Hilflos den Erpressern ausgeliefert. G. S. Friebel

Hilflos den Erpressern ausgeliefert - G. S. Friebel


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Ihr Magen schien zu explodieren. Meta hatte ein Gefühl, als höbe sie sich aus dem Sessel. Du lieber Himmel, dachte sie bestürzt, ich bin doch nicht betrunken? Vorsichtig blickte sie den Mann an, den sie für den Hausherrn hielt. Aber er lächelte nur freundlich zurück. Also wirkte sie nicht irgendwie komisch.

      Decelle lachte innerlich.

      Du blöde Gans, nun bist du platt, was?, dachte er bei sich. Aber keine Sorge, heute wird dir noch kein Härchen gekrümmt. Noch ist es zu früh.

      Meta trank das Glas leer, und wenig später war es wieder gefüllt. Sie war betrunken und fühlte sich ganz seltsam, aber das lag nicht allein an dem Glühwein; denn es war ein wenig Rauschgift untergemischt worden. Sie sah den Mann, seine Hände, die sie unaufhörlich streichelten. Oder vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Es hatte sie noch nie jemand gestreichelt. Meta war nicht nur betrunken, sondern sie hatte auch einen kleinen Rausch. Da man ihr aber das erste Rauschgift in Verbindung mit Alkohol verabreicht hatte, empfand sie sofort ein wohliges Gefühl, und nicht ein schales, schreckliches, wie es sonst oft bei Neulingen war.

      Da jeder Mensch eher unangenehme Dinge verdrängt als angenehme, ist dem Chippy, also dem Anfänger mit Rauschgift, nicht sofort eine Glücksreise beschieden, im Gegenteil, er macht zuerst so etwas wie ein Fegefeuer durch. Erst später, wenn er es wiederholt versucht, erlebt er ein künstliches Paradies.

      Bei Meta aber waren alle Konturen verschoben. Und sie wusste nicht mehr, ob es Wirklichkeit oder Traum war. Sie fühlte sich nur wohl, glücklich. Und dabei widmete sich Victor ihr nur ein wenig. Er schlief nicht einmal mit ihr in dieser ersten Nacht, obgleich er das hätte spielend tun können. Denn sie hatte ja keinen eigenen Willen mehr.

      Aber warum sollte er? Warum sich unnötig anstrengen? Nach einer knappen halben Stunde wusste er bereits, dass er es mit einem einsamen, verstörten Menschen zu tun hatte. Ein wenig Zärtlichkeit am Anfang, und sie würde ihm aus der Hand fressen.

      Victor verstand es, die Menschen richtig einzuschätzen. So amüsierte er sich und überlegte, ob er die kleine Emilie vernaschen sollte. Sie war viel jünger und pikanter. Und diese hockte in ihrer Ecke und blickte ihn immer wieder groß an, so als wolle sie sagen: »Warum nimmst du mich nicht? Lass doch die blöde Schachtel in Frieden.«

      Emilie war eine Eintagsfliege wie Gitti. Sie würde nicht viel einbringen und nur ein Esser mehr in der Familie sein. Sie würde sich an ihn klammem und ihm vielleicht lästig werden. Nein, er hatte an Gitti genug. Wenn sie nicht mehr arbeiten wollte, würde er sie abschieben, oder sie musste hier niedrige Dienste leisten. Im Gegensatz zu den meisten Kommunen und Großfamilien, wo Reinlichkeit oft nicht groß geschrieben wird, herrschte hier ein ganz anderes Klima. Ja, Victor hatte es sogar geschafft, mit wenigen Mitteln das Haus gut einzurichten. Auf Bequemlichkeit wollte er auch jetzt nicht verzichten. Und vor allen Dingen sorgte er dafür, dass sie nicht unangenehm auffielen. Nur dann würde die Polizei auf sie aufmerksam werden. Und das durfte auf keinen Fall geschehen. Nicht nur, dass hier gestohlene Ware lagerte, hier war auch für die nächste Großstadt der Umschlagplatz für Rauschgift. Alles ging über Victor.

      Und jetzt hatte er sich dieses Mädchen an Land gezogen. Sie würde ihm insofern nützlich sein, als sie ihm sehr bald hörig sein würde und alles tun würde, was er von ihr verlangte. Sie konnte ihm in Zukunft jeden Tipp geben, den er für seine Organisation brauchte.

      Atze tauchte auf, Stroh im Haar, und gähnte.

      »Kann mich nicht mal jemand ablösen? Ich will pennen. Mir ist das da draußen zu zugig.«

      »Los, Ewald, du bist jetzt an der Reihe!«, sagte Victor scharf.

      Dieser maulte ein wenig, weil er sich gerade mit Emilie angefreundet hatte und zum Zuge kommen wollte.

      »Los, ich habe gesagt, du musst jetzt gehen!«

      Er zog mürrisch ab. Atze wollte seinen Platz einnehmen.

      »Und dass du sie mir nicht anrührst, verstanden?«

      »Für dich reserviert?«, gab er zurück.

      Sie alle wussten, wenn ein neues Mädchen eintraf, durfte erst der Gründervater mit ihr schlafen. Erst wenn er keinen Gefallen mehr an dem Mädchen zeigte, dann durften die anderen Mitglieder das Mädchen übernehmen. Hier herrschten strenge Regeln, und keiner wagte dagegen zu verstoßen.

      Meta konnte später nicht mehr sagen, wie lange sie eigentlich in diesem merkwürdigen Bauernhaus gewesen waren. Ihr war, als wäre der Film gerissen. Als sie wieder zu sich kam, da standen sie schon vor ihrem Haus.

      Emilie machte auch einen schläfrigen Eindruck. Victor hatte sie in ihrem Wagen heimgefahren, und Atze hatte ihn dann wieder mit zurückgenommen.

      Sie gingen schlafen. Zum Glück war der nächste Tag ein Samstag. So brauchten sie nicht zur Arbeit zu gehen und konnten sich ausschlafen.

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