Mord-Art. Sigrid Drübbisch
gewählt, da kannst du ja die schönsten Sonnenuntergänge genießen.“
„Meine Familie hat alles ausgesucht. Ich bin schon ganz gespannt.“
„Du wirst begeistert sein. Ich muss weiter, damit die Insel sauber bleibt. Hier ist immer was zu tun. Nicht wie bei euch in der Großstadt.“
„Ja, sicher.“ Karla schüttelte den Kopf. „Tschüss Piet, bis bald.“
„Mach’s gut, Karla.“ Der lange Piet schwang sich auf sein Rad und fuhr in Richtung Hafen.
Karla zahlte. Gemächlich schlenderte sie über den Sandwall, schaute sich das Sortiment in den netten Boutiquen an, kaufte ein paar frische Lebensmittel und lief zurück zum Auto, um ihr Ferienquartier anzusteuern.
2. Preisträgerinnen
– Föhr, Wyk; Mittwoch –
Violetta und Lena saßen bei Fietis in der Mittelstraße und bestellten Lachs. Sie liebten dieses Restaurant. Es war für sie in Wyk das beste. Sie stießen mit einem Glas Prosecco auf ihren Erfolg an. Allerdings war die Freude bei Violetta etwas getrübt.
„Mensch, Violetta, jetzt freu dich doch endlich mal über unseren Erfolg. Immerhin hast du den 1. Kunstpreis im Märkischen Museum Witten gewonnen.“ Lena knuffte Violetta, um sie aufzumuntern. Violetta stützte ihren Kopf in ihre Hände und schaute Lena traurig an.
„Wenn diese Neider nicht wären, die uns den Erfolg nicht gönnen und uns alles mies machen würden, dann könnte ich mich wirklich freuen. Und diese schreckliche Hetze im Netz. Ich darf gar nicht daran denken …“
Jetzt wurde Lena energisch, klemmte ihre blonden Locken hinter die Ohren und drückte die Hand ihrer Freundin.
„Dann lass es doch. Was störst du dich daran? Wir sind mit einer Ausstellung im Dörpshus in Nieblum und vor allen Dingen im Föhrer Kunstmuseum gemeinsam mit namhaften Künstlern vertreten. Du weißt, dass das ein Privileg ist?“
Violetta nickte und nippte an ihrem Glas. „Genau, und sie werden es uns noch mehr neiden.“
Lena setzte sofort noch einen drauf: „Und, meine Liebe, erinnerst du dich? Die Galerie Luzia Sassen hat uns aufgenommen, will uns in ihrer Galerie in Köln ausstellen und unsere Arbeiten auf allen nationalen und internationalen Messen zeigen. Ist das etwa nichts? Wenn das keine Anerkennung ist, dann weiß ich es auch nicht. Ob die anderen neidisch sind oder nicht, was stört uns das. Wir sind hier, um unseren Erfolg zu feiern. Das haben wir verdient. Schließlich haben wir dafür hart gearbeitet.“
„Ja sicher, wir haben hart gearbeitet … Aber der Museumsfunk hat geflüstert, dass wir den 1. und 2. Kunstpreis nur abgesahnt haben,weil wir dem Stifter auf dem Schoß gesessen haben.“
„Jetzt hör auf! Sonst werde ich richtig sauer!“, wies Lena sie zurecht.
„Vielleicht bin ich naiv. Ich begreife nicht, dass man sich so untereinander zerfleischen muss. Okay, Kunst ist ein hartes Geschäft, die Konkurrenz ist groß. Jeder will sein Schäfchen ins Trockene bringen, vor allen Dingen, wenn es dein Broterwerb ist. Die reichen Künstler mit ihren Mäzenen, die können sich viele Sperenzkes9 leisten, wir nicht. Wir müssen dafür richtig was tun. Aber die Kunst ist nicht nur Broterwerb, sondern auch Leben und Leidenschaft.“
„Besser hätte ich es nicht sagen können.“ Lena schaute Violetta nachdenklich an. Beide versprachen, zumal sie sich schon seit der Kindheit kannten, sich aus diesem Machtgehabe rauszuhalten, ihre Leidenschaft vor die bösartige Konkurrenz zu stellen und weiterhin zielsicher ihren Weg zu gehen.
Der nette Chefkoch vom Fietis kam an den Tisch und wollte den leckeren Lachs servieren.
„Meine Damen, was ist los? Jetzt gibt es was für den Gaumen. In meinem Lokal wird kein Trübsal geblasen. Lassen Sie es sich schmecken!“
Lena und Violetta erschraken, schauten den Chefkoch verdattert an und konnten endlich wieder lächeln.
„Du hast ja recht, wir genießen jetzt das Essen und versuchen, die Geschehnisse zu vergessen und auf unsere Erfolge zu schauen.“
„Das hört sich schon besser an. Guten Appetit. Mhm, das riecht schon so lecker.“ Lena prostete ihrer Freundin zu und Violetta erhob ebenfalls ihr Glas.
In aller Ruhe genossen sie das Menü, während draußen der Wind kräftig durch die Straßen fegte. Sie schmiedeten Pläne, plauderten über die gelungene Vernissage im Föhrer Kunstmuseum und freuten sich auf die Eröffnung der Ausstellung am Donnerstag im Dörpshus.
Fast gleichzeitig legten sie anschließend ihr Besteck auf den Teller und rieben sich die Bäuche.
„War das gut“, ließ Violetta verlauten. Dabei schüttelte sie ihre langen schwarzen Haare und ihre grüngrauen Augen schimmerten im Sonnenlicht. Schon griff sie wieder zur Speisekarte.
„Lena, ein Dessert? Was Süßes geht doch immer? Oder?“
„Na klar. Und ein Prosecco ebenfalls“, grinste Lena.
Der Chef vom Fietis verstand sofort und nahm die Bestellung auf.
„Und eins sage ich dir. Nach dem Essen machen wir eine Strandwanderung, sonst werde ich noch dick und fett.“
„Ist schon gut“, besänftigte Lena ihre Freundin. „Ich bin dabei.“
3. Urlaub
– Föhr, Utersum; Mittwoch –
Mit Blick nach draußen, eingewickelt in eine dicke Decke, lag Karla müde auf dem Sofa in ihrer Ferienwohnung. Die Terrassentür hatte sie geöffnet. Eine kühle Brise wehte herein, die ihr guttat. Von der Couch aus konnte sie das Meer sehen. Links schaute sie auf Amrum, rechts lag Sylt mit dem blinkenden Leuchtturm vor ihr. Der Himmel zeichnete mit verschiedenen Rottönen ein grandioses Naturereignis direkt vor ihren Augen.
Sie rief Dirk an.
„Na, bist du fertig mit baden?“
„Oh ja, jetzt liege ich auf der Couch vor dem Fernseher und lasse mich berieseln.“
„Ich kann es mir vorstellen. Dem Anschein nach geht es dir ohne mich gut.“
„Wie man es nimmt, im Augenblick sieht es danach aus.“
„Na dann, ich kann ja mal über eine Urlaubsverlängerung nachdenken“, frotzelte Karla.
„Och nee, so war das nicht gemeint.“
„Also vermisst du mich?“
„Na klar, mein Täubchen. Bist du gut in deiner Ferienwohnung angekommen?“
„Ja, alles prima. In Wyk habe ich übrigens Inge Bergheim getroffen.“
„Ach, Inge? Von ihr hast du ja ewig nichts gehört.“