Club der Sinne. Karyna Leon
Vergnügen gespielt, aber inzwischen hing es ihr zum Halse raus.
„Vielen Dank auch. Ich hoffe nicht, dass ich ihm begegne. Ausgerechnet jetzt darf ich an dem großen Projekt mitarbeiten, das mein Betrieb durchzieht. Wenn ich da punkte, müssen sie mich befördern.“
„Ach, Süße. Beförderungen sind nicht alles. Du weißt, dass du gut bist und ich habe dir hundertmal gesagt, dass du jederzeit was Besseres finden kannst.“
„Nein, nein. Die Firma ist in Ordnung. Sie zahlt gut, und ich mag meine Kollegen.“ Magdalena bestellte sich einen Cosmopolitan bei der vorbeihuschenden Kellnerin.
„Manchmal magst du sie vielleicht ein wenig zu sehr.“ Sophia zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
„Lass diese Andeutungen, bitte. Ich mache mir sowieso zu viele Gedanken deswegen. Lenk mich ab. Wie lief dein Wochenende?“
Ein Grinsen breitete sich auf dem Gesicht ihrer Freundin aus. „Ich dachte schon, du fragst nie. Stell dir vor: Ich habe jemanden kennengelernt!“
Magdalena schaute sie mit aufgerissenen Augen an. „Jemanden kennengelernt? So richtig, Freundmaterial, das sich als deinen Ansprüchen genügend erweist?“ Sie musste Sophia einfach piesacken. So oft, wie sie sich über Magdalena lustig gemacht hatte, als sie damals in einer festen Beziehung lebte!
„Das weiß ich nicht. Aber auf alle Fälle ist er ein Typ, der mich eindeutig mehr reizt als die Männer der letzten Monate. Du errätst nie, was er mit mir gemacht hat.“
„Ihr wart nicht im Club, sondern seid an der Alster entlang spaziert und habt ein Mitternachtseis gegessen.“
Sophia winkte ab und nahm ihren Cocktail entgegen. „Ach Quatsch. So was Spießiges mach ich nicht.“
Auch Magdalena erhielt ihr Getränk und schaute neugierig über den Rand des Glases hinweg. „Nun erzähl schon. Deine Sexgeschichten retten mir sämtliche Montagabende.“
Interessiert lauschte sie der Erzählung von Sophia, wobei sich ihre Stirn immer weiter runzelte. „Gleich am Tresen? Ernsthaft?“
„Ich konnte danach kaum stehen, so geil war es. Der Kerl, Frederik, brachte mich nur mit einem Eiswürfel und seinen Fingern soweit. Stell dir vor, was er mit seinem Schwanz zu vollbringen vermag…“
Sophia prostete ihr zu und schmunzelte wissend zu ihr hinüber.
„Das heißt, du gehst mit ihm in den Swingerclub?“, fragte Magdalena abschätzig. Sie kannte Sophia. Bisher hatte es sie nicht gereizt, in ein solches Etablissement zu gehen.
„Ich habe eine Wette verloren, also muss ich wohl.“
Neugierig betrachtete Lena ihre beste Freundin, deren Füße nervös auf und ab wippten, während die Finger ein wenig zu hektisch nach dem Cocktailglas griffen. „Du überlegst ernsthaft da hinzugehen“, stellte sie entsetzt fest.
Sophia lehnte sich nach vorne und packte ihren Arm. „Ja, doch ich will nicht alleine hin. Bitte, bitte, komm mit.“
Rasch entzog sie Sophia ihre Hand. „Bist du wahnsinnig? Was soll ich da? Mir alte Leute, ihre hängenden Bäuche und andere schrumpelige Anhängsel anschauen?“
„Ich habe mich schon erkundigt. Du kannst im vorderen Bereich bleiben und machst nichts. Einfach nur in der Nähe bleiben. Es kostet dich keinen Cent, nur die Zeit, einen Abend mit deiner besten Freundin zu verbringen.“ Der flehende Blick aus ihren rehbraunen Augen brachte Magdalenas Herz sonst jedes Mal zum Schmelzen, diesmal jedoch wollte sie nicht so fix nachgeben. Das Ziel gefiel ihr ganz und gar nicht.
„Weißt du, was du da tust? Du bist doch verrückt.“
„Frederik hat mir erklärt, dass es dort nicht so zugeht, wie man sich gemeinhin vorstellt. Von mir aus, nimm dir ein Buch mit, setz dich vorne hin. Nur lass mich bitte nicht allein.“
Magdalena biss sich auf die Lippe. Neugierde stieg in ihr auf, vertrieb den Verstand aus seinem Revier und übernahm die Herrschaft. Warum ließ sie sich nur immer von ihrer Freundin überreden? „Na, meinetwegen. Aber sobald mich der erste Kerl anspricht, den ich nicht mal mit der Kneifzange anfassen würde, bin ich da raus. Einverstanden?“ Magdalena hielt ihr die Hand hin, und Sophia schlug freudestrahlend ein.
„Du bist die Beste, Lena.“
„Ich weiß, ich weiß“, seufzte sie und griff nach ihrem Cocktail.
*
Der nächste Vormittag kam für Magdalena viel zu früh. Selbst unauffälliges Make-Up konnte nicht verhindern, dass man ihr die Müdigkeit schon von weitem ansah. Der morgendliche Gang durch die Firma erschien ihr erneut wie ein Spießrutenlauf. Aber wieder stellte sich nicht heraus, wer für den Ausrutscher auf der Feier in Frage kam. Hatte sie etwa mit einem Kunden geschlafen? Einzelne kamen zur Weihnachtsfeier. Die Erinnerung an den Kerl tauchte immer wieder auf, als ob sie sich in ihrem Kopf heimisch fühlte, sich ein Nest bauen wollte. Magdalena schüttelte sich, um die Gedanken zu vertreiben. Sie brauchte einen klaren Kopf.
Sanft klopfte sie an die Tür von Mathias Kuhns Büro und wartete auf ein Zeichen einzutreten. Statt einer Antwort öffnete sich die Tür kaum eine Sekunde später. „Oh“, entfuhr es ihr, und sie trat erschrocken einen Schritt zurück.
„Ihnen auch einen guten Morgen, Frau Fischer.“ Der hochgewachsene Mann mit den kurzen Haaren knöpfte sein Jackett zu, ehe er ihr die Hand reichte, die Magdalena rasch ergriff.
„Ähm, guten Morgen, Herr Kuhn. Ich sollte mich heute bei ihnen melden?“
Die Stirn des Gegenübers legte sich in Falten und zog dabei gleich die schmale Nase kraus. Jetzt sah er ein wenig irritiert aus, als ob er einen schlechten Geruch wahrnähme. Doch Magdalena konnte es nicht sein. Sie hatte sich kurz vorher frisch gemacht.
„Ja, kommen Sie bitte in mein Büro. Ich möchte Ihnen ein paar Instruktionen geben, sodass Sie wissen, was Sie bei der Zusammenarbeit im Projekt erwartet.“
Die nächste Stunde verbrachten sie mit der Besprechung. Magdalena vergaß die Zeit vollkommen. Als Mathias Kuhn auf die Uhr sah und mit der Hand auf den Schreibtisch schlug, merkte sie erst, wie spät es bereits war.
„Entschuldigen Sie, Frau Fischer. Ich halte sie von Ihrer Mittagspause ab.“
„Schon in Ordnung. Ich hatte sowieso keine Verabredung für heute.“
„Das passt ja. Kommen Sie, wir essen flugs gemeinsam etwas, danach können wir die Rahmenbedingungen erörtern.“
Zunächst zögerte Magdalena. Mit ihrem eventuell zukünftigen Chef zum Mittag treffen? Worüber sollte sie nur mit ihm sprechen?
Er schien ihr Zögern zu bemerken und bedeutete ihr vorwärts zu gehen. „Keine Sorge. Ich beiße sie nicht, und ich verspreche, nicht über die Arbeit zu reden.“ Sein freundliches, warmes Lächeln überzeugte sie schließlich.
„Warum nicht?“ Magdalena schmunzelte und lief neben ihm her. Allerdings nur bis zur nächsten Tür, die er ihr wieder aufhielt. Sie verbrachten eine spaßige Mittagszeit, da sie feststellten, dass sie dieselbe Comedyshow liebten, was Gesprächsthema genug für eine ganze Stunde bot.
Magdalena verlor mehr und mehr die Angst vor ihrem Chef. Am Ende bot er ihr bereits das Du an. Ebenso unkompliziert verabredeten sie sich an den folgenden Tagen zur Mittagspause. Im Verlauf der restlichen Woche schlich sich Mathias in ihre Träume und verdrängte damit den pochenden Nachhall, den sie jedes Mal in ihrem Schoß empfand, wenn sie aufwachte und an den sexuellen Ausrutscher auf der Weihnachtsfeier dachte. Da sich in der Firma niemand fand, der sie auf ihren Fauxpas ansprach, verdrängte sie ihn langsam. Auch wenn das Misstrauen gegenüber einigen Männern, die sie scheinbar heimlich beobachteten, blieb.
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