Stillen. Márta Guóth-Gumberger
braucht vor allem sein Gehirn, die Fähigkeit zu lernen und zu denken. Er hat den Luxus, nicht gleich am ersten Tag stehen zu müssen, weil seine Eltern für ihn sorgen können.
Was erwartet Sie mit dem Baby?
Ihr Baby möchte Ihre Nähe rund um die Uhr, auch wenn es nicht ständig Ihre volle Aufmerksamkeit benötigt. Dies ist beim ersten Kind auf alle Fälle ungewohnt und für viele ziemlich anstrengend. Es ist normal, dass Babys den Platz im Arm, auf dem Bauch oder neben der Mutter bevorzugen, nicht gerne abgelegt werden und häufig saugen möchten. Sehr ungewohnt ist beim ersten Kind, dass Sie Ihre Zeit nicht wie vorher planen oder einteilen können.
WIE GEHT ES MIR DAMIT?
Es kann sein, dass Sie sich darauf einlassen können und sich dabei wohlfühlen. Durch die Sicherheit, dass Sie erreichbar sind, entfalten sich die Fähigkeiten Ihres Babys und Sie legen die Grundlage, dass seine Autonomie und Selbstständigkeit im Lauf der Monate und Jahre wachsen.
Es kann auch sein, dass das Bedürfnis Ihres Babys nach Nähe und Erreichbarkeit größer ist, als dies Ihrem Bedürfnis entspricht. Das Gefühl »Mir ist es jetzt zu viel« kennen viele und das darf ruhig sein. Dann geht es darum, Lösungen – sie müssen nicht »ideal« sein – zu finden, die für Sie beide tragbar sind. Vielleicht hilft Ihnen, dass Babys scheinbar grenzenlose Bedürfnisse, die keinen Aufschub zulassen, normal sind, weil Ihr Kind noch keinen Zeitbegriff hat. Es hat nicht die »Absicht«, es Ihnen als Mutter schwer zu machen.
Mit den drei grundlegenden Bedürfnissen im Hinterkopf ist es jedoch leichter zu erkennen, was Ihr Baby gerade braucht, ob es gerade ein Zuviel oder Zuwenig an Sicherheit, Erregung und Autonomie erlebt. Wenn Sie dann darauf eingehen, können Sie vertrauen, dass es Sie jetzt zwar intensiv benötigt, dann aber auch eine Pause folgen wird. Die Kunst ist, die kleinen Pausen, die sich ergeben, dann auch tatsächlich zu nutzen und sich in den schönen Momenten zurückzulehnen und an dem Baby zu freuen.
ERWARTUNGEN AN SICH SELBST
Viele Mütter haben hohe Erwartungen an sich selbst und möchten ihre Aufgabe gut machen. Wenn sie dann den Eindruck haben, dass ihnen als Mutter etwas nicht so gelingt, wie sie es von sich selbst erwarten, entsteht sehr leicht ein Schuldgefühl. Unter dessen Einfluss kann es dann dazu kommen, dass sich die Mutter noch mehr anstrengt und zu Überforderung neigt. Das ist ein Kreislauf, der sie in ihrer Rolle und ihrer Beziehung zum Kind schwächt. Das Gegenteil des Schuldgefühls ist die Erfahrung der eigenen Kompetenz als Mutter. Dieses positive Gefühl überträgt sich auch auf das Baby. Wenn sich die Mutter wohlfühlt, fühlt sich das Baby meistens auch wohl. Ob Sie sich selbst wohlfühlen, bietet Ihnen daher eine hilfreichere Orientierung als die Frage: »Wie soll man sich als Mutter verhalten?« Für Ihr Kind brauchen Sie keine ideale oder perfekte Mutter zu sein. Sie bemühen sich und manches gelingt Ihnen, wie Sie es sich vorstellen, manches wird anders. Sie sind die Mutter Ihres Kindes und es ist ausreichend und gut, wie Sie es machen.
Langfristige Auswirkung des Stillens
Die Stillerfahrung beeinflusst die Beziehung zwischen Mutter und Baby auch später. Nach der Unsicherheit des Anfangs, oft gerade beim ersten Kind, wird das Stillen selbstverständlich und vertraut, die Mutter wächst in ihre neue Rolle hinein. Die Verständigung zwischen beiden spielt sich ein. Enger Kontakt und Loslassen wechseln sich fließend ab. Dabei üben Sie ein, was Sie später brauchen werden, wenn das krabbelnde Kleinkind, das Kind im Schulalter, der Jugendliche mal intensiven Kontakt mit den Eltern sucht, mal auf »Entdeckungsreise« geht. Das Stillen kann beiden in dem ständigen und selbstverständlichen Wechsel zwischen Nähe und etwas Abstand viel Selbstvertrauen und Zufriedenheit geben, auch auf lange Sicht.
Mit der Flasche zu füttern verleitet eher dazu, Menge und Zeitpunkt zu kontrollieren. Aber auch mit der Flasche können Sie auf die Zeichen des Babys, ob es mehr Nähe oder etwas Abstand braucht und wie viel es trinken möchte, eingehen. Beim Stillen ist dies leichter, bei der Flasche ist es eher eine bewusste Bemühung.
Saugen stimuliert den Bereich um die Brustwarze. Milchgänge und Drüsengewebe liegen dahinter.
Wie funktioniert Stillen?
Stillen als wichtiger Teil der Beziehung ist die eine Seite. Aber wie läuft es praktisch ab? Welche konkreten Informationen helfen Ihnen, das sinnvolle Vorgehen im Alltag zu verstehen?
Die weibliche Brust ist so aufgebaut, dass sie ein Kind ernähren kann. Nah hinter Brustwarze und Warzenhof befindet sich das meiste Drüsengewebe. Die winzigen Öffnungen auf den Brustwarzen, die Sie gegen Ende der Schwangerschaft sehen, sind Mündungen der Milchgänge, die sich hinter der Brustwarze verzweigen. An jedem Gang hängen viele Milchbläschen, die das Drüsengewebe bilden. In jedem Bläschen ist ein Hohlraum, in dem sich die Milch sammelt, umgeben von einer Wand aus milchbildenden Zellen. Diese entnehmen dem Blut Wasser und unzählige andere Stoffe. Außen sind die Milchbläschen korbartig von winzigen länglichen Muskelzellen überzogen, die sich zusammenziehen und wieder entspannen. Für die äußere Größe der Brust ist hauptsächlich das Fettgewebe verantwortlich. Die Größe beeinflusst die Fähigkeit zur Milchbildung nicht.
In der Schwangerschaft vorbereitet
Was bedeuten die Veränderungen Ihrer Brüste in der Schwangerschaft, wenn sie größer, schwerer und meist auch empfindlicher werden? Das Drüsengewebe wächst und bereitet sich auf die Milchbildung vor. Dabei verdrängt es einen Teil des Fettgewebes. Eine reichlichere Milchbildung wird durch die Schwangerschaftshormone noch unterdrückt. Wenn sich die Brustwarzenhöfe dunkler verfärben, erkennt sie das Baby später leichter. Manchmal verändert sich auch die Form der Brustwarzen etwas, was dem Baby das Saugen erleichtert. Winzige Drüsen auf den Warzenhöfen scheiden einen Schutzfilm aus. Bei einigen Frauen ist als Zeichen einer besseren Durchblutung eine stärkere Venenzeichnung zu erkennen.
Und das Kind im Bauch der Mutter? Auch das Baby wird auf das Stillen vorbereitet. Seine Gesichts- und Mundmuskulatur entwickelt sich, es entfaltet die später benötigten Fähigkeiten, nämlich die Such-, Saug- und Schluckreflexe. Es lernt zu sehen, zu hören, zu schmecken, zu riechen, zu fühlen, sich zu bewegen. Das Stillen ist dann die natürliche Fortsetzung von Schwangerschaft und Geburt.
Mutter und Baby als Team
Nach der Geburt stellt sich der mütterliche Körper innerhalb kürzester Zeit darauf ein, das Kind durch Stillen zu versorgen. Die Geburt der Plazenta verändert massiv die Hormone und bewirkt, dass die Milchbildung angekurbelt wird. Danach aber bestimmt das Saugen des Babys, dass diese in Gang kommt und aufrechterhalten wird.
Wenn das Baby mit dem Mund Brustwarze und Warzenhof sowie mit seinen Händen die Brust berührt, werden die Reize über Nervenbahnen zum mütterlichen Gehirn geleitet. Ein, zwei, drei Minuten nach Beginn des Saugens werden das Milchbildungshormon Prolaktin und das Milchspendehormon Oxytozin ausgeschüttet. Über die Blutbahnen gelangen diese Stillhormone zur Brust. Prolaktin veranlasst, dass die Wandzellen der Milchbläschen Milch bilden – rund um die Uhr. Dort wartet die Milch darauf, bei der nächsten Stillmahlzeit abgeholt zu werden.
WAS BRINGT DIE MILCH ZUM FLIESSEN?
Wirkungsvolles, angenehmes Saugen: Der Mund ist weit offen, reichlich Brustgewebe ist im Mund.
Das im Gehirn ausgeschüttete Hormon Oxytozin veranlasst, dass sich die feinen Muskelfasern um die Milchbläschen zusammenziehen und die Milch aktiv in die Milchgänge in Richtung Brustwarze bewegen. Diese sind eng, wenn keine Milch fließt, und weiten sich, wenn sie mit Milch gefüllt werden. Dabei läuft manchmal sogar spontan etwas Milch aus der Brust. Wenn die Milch nicht getrunken wird, fließt sie nach etwa eineinhalb Minuten wieder zurück.