Club der Sinne. Karyna Leon
„Du verstehst das nicht.“ Sie holte tief Luft und sah ihre beste Freundin an. „Ich weiß nicht mehr, mit wem.“
Sophia lachte. „Na und? Das hindert doch nicht daran, es zu genießen.“
„Dich vielleicht nicht. Ich gehe übermorgen wieder ins Büro, sehe die ganzen Kollegen und weiß nicht, mit welchem von ihnen ich Sex gehabt habe.“
Sophia sah sie mit ernstem Blick an. „Dann hast du jetzt eine Mission. Finde es heraus!“
Magdalena rührte unschlüssig in ihrer Latte herum. „Und wie?“
„Ganz einfach. Du schaust, wer in Frage kommt und testest dich durch!“
„Sophia!“
„Ach, nun komm schon. Was ist aus dem Mädel geworden, das mit mir an einem Abend gleich zwei Männer abschleppte?“
„Die liegt begraben in meinem Garten. Auf ihr wächst ne Primel“, murmelte Magdalena verdrießlich.
„Deine Wohnung hat keinen Garten.“ Sophia legte eine Hand auf ihre und streichelte sanft über ihre Haut. „Jetzt hab dich nicht so. Du hattest Spaß. Was ist daran so verwerflich?“
„Du weißt genau, dass ich nicht in dieses alte Muster verfallen wollte!“
„Nein, du suchst einen Anzugträger, der dich bis in alle Ewigkeit glücklich macht und dir zwanzig Babys schenkt, egal wie gut er im Bett ist.“ Sophia ließ sie los und griff nach ihrer Handtasche, um ihre elektronische Zigarette hervorzuziehen. „Ich sagte dir schon ein paar Mal, dass du nicht dafür geschaffen bist, mit einem einfachen Kerl zu leben. Du brauchst einen breiten Schwanz zwischen den Beinen und einen Mann, der dich um den ausgeprägten Verstand vögelt. Hör auf meine Worte.“
Eine ältere Frau vom Nebentisch schaute pikiert zu ihnen hinüber, doch Sophia störte das offensichtlich nicht. Magdalena hingegen spürte wieder die Hitze in sich aufsteigen und wusste nicht einmal warum. Bis vor anderthalb Jahren hatte sie genauso geredet. Das Bild eines durchtrainierten Mannes mit kurzgeschorenen Haaren und einem Blick zum Dahinschmelzen tauchte vor ihrem Auge auf. Seitdem Nico sie betrogen hatte, führte sie ein anderes Leben. Keine Lebemänner mehr, lautete ihr Motto.
„Lassen wir das Thema am besten. Ich finde irgendwie heraus, wer mit mir im Büro … du-weißt-schon-was getan hat. Dann kläre ich es mit ihm und alles wird gut.“ Magdalena nahm einen weiteren Schluck von ihrer Latte und genoss die Wärme, die ihre Kehle hinunter rann. Tatsächlich glaubte sie nicht daran, dass dann alles gut war. Früher hätte sie solch eine Nacht nicht gestört, selbst wenn es ein Kollege gewesen wäre. Doch bei diesem One-Night-Stand war etwas anders gewesen. Er ließ sie nicht los, und das irritierte sie mehr als sie zugeben wollte.
„Ich weiß genau das Richtige, um dich auf andere Gedanken zu bringen.“ Sophia lehnte sich nach vorne und atmete den Vanillerauch ihrer elektrischen Zigarette in ihre Richtung.
„Solange es ein Frauenabend bei dir ist, bin ich dabei. Ansonsten ist mein Kopf auf Urlaub. Der hängt noch irgendwo zwischen einem Tequila Shot und einer kräftigen Mütze Schlaf fest.“ Mit den Händen distanzierte sie sich von Sophias Plänen.
„Ach, komm schon. Ich habe dir nicht einmal gesagt, wohin es geht.“
„Lass mich raten: Ein Club, der hipper nicht sein könnte und der voller sexy Sixpacks steckt?“ Magdalena winkte ab.
„Fast.“
Überrascht schaute Magdalena auf. Sollte Sophia tatsächlich einen vernünftigen Vorschlag bringen?
„Es ist kein Club, sondern eine Lounge. Die Feelharmony hat gerade in der Hafencity aufgemacht, und heute Abend bieten sie eine Singleparty an.“
„Nein, danke. Ich denke, ich schlafe lieber meinen Rausch von gestern aus.“
Magdalena erwehrte sich noch einige Minuten der Versuche Sophias, ehe sie das Thema wechselten. Sie besprachen die Pläne für ihren gemeinsamen Urlaub im nächsten Spätsommer, ehe sie sich verabschiedeten und mit unterschiedlichen Abendplänen nach Hause gingen.
Kapitel 3
Die basslastige Groovemusik wummerte von Sophias dunkelroten, mit Samt überzogenen High Heels hinauf in ihre schlanken Beine. Es war nicht das erste Mal, dass sie alleine einen Club besuchte. Seitdem Lena sich immer mehr zu einer Nonne entwickelte, gehörte das beinahe zur Tagesordnung. Ihre Finger tippten ungeduldig auf die Bar, als der Barkeeper endlich ihren flehenden Augenkontakt wahrnahm. Rasch zauberte sie ein Lächeln auf ihre Lippen, mit dem sie schon so manchen Kunden für ihre PR-Agentur hatte gewinnen können. Der feuerrote Lippenstift tat sein Übriges.
„Einen Gin Tonic.“
Der Barkeeper nickte ihr zu und begann einzugießen. Er kam ihr entfernt bekannt vor. Vielleicht hatte er vorher in einem der anderen Clubs gearbeitet, in die sie regelmäßig ging. Sophia wandte sich um und betrachtete die dunkle Tanzfläche, auf der sich einige wie in Trance wiegten. Die meisten saßen jedoch auf den breiten Loungesesseln und lehnten sich nach vorne, um sich miteinander zu unterhalten. Ihr Blick schweifte hinüber zu der Beleuchtung, die mit hellen Fliedertönen das lockere Ambiente der Location unterstrich. Das einzig wirkliche Licht, das es in der Nähe der Theke gab, befand sich hinter der Bar, damit der Barkeeper alles erkennen konnte.
Hinter ihr ertönte ein gedämpftes Klirren, als das Glas mit ihrem Drink auf dem Tresen landete. Sophia drehte sich um und stieß dabei unabsichtlich den Mann rechts von ihr an. Dieser wandte sich um und schaute sie aus dunklen, wachen Augen an. In seiner Iris funkelte der Charme eines intelligenten Mannes, der genau wusste, was er vom Leben erwartete. Und so, wie er Sophia musterte, kannte sie bereits sein neuestes Ziel.
„Entschuldigung“, beeilte sie sich zu sagen und versorgte ihre Wangen mit einer spielerischen Röte: „Mein Ellenbogen muss gewusst haben, wie Sie aussehen und wollte mich darauf aufmerksam machen.“ Kokett zwinkerte sie ihm zu. Sie liebte diesen aufkeimenden Moment, den Reiz der ersten Begegnung.
Ihr Nachbar schmunzelte. „In diesem Fall bedanke ich mich bei dem Ellenbogen.“ Er verneigte sich und hauchte dabei mit seinen warmen Lippen einen Kuss in die Luft, dicht an die Haut ihres Oberarms.
„Mein Ellenbogen fühlt sich geschmeichelt, aber dafür ist der Rest meines Körpers nun neidisch.“ Sophia stellte ihren Gin Tonic ab und lehnte sich leicht gegen die Bar. Der Kerl tat es ihr gleich. Sehr gut, dachte sie mit einem inneren Schmunzeln.
„Wieso das?“ Ihr Nebenmann hob eine Augenbraue.
„Der Ellenbogen durfte deinen Mund spüren.“ Ein verschmitztes Grinsen huschte über seine Mundwinkel, ehe sie einen Schritt näher kam. „Sophia“, murmelte sie mit gewohnt rauchiger Stimme in sein Ohr.
„Frederik. Freut mich, dass du den Weg hergefunden hast.“
Im Hintergrund sah Sophia, wie zwei Männer abwinkten und sich mit einem Feixen von ihrem Kumpel abwandten. Sie waren nicht minder attraktiv, aber nicht mit der einnehmenden Ausstrahlung Frederiks gesegnet.
„Gehst du öfter ins Feelharmony? Was darf man auf keinen Fall verpassen?“ Sophia streichelte mit ihrem Finger den Rand ihres Glases.
„Leider für mich das erste Mal heute.“ Er steckte eine Hand lässig in seine Anzugtasche. „Normalerweise verbringe ich meine Samstage im Passion Angel.“
Irritiert hielt Sophia in ihrer Bewegung inne. „Das sagt mir gar nichts. Wo liegt er?“, fragte sie mit einem Lächeln in der Stimme, um ihre Unsicherheit zu überdecken.
„Dachte ich mir schon. Die wenigsten kennen ihn.“ Mit dem rechten Arm wedelte er in der Luft.
Der DJ legte eine schnellere Nummer auf, die zum steigenden Herzschlag Sophias passte. Frederik hatte eine arrogante Note an sich, die ihr gefiel. Gerade genug, dass er nicht unsympathisch wirkte, gleichzeitig nicht wie ein Dämlack herüber kam.
„Was wird denn in dem Club aufgelegt?“ Sophia trat noch einen Schritt näher.