Mord-Art. Sigrid Drübbisch

Mord-Art - Sigrid Drübbisch


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Rolf wurde schon ungeduldig.

      Karin Bock kam um die Ecke gedüst, gefolgt von Elke de Haag von der Spurensicherung.

      „Ach nee, die Damen auch schon da?“ Frank Lotter wollte scherzen.

      „Was möchte das Männlein mir sagen?“, giftete Karin ihn an.

      Rolf schaltete sich sofort ein: „Jetzt ist aber gut. Wir sind hier nicht im Kindergarten. Wenn ihr euch was zu sagen habt, klärt das draußen.“

      „Guten Morgen allerseits“, begrüßte die Staatsanwältin Christa Sitzler die Anwesenden. Mit einem kurzen „Moin“ schloss sich der Pressesprecher Siegfried Westermann an. Er liebte den Norden.

      Rolf begann. Die Anwesenden sahen sich auf der Großleinwand die grausamen Fotos von den Fundorten an.

      „Fassen wir zusammen, was haben wir bis jetzt? Was sagen wir gleich der Presse? Klaus, bitte informiere uns über den letzten Stand der Ermittlungen“, forderte Rolf den Leiter der zweiten Mordkommission auf.

      Klaus Pfeffer startete mit seinen Ausführungen: „Beide Frauen wurden nach einem identischen Muster umgebracht.“ Er stand auf und zeigte auf die beiden Fotos, die nebeneinander auf die Wand projiziert wurden.„Nach den ersten Erkenntnissen der Rechtsmediziner wurden sie vermutlich erstickt. Fundort nicht gleich Tatort. Vielleicht hat es etwas mit der Kunstszene zu tun. Die Stahlseile, an denen sie aufgehängt wurden, der Schleier über dem Gesicht und die roten Farbspritzer könnten aus dem Künstlerbedarf stammen. Beide Frauen waren festlich gekleidet, als wären sie vorher auf einer Party gewesen.“

      „Mir kommen sie bekannt vor. Ich kann im Augenblick allerdings noch nicht sagen, woher ich sie kennen könnte“, warf Karin ein.

      „Dann denk nach, bevor du was sagst“, blaffte Lotter sie an, grinste dabei aber.

      „Da kannst du Gift drauf nehmen! Denken gehört zu meinem Repertoire, was man von dir nicht immer behaupten kann. Dir ist wohl zu Kopf gestiegen, dass du Uwe Wentzel für die Zeit seines Urlaubs in der Leitung der MK3 vertrittst.“

      Rolf schlug mit der Hand auf den Tisch. „Das tut hier überhaupt nichts zur Sache! Was ist mit euch beiden los? Reißt euch zusammen! Ich kann euch aus dem Fall rausnehmen und mit zwei Kollegen aus einer anderen MK ersetzen. Ist das klar? Grabenkämpfe brauchen wir hier nicht!“

      Es trat kurzfristig eine betretene Stille ein.

      Pfeffer drehte sich zu den anderen Kollegen um. „Hat einer von euch diese beiden Frauen schon mal gesehen?“

      Karin legte ihre Stirn in Falten und zermarterte ihr Hirn weiter.

      Pfeffer fuhr fort: „Merkwürdig ist, dass die beiden Frauen von niemandem vermisst werden, obwohl die Tat schon einige Tage zurückliegt. Versteht ihr das?“

      Die Ermittler schüttelten den Kopf.

      Rolf wandte sich an Elke und Ulf von der Spurensicherung. „Habt ihr noch was Wichtiges gefunden, was uns bei den Ermittlungen weiterhelfen könnte?“

      „Ja – ich denke schon“, ergriff Ulf das Wort. „Im Muttental fanden wir ein Reststück von dem Stahlseil und ein Schweizer Taschenmesser. Verschiedene Stoffreste. Einer stammt vermutlich vom Rock des Opfers. Auf dem Parkplatz lag ein Einmalhandschuh. Unzählige Reifenspuren und Fußabdrücke konnten wir auch sichern. Wir fanden Zigarettenschachteln, Bonbonpapiere, Zigarettenstummel und diverse Kleinigkeiten. Frisch abgebrochene Zweige auf dem Weg zum Fundort fielen auf. Der Täter, oder vielleicht auch zwei oder mehrere Täter oder Täterinnen, hatten schwer zu tragen. Aus diesem Grund ist eine deutliche Schleifspur in der Natur sichtbar.“

      „Am Hohenstein sah es ähnlich aus“, ergänzte Elke de Haag.

      „Ein Stückchen Stoff vom Schleier und Haare im Gebüsch. Wir fanden eine reißfeste Plastikfolie, in der die Leiche vielleicht transportiert wurde. An ihr klebte rote Farbe. Ob auf ihr auch noch andere Spuren vorhanden sind, wird die Untersuchung zeigen. Eine Tube mit roter Farbe lag in der Nähe des Fundortes im Gebüsch. Sie ist von der Marke Fixus. Mal sehen, was die Auswertung insgesamt bringt. Vor allen Dingen die Faserspuren an der Kleidung und an der Haut der Opfer. Auch die Farbe könnte uns weiterbringen.“

      „Inwiefern?“, wollte Klaus wissen.

      „Es wäre interessant zu erfahren, um welche Farbe es sich genau handelt. Vielleicht stammt sie tatsächlich aus dem Künstlerbedarf wie die Stahlseile.“

      Karin murmelte leise vor sich hin: „Farbe, Stahlseile, Künstler, Veranstaltung, Presse? Verdammt! Ich bin sicher, ich kenne die beiden.“

      Sie setzte sich an einen der acht Arbeitsplätze und googelte.

      „Leute, in Herbede gibt es doch die Firma Dröse, den Großanbieter für Künstlerbedarf. Vielleicht stammen die Stahlseile und Farben von dort. Ich fahre da gleich mal hin. Mann, sind wir blöd. Von dort ist doch der Gutschein, den wir Karla geschenkt haben.“

      Rolf schlug sich mit der Hand vor die Stirn. „„Ja sicher. In dem Gewusel wird man schon mal betriebsblind.“

      „Ich fahre mit“, schaltete sich Klaus Pfeffer ein. „Ich war noch nie dort. Den Laden schauen wir uns genauer an.“

      „Und warum nicht ich?“, wollte Lotter wissen.

      „Lass es gut sein, Frank“, sagte Rolf. „Einer muss auch hier den Laden koordinieren.“

      „Stimmt, mach ich“, brummelte Lotter.

      Rolf lenkte ein: „Ich hoffe, dass die Obduktionsberichte der Rechtsmedizin Licht in den Tunnel bringen. Wir fahren morgen nach Essen. In diesem brisanten Fall würde ich gern dabei sein. Ihr wisst, dass ich euch ansonsten allein eure Arbeit machen lasse, aber dieser Fall scheint es in sich zu haben.“

      Alle Beteiligten stimmten zu und Rolf wechselte das Thema: „Okay, was sagen wir der Presse?“

      Siegfried Westermann erhob sich und 1,88 Meter bauten sich vor der Leinwand auf. Alle hingen an seinen Lippen, obwohl er noch nichts gesagt hatte. Er verkörperte natürliche Autorität. Westermann war genau der richtige Mann als Pressesprecher. Er schlug vor, behutsam vorzugehen. Er fasste mit warmer, ausgeglichener Stimme zusammen: „Zwei Frauenleichen, eine im Muttental und eine am Hohenstein. Wir veröffentlichen die Personenbeschreibung der beiden Opfer und die Beschreibung der Fundorte. Die Bevölkerung bitten wir, sich zu melden, wenn jemand diese Frauen kennt oder vermisst.“

      „Genauso machen wir es, weitere Berichte folgen“, setzte Rolf nach. „Gib ein Kurzinterview, damit sie es noch heute Abend in allen Medien und morgen in der Zeitung bringen. Auf eines möchte ich noch hinweisen, weil es mich stutzig macht: Es war ja ein beachtliches Unwetter mit Sturm. Die beiden sahen aber gar nicht zerrupft aus. Die Kleidung befand sich in einem relativ ordentlichen Zustand. Die Täter müssen die Opfer erst kurzfristig in den Bäumen drapiert haben und behutsam vorgegangen sein. Anders ist das alles nicht möglich.“

      „Stimmt“, bestätigte jetzt auch Staatsanwältin Sitzler. „Oder sie haben die Opfer wieder mehr oder weniger hergerichtet, um sie uns als Kunstwerk zu präsentieren. Aber wir sind erst am Anfang unserer Ermittlungen. Bis wir Klarheit haben, wird es noch dauern. Hoffentlich kommt nicht noch ein langer Rattenschwanz auf uns zu.“

      „Malen Sie nicht den Teufel an die Wand! Die Rechtsmediziner haben am Fundort auch schon geunkt“, warf Rolf ein. „Wir müssen Dampf machen. Wenn die Öffentlichkeit erst einmal in Kenntnis gesetzt ist, wird der Druck ansteigen.“ Rolf suchte wieder seine Brille und stellte die Frage in die Runde: „Was ist eigentlich mit der Mutter und dem Jogger, die die Frauenleichen fanden? Ist denen etwas aufgefallen?“

      „Außer, dass sie geschockt und aufgewühlt waren, ist uns nichts bekannt. Wir haben die Adressen und Telefonnummern. Bei Bedarf können wir dort hinfahren oder anrufen.“

      Zum Schluss teile ihnen Rolf seine Entscheidung mit, beide Mordkommissionen zusammenzulegen. „Möglicherweise werde ich noch einige Beamte aus den anderen Mordkommissionen mit ins Boot zu holen. Ich denke, wir werden noch Unterstützung brauchen. Ich


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