Mord-Art. Sigrid Drübbisch

Mord-Art - Sigrid Drübbisch


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können? Theaterutensilien? Schminke, Perücken ...? Was ist daran schlimm? Es ist doch alles gut gegangen, oder?“

      „Ja, ist es! Aber du kennst die doch! Was die alles fragen. Ich komme in zehn Minuten mit der Fähre in Wyk an. Wo bist du?“

      „Verdammt, du inszenierst ein Drama“, brüllte Heinz ins Telefon. „Ich stehe auf dem Parkplatz am Fähranleger und sitze in meinem Bus. Den Wagen wirst du vom Schiffsanleger aus sehen. Aber park deinen dicken, schwarzen Audi besser woanders, damit man sie nicht zusammen sieht. Komm dann hier rüber und klopfe dreimal an der Bustür. Einzelheiten besprechen wir später. Schalte jetzt dein Smartphone aus! Gleich aktivieren wir die beiden Prepaid-Handys, damit uns die Bullen nicht orten können. Vorsichtshalber habe ich noch zwei andere Prepaid-Karten besorgt. Man weiß ja nie.“

      „Alles klar, bis gleich.“

      Heinz atmete schwer ein und aus. Er versuchte sich nach dem Alkoholexzess und der Aufregung etwas zu entspannen, bis Bernd an der Autotür klopfte.

      7. Fund

      – Witten, Hohenstein; Mittwoch –

      Rolf lief im Stechschritt zum Auto und stieg ein.

      „Verflucht, ich muss wieder durch dieses Nadelöhr Bommern fahren.“

      Er bog von der Rauendahlstraße links auf den Bodenborn ab und freute sich, dass sich der Hauptverkehr verflüchtigt hatte. Er kam zügig voran, legte aber noch einen Zahn zu, weil es bald dunkel wurde.

      Hinter der Ruhrbrücke fuhr Rolf rechts auf die Wetterstraße. Von dort aus bog er links ab zum Hohenstein. Mit quietschenden Reifen fuhr er über das Rumpelpflaster den Berg hoch und hielt direkt vor dem Schild Finnenbahn. Auch hier hatten sich schon die ersten Pressefritzen eingefunden. Die Polizisten kümmerten sich um die Reporter, indem sie ihre Erklärungen abspulten: „Bitte haben Sie Verständnis! Unsere Ermittlungen haben gerade erst begonnen. Sie bekommen Nachricht, sobald wir mehr wissen.“

      Rolf kümmerte sich nicht weiter darum, weil er merkte, dass die Kollegen die richtigen Worte fanden, um die Presse und die Schaulustigen abzuwimmeln.

      Er startete gleich zum Leichenfund durch, den Lotter, Karin Bock und Elke de Haag begutachteten.

      Auch an diesem Fundort waren die realen Bilder wesentlich schlimmer. Zwischen den Fotos und der Wirklichkeit lagen Welten. Nach all den Jahren erschütterte ihn jeder Leichenfund aufs Neue.

      An diesem Tag aber war es eine besondere Herausforderung. Er musste zwei Frauenopfer direkt hintereinander in Augenschein nehmen. Sein Magen, der sich schon den ganzen Tag über mit Schmerzen bemerkbar machte, krampfte sich beim Anblick der zweiten Leiche zusammen. Rolf war einiges gewohnt, dennoch wurde der alte Hase in Ermittlungsangelegenheiten blass. Er holte ein Taschentuch heraus und hielt es sich vor den Mund. Der Leichengeruch war penetrant und die Fliegenschwärme trotz des kalten Windes lästig.

      „Mein Gott! Wer tut so was?“, entfuhr es ihm.

      Die Augen aller richteten sich erst auf ihn und dann auf das Bild des Grauens.

      Die Tote hing in einem Baum unterhalb des Haarmannstempels. Aus dem unteren, dicken Baumstamm wuchsen drei schlanke Stämme heraus, in dem das Opfer hineingearbeitet worden war. Auch diese Frau stellte ein Gesamtkunstwerk dar und hing an den gleichen Stahlseilen wie die junge Frau im Muttental.

      Ein kleines Schwarzes, das ein Designerstück sein könnte, bedeckte ihren schlanken Körper. Das Kleid war an der rechten Seitennaht und am Saum eingerissen. Sie hatte schulterlanges, blondes Haar und einen Mittelscheitel. Links und rechts wurde es von silbernen Spangen gehalten. Die Frisur war zerzaust. Eine edle Perlenkette zierte den schlanken Hals, passende Stecker die Ohren. An den Ohrlöchern erkannte Rolf Blutreste. An der rechten Hand trug sie einen zierlichen Ehering und an der anderen einen mit eingearbeiteter Perle. Ihre schwarze Strumpfhose hatte an der linken Wade ein Loch. Ansonsten war sie unversehrt. Sie trug nur den linken schwarzen High Heel. Einer fehlte.

      Dr. Windeisen, die Gerichtsmedizinerin, untersuchte sie. Ihr erstes Ergebnis deckte sich mit dem von Dr. Breming im Muttental.

      „Zur Todesursache kann ich Ihnen erst nach der Obduktion etwas sagen. Ich will mich nicht vorzeitig aus dem Fenster lehnen, aber getötet wurde sie nicht mit einem Stahlseil. Auch ich gehe davon aus, dass vor dem Eintritt des Todes mehrere Ereignisse stattgefunden haben könnten. Vielleicht ist sie betäubt worden. Möglicherweise ist der Tod durch Ersticken eingetreten. Der Kollege Breming hat mir schon per E-Mail Fotos geschickt. Möglich, dass es sich um den oder die gleichen Täter handelt.“

      „Dann ist es nicht auszuschließen, dass er wieder zuschlägt?“, bemerkte Rolf.

      Ihr sorgenvoller Blick sprach Bände.

      Rolf wandte sich an Elke.

      „Sag mal, konntest du schon Spuren sichern?“

      „Nichts Großartiges, bei den vielen Reifenspuren und Fußabdrücken. Es ist schwierig, Verwertbares zu finden. Das Unwetter hat mit Sicherheit auch einige Spuren verwischt. Bonbonpapier und Zigarettenstummel haben wir sichergestellt. Persönliche Sachen der Toten wie Handtasche, Handy oder Ähnliches sind bisher noch nicht aufgetaucht. Erstaunlich ist, dass ihr Schmuck nicht gestohlen wurde. Die Perlen könnten echt sein. Wir haben es hier mit keiner armen Frau zu tun.“

      Sie zeigte ihm einen Schleier, mit dem ihr Gesicht bedeckt gewesen war.

      „Und sie ist verheiratet, aber ihr Ehemann hat sie bisher noch nicht vermisst.“

      „Gut beobachtet, Lotter, da bleiben wir dran“, bemerkte Rolf.

      Rolfs Handy surrte. „Eine SMS von unserer 1-a Staatsanwältin Christa Sitzler. Sie ist im Muttental und kommt gleich rüber. Sie will sich einen Überblick verschaffen. Siegfried kommt mit, damit er für die Pressekonferenz im Bilde ist.“

      „Vielleicht finde ich bei der Obduktion was Brauchbares an der Leiche“, warf Katharina Windeisen ein.

      „Wir bleiben hier auf jeden Fall noch weiter am Ball.“ Dabei schaute Elke Rolf an, der zustimmend nickte.

      Die Rechtsmedizinerin führte weiter aus: „Zum Todeszeitpunkt kann ich allerdings sagen, dass beide Frauen fast zum gleichen Zeitpunkt, oder knapp hintereinander getötet wurden. Vermutlich in der Nacht von Sonntag auf Montag. Das heißt vor mehr als neunzig Stunden. Die Leichenstarre hat sich schon lange wieder gelöst.“

      Das deckte sich mit Dr. Bremings Einschätzung.

      „Das könnte also bedeuten, dass sie ebenfalls erst später hier aufgehängt wurde?“, wollte Rolf von ihr wissen.

      „Das ist sehr wahrscheinlich“, erklärte Dr. Windeisen. „Denn sie hat keine Leichenflecken an den Händen und Füßen. Hätte sie länger hier gehangen, wäre sie bestimmt schon früher gefunden worden.“

      „Das gibt dem Ganzen ja noch mehr Brisanz. Es zeugt von einem oder mehreren höchst abgezockten und kaltschnäuzigen Tätern oder Täterinnen“, gab Rolf Sahner zu bedenken.

      „Damit könnten Sie recht haben. Meine größte Sorge ist allerdings, dass wir bald die nächste Leiche finden ...“

      „Malen Sie den Teufel nicht an die Wand, Frau Doktor. Das hoffe ich nun nicht! Möglich ist aber alles.“

      Rolf sah sich noch mal die Leiche genauer an und wandte sich dann an Lotter, der mit hochrotem Kopf Fotos machte.

      „Lotter, ich zähl auf Sie!“

      „Klar, Chef, ich gebe alles.“ Lotter wischte sich den Schweiß von der kalten Stirn.

      „Kann das Opfer jetzt abgenommen werden?“, wollte die Medizinerin wissen.

      „Klar, wenn die Staatsanwältin gleich grünes Licht gegeben hat.“

      „Leichenwagen sind schon unterwegs, um die beiden Frauen nach Essen in die Gerichtsmedizin zu bringen.“

      Rolf sprach Lotter, Karin und Elke an: „Wir treffen uns morgen früh um acht Uhr im MK-Raum


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