anrufen, ich tue es heimlich.“

      „In Ordnung, ich komme trotzdem. Ich werde dreimal kurz klingeln. Da wissen Sie, dass ich es bin. Ich habe die Adresse. Ich bin in wenigen Minuten bei Ihnen.“

      Er hielt Wort. Sein Regenmantel war trotz des kurzen Weges zum Auto und vom Wagen bis zur Haustür völlig nass.

      Er hängte ihn draußen achtlos hin und ging direkt zum Bett des Patienten.

      Dr. Graf war wieder halbwegs wach und schnatterte vor Kälte mit den Zähnen.

      Doris hatte ihm für diesen Fall eine Wärmflasche gemacht, die sie ihm rasch gab, bis dieser Schüttelfrostanfall nachlassen würde.

      „Wie sieht der Blutdruck aus?“, fragte Winter und lächelte Wieland Graf zu.

      „Wieso ... wieso ist er hier?“, fragte Graf, der sich offensichtlich seiner armseligen Wohnungseinrichtung zu schämen schien. „Warum haben Sie ihn hergeholt, Schwester Doris?“

      Weder Doris noch Winter gingen darauf ein. Doris erinnerte sich an die Frage nach dem Blutdruck und sagte: 110 zu 55.“

      „Typisch für diese Form der Pneumonie“, stellte Winter fest und zog ein eigenes Stethoskop aus der Tasche und hörte Graf ebenfalls ab.

      Doris fürchtete, er weder zu einem anderen Resultat kommen, aber es wäre ja letztlich egal gewesen, die Hauptsache für sie war, das Dr. Graf wieder gesund wurde. Und das konnte man erhoffen, wenn man eine einwandfreie Diagnose gestellt hatte. Zu ihrem Erstaunen sagte Winter:

      „Hundertprozentig richtig: Bronchopneumonie. Auch das Medikament ist gut. Haben Sie genug davon da?“

      „Es war eine volle Packung.“

      „Gut. Dann zweimal eine. Das reicht aus. Ich habe Digitalis mitgebracht. Und wie sieht das mit einem Kreislaufmittel aus?“

      „Hat er hier in der Notfalltasche gehabt. Ich habe ihm schon etwas davon eingeflößt.“

      „Sehr gut. Es wäre natürlich besser, ihn in der Klinik zu haben, aus hunderttausend Gründen. Aber mit dem Transport ist das in seinem Zustand so eine Geschichte. Ich würde Sie für morgen freistellen, wenn Sie sich um ihn kümmern, bis es ihm besser geht. Auch übermorgen, wenn es sein muss. Ich komme schon notfalls auch ohne Sie zurecht. Aber wir


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