Keinen Schritt zurück! - The sad story of brave Maggy Stuart. Florian Juterschnig
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Florian Juterschnig
KEINEN SCHRITT ZURÜCK! -THE SAD STORY OF BRAVE MAGGY STUART
© 2020 Florian Juterschnig
Umschlag, Illustration: Ingmar Hermann, Sophia Klefisch
Lektorat, Korrektorat: Charlotte Bensch
Umschlag, Illustration: Ingmar Hermann, Sophia Kelfisch
Verlag und Druck:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN | |
Paperback: | 978-3-347-15180-2 |
Hardcover: | 978-3-347-15181-9 |
e-Book: | 978-3-347-15182-6 |
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhalt
I. Teil – Entscheidungen
II. Teil – Auswege
III. Teil – Unruhe
IV. Teil – Unterwegs
V. Teil – Eintracht
VI. Teil – Ausmarsch
VII. Teil – Wenn alle untreu werden
VIII. Teil – In Ketten
IX. Teil – Aufblicken
Florian Juterschnig
KEINEN SCHRITT ZURÜCK!
THE SAD STORY
OF
BRAVE MAGGY STUART
I. Teil – Entscheidungen
Die Sonne stand hoch am Himmel über dem verschlafenen Küstendorf, während eine salzige Brise sanft vom Atlantik hereinblies. Hier an der friedlichen Südspitze von Bergen, inmitten von saftigen Wiesen und rauschenden Urwäldern, waren die Menschen entspannt, arbeitsam und gastfreundlich zugleich. Keine Spur der Unfreundlichkeit und Hektik großer Städte wie Strömstädt oder gar Smarberg. Die Bauern zogen aufs Feld, und die Schulkinder verbummelten sich vor der Gemischtwarenhandlung. Alles ging hier seinen gemächlichen Gang.
Aus der Ruhe kam hier selten jemand, nicht einmal der Krieg war zu spüren. So viele junge Männer hätte das Dorf aber auch gar nicht hergeben können. Eine Sache gab es jedoch, die die Bewohner von Warton in Freude wie Skepsis zugleich versetzte: Wenn die Mädchen aus dem nahen Schloss laut singend und hübsch uniformiert bei ihrem wöchentlichen Ausmarsch die Straße herunterliefen. Diese Mädchen wohnten dort schon seit einigen Jahren. Was sie dort trieben, das wusste niemand so genau. Sie lernten Politik, Anstand und gutes Benehmen, hieß es meistens, wenn man sie fragte. Um Schwierigkeiten mit den streng wirkenden Begleitern aus dem Weg zu gehen, fragte man allerdings selten genauer und winkte nur freundlich, wenn die kleinen Mädchen mit ihren Standarten und Fahnen vorbeizogen.
Auch an diesem Tag im Mai kamen sie wieder einmal durch das Dorf. In der vordersten Reihe, herausgeputzt in ihrem grau-braunen Uniformhemd, marschierte ein etwa elfjähriges Mädchen.
Sie war kleiner und schmächtiger als die anderen, aber dafür wirkte sie mit ihren strohblonden Haaren und ihren Sommersprossen um einiges fröhlicher. Sie war noch ein Kind, und ihr Name war Maggy, Maggy Stuart. Diesen etwas ungewöhnlichen Nachnamen erklärte sie immer gern. Denn er stammte von ihrem Vater, der aus dem fernen England gekommen war und in der Revolution mitgekämpft hatte, die nun schon so lange her war.
Der Trupp erreichte schließlich fröhlich singend wieder den Schlosshof. Gespannt traten sie in einer Linie an und warteten auf die Ansprache von Schwester Edda, welche sie mit einem amüsierten Lächeln schon zurückerwartet hatte. Zuerst sagte die Erzieherin, die mit ihrer Gewandung immer an eine Nonne erinnerte, gar nichts und ließ die Spannung steigen.
„Hervorragende Leistungen, meine Damen. Morgensport gut, Zimmer in Ordnung, eure Geschichten habe ich mir auch schon durchgelesen. Durchwegs ganz nette Erzählungen … ähm, Maggy, deine Arbeit habe ich nicht ganz verstanden. Ein Mann, der nicht am Tag und nicht in der Nacht, sondern nur im Schlaf sehen kann. Das klingt sehr albern; ich glaube, das hast du irgendwo abgeschrieben.“
Die Mädchen kicherten, Maggy wurde rot. Sie hatte das in aller Eile aus einem Bilderbuch abgeschrieben, um ihren Aufsatz noch rechtzeitig fertig zu bekommen.
„Solchen Unfug dulden wir hier normalerweise nicht. Das gibt noch ein ordentliches Nachspiel. Für den Moment allerdings soll uns das nicht belasten. Eure Klasse wurde ausgewählt, der Akademie am Gründungstag alle Ehre zu machen. Wir fahren in ein paar Tagen nach Smarberg. Seid euch der Verantwortung bewusst, bleibt anständig. Heute Etikette wiederholen, packen, sauber
herausputzen. Restliche Zeit zur freien Verfügung. Abgetreten!“
Wenig später hatten sich die Mädchen in der großen Schlossbibliothek eingerichtet. Es wurde Tee getrunken und auf dem Klavier herumgeklimpert, andere waren in ernsthafte Schachduelle vertieft. Maggy hatte mit ihrer besten Freundin Anne ein riesiges Sagenbuch auf dem Boden ausgebreitet, und sie verfolgten gespannt die Abenteuer alter bergischer Helden.
„Ich freue mich ja so auf die Hauptstadt! Wir dort, beim Armeehauptquartier, am Hafen und beim Großen Vorsitzenden!“ Anne sprühte vor Begeisterung. Maggy verdrehte die Augen, stand auf und imitierte mit ihren Fingern den bekannten Schnurrbart des Regierungschefs.
„Hoho, ich bin der Große Vorsitzende. Maggy, du darfst brav die Fahne tragen und nicht aus alten Büchern abschreiben.“ Anne begann, hysterisch zu lachen, die beiden kicherten so laut, dass sie prompt wütende Blicke aus der Richtung der Schachbretter erhielten. Anne grinste nur fröhlich, als eine ältere Schülerin auf die beiden zustürzte. „Findet ihr zwei Würmer es so lustig, unsere hart arbeitenden Führer aufs Korn zu nehmen? Jetzt in diesen harten Stunden des Krieges!“
„Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Kommt nie wieder vor.“ Maggy wandte ihren verhaltenen Blick zu Boden. Bedrückt schlichen die beiden zu einem der großen Fenster mit Aussicht auf die weite Seenlandschaft hinaus.
Anne wollte nun wissen, ob Maggy gedachte, ihre Familie zu treffen, wenn sie schon einmal wieder in die Hauptstadt zurückkam.
Maggy hatte sich ein wenig in die weitläufige Landschaft hineingeträumt. „Sie haben mich ja
sonst auch immer zu Kaffee und Kuchen eingeladen, ich bin sicher, am letzten Tag ist genug Zeit dafür.“ Im nächsten Moment wurde sie nachdenklich und fuhr plötzlich herum.
„Warte! Ich hab’s schon wieder vergessen!“ Sie eilte in ihr Zimmer. Auf dem Schreibtisch, welcher zwischen den Stockbetten eingezwängt am Fenster stand, lag das Paket von zu Hause mit den Haferkeksen, einer Postkarte und einer wunderhübschen silbernen Brosche. Daneben ein leerer Bogen Briefpapier. Maggy ärgerte sich über ihre eigene Vergesslichkeit. Sie ahnte, dass der Brief wohl nicht mehr rechtzeitig ankommen würde.
„Meine liebe Elisa, vielen Dank für deinen netten Brief und all die schönen Sachen, die du mir geschickt hast, besonders natürlich die Brosche.
Wie hab ich mich gefreut! Die Kekse habe ich natürlich mit den anderen geteilt. Nun ja, zumindest habe ich diesen Vorsatz.
In meinem ewigen Dussel habe ich nämlich fast vergessen zu antworten, ich hoffe dennoch, dass euch der Brief bald erreicht. Es gibt im Moment nicht allzu viel zu erzählen, außer dass ich fleißig Klavier übe und mit dem Reiten begonnen habe. Sonst spiele ich wie üblich