Klimawandel und Energiewende. Dietmar Schäffer
das Klima als „normal“ angenommen wird. Gegenwärtig ist die Referenzperiode von 1961 bis 1990 noch der gebräuchliche Vergleichszeitraum. Angaben zu Temperaturanomalien beziehen sich in der Regel auf diesen Vergleichszeitraum, obwohl die WMO den Zeitraum 1981 bis 2010 empfiehlt3. Ab 2021 wird der Zeitraum von 1991 bis 2020 zur neuen WMO Normalperiode und Aussagen zu Temperaturanomalien sollten sich zukünftig auf das Klima dieses Zeitraumes beziehen.
Abbildung 1: Temperaturanomalie bezogen auf verschiedene Referenzperioden (Eigene Grafik, Datenquelle: NASA).
Den Unterschied zeigt Abbildung 1. Während bei Verwendung des bisherigen Referenzzeitraumes 1961 bis 1990 die Temperaturanomalien schon ab den 1980er Jahren deutlich in den positiven Bereich fallen (braune Kurve), sind sie bei Verwendung des neuen Referenzzeitraumes 1991 bis 2020 erst nach Beginn des neuen Jahrtausends im positiven Bereich (violette Kurve). Für Katastrophenmeldungen ist die violette Kurve denkbar ungeeignet, denn vor dem Jahrtausendwechsel war es nach dieser Kurve im Vergleich zum Normalzustand zu kalt.
Wir haben hier auch gleich ein Beispiel dafür kennengelernt, wie man durch Auswahl und Präsentation von Daten Meinungsmache betreiben kann – in beide Richtungen.
5 Weiße Weihnachten waren früher häufiger!
Früher gab es viel häufiger Weiße Weihnachten, das ist ein eindeutiger Hinweis auf die Erderwärmung. Zumindest den ersten Teil dieser Aussage würden vermutlich viele Menschen in Deutschland sofort unterschreiben. Doch Vorsicht – es geht um einen langen Zeitraum und deshalb ist es für den Durchschnittsmenschen schwierig, sich an die Realität zu erinnern – die Erinnerung trügt!
Hanna Zobel vom Spiegel-Jugendmagazin Bento führte 2017 ein Interview mit Andreas Friedrich, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD)4. Dabei ging es zunächst einmal um die grundsätzliche Frage, wie man eigentlich „Weiße Weihnachten“ definiert. Der DWD spricht von „Weißen Weihnachten“, wenn sowohl an Heiligabend, als auch an den Weihnachtsfeiertagen um 7 Uhr am Morgen mindestens ein Zentimeter Schnee auf dem Boden liegt. Auf dieser Definition basiert auch die Statistik des DWD. Andere Statistiken, z.B. auf der Homepage des Meteorologen Jörg Kachelmann5, basieren auf anderen Definitionen.
Der DWD hat für einen Zeitraum von 60 Jahren untersucht, wie oft es Weiße Weihnachten gab und konnte keine generelle Abnahme oder Zunahme in Deutschland feststellen. Flächendeckend Weiße Weihnachten waren schon immer ein vergleichsweise seltenes Ereignis und nur in 10% der 60 Jahre gab es tatsächlich Weiße Weihnachten. Der Spiegel berichtete auf seiner Homepage im Dezember 2019 erneut über eine entsprechende Statistik des DWD6.
Eine ganz konkrete Betrachtung für 10 Großstädte in Deutschland zeigt Tabelle a. Es sei noch darauf hingewiesen, dass es insgesamt über 1.000 phänologische Beobachtungsstationen des DWD gibt. Aus den wenigen Beispielen der Tabelle kann keine statistische Aussage und kein Trend abgeleitet werden.
Generell haben Langzeitbeobachtungen seit 1966 einen leichten aber nicht signifikanten Trend zu einer größeren im Winter schneebedeckten Fläche auf der Nordhalbkugel ergeben, während die Ausdehnung der schneebedeckten Flächen im Frühjahr und Sommer kleiner geworden ist7.
Ort | 1951 - 1980 | 1981 - 2010 | Abweichung |
München | 16 | 12 | -4 |
Berlin | 13 | 10 | -3 |
Hamburg | 10 | 8 | -2 |
Köln | 2 | 4 | +2 |
Frankfurt | 6 | 9 | +3 |
Leipzig | 10 | 11 | +1 |
Konstanz | 11 | 10 | -1 |
Nürnberg | 10 | 10 | 0 |
Hannover | 9 | 9 | 0 |
Dortmund | 2 | 4 | + 2 |
Tabelle a: Zahl Weißer Weihnachten in den Zeiträumen 1951 bis 1980 und 1981 bis 2010 sowie die Abweichung im Vergleich beider Zeiträume (Quelle8).
6 Klimageschichte
6.1 Warum Klimageschichte?
Viele Kritiker der Theorie, der aktuelle Klimawandel sei zum größten Teil vom Menschen verursacht, verweisen darauf, dass sich das Klima auf der Erde schon immer geändert hat. Daran besteht kein Zweifel. Deshalb ist es für die Klimaforschung auch von großem Interesse, warum sich das Klima in früheren Zeiten ohne menschlichen Einfluss geändert hat. Klimaänderungen der Vergangenheit liefern wichtige Daten für die Optimierung von Klimamodellen, mit deren Hilfe Projektionen der künftigen Klimaentwicklung erstellt werden.
Eine Tatsache muss man dabei im Blick haben – global flächendeckende Messungen der wesentlichen Klimaelemente gibt es frühestens seit Inbetriebnahme von Wettersatelliten im Jahr 1966. Als zuverlässig gelten die Satellitendaten ab 1979, ältere Satellitendaten werden heute praktisch nicht zur Analyse des Klimawandels herangezogen.
Werfen wir also zunächst einen Blick auf die Klimageschichte der Erde (Paläoklima), die wichtigsten Methoden, mit deren Hilfe sie rekonstruiert wird und auf die Faktoren, die das Klima während der Erdgeschichte ohne menschliches Zutun beeinflusst haben.
6.2 Methoden der Klimarekonstruktion
6.2.1 Klimaproxys – Archive der Klimageschichte
Die Klimaelemente der erdgeschichtlichen Vergangenheit sind direkten Messungen nicht zugänglich. Man greift deshalb bei der Rekonstruktion des Klimas auf natürliche Archive, sogenannte Proxys, zurück. Da die Methoden zur Rekonstruktion des Klimas aus den Proxydaten relativ aufwändig sind und keine flächendeckenden, sondern nur punktuelle Rekonstruktionen zulassen, liefern sie natürlich nur Anhaltspunkte für frühere klimatische Verhältnisse. Die Genauigkeit ist wesentlich geringer, als bei heutigen direkten Messungen.
6.2.2 Klimarekonstruktion mit Biostratigraphie
Die von Blütenpflanzen gebildeten Pollen sowie die Sporen von Farnen, Bärlappgewächsen, Moosen und Pilzen haben mehrere Dinge gemeinsam. Sie werden nicht nur in riesiger Zahl gebildet, sondern haben eine artspezifische Form (Abbildung 2) und außerdem sehr stabile Wände, die aus Sporopollenin bestehen. Dank der äußerst widerstandsfähigen Wände können Pollen und Sporen sogar fossil überliefert werden. Mit Hilfe in uralten Sedimentgesteinen gefundener und gut erhaltener fossiler Pollen und Sporen ist es möglich, die Pflanzen- und Pilzarten zu bestimmen, die zur Entstehungszeit der Sedimente in der Umgebung gewachsen sind. Daraus können Rückschlüsse auf die klimatischen Verhältnisse zu dieser Zeit gezogen werden9 10, da verschiedene Pflanzenarten ganz unterschiedliche Ansprüche an das Klima ihres Standortes stellen. Natürlich ist mit dieser Methode keine genaue Rekonstruktion des Paläoklimas möglich, aber es können gute Anhaltspunkte für die klimatischen Verhältnisse während der Erdgeschichte gewonnen werden – bis etwa 500 Millionen Jahre in die Vergangenheit. Wesentlich ältere Sedimentgesteine sind nicht erhalten, da sie durch plattentektonische Vorgänge eingeschmolzen wurden.
Abbildung 2: Artspezifische Pollenformen (Quelle: Dartmouth College Electron Microscope Facility).
6.2.3 Klimarekonstruktion mit Sauerstoff-Isotopen
Sauerstoff kommt, wie viele chemische Elemente, in Form verschiedener Isotope vor11. Isotope verhalten sich chemisch identisch, unterscheiden sich aber in ihrem Gewicht. Gemeinsam ist allen Varianten von Sauerstoff die Zahl von 8 Protonen im Atomkern und die Zahl von 8 Elektronen in der Atomhülle.
Sie unterscheiden sich aber in der Zahl der Neutronen im Atomkern. Im Isotop 16O befinden sich im Atomkern 8 Neutronen und 8 Protonen, das Isotop 17O hat 9 Neutronen und 8 Protonen und im schwersten Isotop 18O sind es 10 Neutronen und 8 Protonen. 16O ist das häufigste der 3 Isotope (99,75%), die schweren Isotope sind nur mit 0,037% (17O) und 0,2% (18O) vertreten.
Das unterschiedliche Gewicht der Isotope hat auch auf ihre physikalischen Eigenschaften Auswirkungen. So verdunstet Wasser (H2O), das ein leichtes 16O-Isotop enthält, schon bei minimal tieferer