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voran Sparky. Ich vermisste ihre Nähe, die Art und Weise, wie sie in mich hineinsahen und mich beruhigten. Ich vermisste die Momente der stillen Vertrautheit und auch jene, in denen sie mich zum Lachen gebracht hatten. Ich vermisste … einfach alles an ihnen. Aber das hier … Wieder sah ich zu dem Dunkelbraunen. Das war etwas vollkommen anderes, als ich mir von unserem Ausflug erhofft hatte. Nichts daran erinnerte an die tiefe Verbindung zwischen Pferd und Mensch, wie ich sie nun kannte. Edward hatte immer davon gesprochen, dass die Arbeit mit Pferden auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt basierte. Es war ihm wichtig, jedem Pferd das Gefühl zu geben, etwas Besonderes zu sein und … Mist, jetzt hatte ich doch an ihn gedacht. Ich biss mir auf die Zunge und blinzelte mehrfach, um die Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen. Edward, wie ich ihn kennengelernt hatte, gab es nicht mehr. Nur noch Tristan. Prinz Tristan, der seit Tagen Seite an Seite mit dem französischen Präsidenten über die Fernsehbildschirme lief und dabei so fremd wirkte, als hätten wir uns nie gekannt.

      »Alles okay?«, fragte Livy von der Seite. »Du wirkst so abwesend.«

      »Ich …« Ich musste bloß gerade wieder an diesen Idioten denken, obwohl ich mir geschworen habe, es nicht zu tun. »… war nur in Gedanken.«

      Sie legte den Kopf schief und betrachtete mich lange. »In Gedanken an ihn?«

      Sofort schoss mein Blick in ihre Richtung und ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen strömte. Woher …?

      »Schon okay.« Livy legte ihre Hand über meine und drückte sie. »Das muss dir nicht peinlich sein. Im Gegenteil. Es zeigt doch nur, dass er dir noch etwas bedeutet.«

      Ich will aber nicht, dass er mir noch etwas bedeutet.

      »Er hat mich belogen«, sagte ich mit aufeinandergepressten Zähnen und starrte so intensiv auf die Bahn, als hätte das Rennen bereits begonnen. Er hat vorgegeben, jemand zu sein, der er nicht ist. Und stattdessen ist er der verdammte Prinz von England! Der Prinz! Schlimmer konnte es nicht sein.

      Einen Moment lang standen wir schweigend nebeneinander und ich hatte den Eindruck, dass Livy gerne etwas sagen wollte, aber nicht genau wusste, wie ich darauf reagierte. Schließlich löste sie ihre Hand von meiner, wühlte in ihrer Handtasche und zauberte eine Tüte Fruchtgummikatzen hervor. Sie riss sie auf und hielt sie mir entgegen. Ich griff hinein, schob mir eine in den Mund und kaute geistesabwesend darauf herum.

      »Denkst du noch viel an ihn?«, fragte Livy und ich spürte ein Stechen in meinem Bauch.

      Nein, überhaupt nicht. Ich bin über ihn hinweg. Die Worte lagen mir bereits auf der Zunge, doch dann hielt ich inne und seufzte. Ich wollte Livy nicht belügen.

      »Jeden Tag«, gestand ich leise, ohne sie anzusehen. »Aber das ändert …«

      Gar nichts, hatte ich sagen wollen. Doch da erhob sich die Stimme des Rennbahnsprechers erneut. »Damon Dreams ist nach etwas Überredung nun auch bereit. Das Starterfeld ist somit komplett.« Eine Klingel ertönte. »Und da gehen die Boxen auf für das dritte Rennen des heutigen Tages!«

      Spannung kam in das Publikum, Gemurmel wurde laut. Neben mir zückte eine Frau ihr Fernglas.

      Das ändert gar nichts, sagte ich mir noch einmal. Rein. Gar. Nichts. Dann stützte ich die Unterarme auf den Zaun und beugte mich vor, um die Pferde besser sehen zu können. Gerade galoppierten sie auf den ersten Bogen zu, ganz vorne der Fuchs, der mir am Anfang aufgefallen war.

      Wieder meldete sich der Kommentator zu Wort: »In diesem Rennen laufen die Pferde über 2.400 Meter. Falcon Legend führt das Feld an, dahinter Ghostwriter vor Casanova. Jetzt kommt Ghostwriter nach vorne. Ghostwriter, vor Falcon Legend. Casanova, dann Crown Eagle mit der Acht.«

      Ich beobachtete, wie die Reiter die Bahn umrundeten. Je weiter sie kamen, desto aufgeregter wurden die Zuschauer.

      »Komm schon, Crown Eagle!«, rief ein Mann schräg hinter uns und klatschte wild in die Hände. »Zeig’s ihnen!«

      »Und da kommen sie auf die Zielgerade! Ghostwriter vor Falcon Legend. Casanova, Crown Eagle, Damon Dreams. Dann Santo, Easy Fly und Calico.« Die Stimme des Rennbahnsprechers überschlug sich. Die Zuschauer drängten zusammen, reckten die Köpfe und applaudierten. Auch Livy hüpfte begeistert auf und ab. Wie von selbst suchten meine Augen nach dem dunkelbraunen Hengst mit der roten Satteldecke. Ich entdeckte ihn am Rand der Gruppe und sah, wie er mit riesigen Galoppsprüngen aufholte, an dem Feld vorbeizog und sich an die Spitze setzte.

      »Und da kommt er nach vorne!«, rief der Sprecher ungläubig. »Damon Dreams, der Außenseiter! Er setzt sich an die Spitze, dicht gefolgt von Ghostwriter. Damon Dreams. Ghostwriter. Damon Dreams! Damon Dreams gewinnt das Rennen vor Ghostwriter, Ladies and Gentleman. Was für ein Finish! Auf dem dritten Platz Crown Eagle, dann …«

      Neben mir kreischte eine Frau so laut, dass ich mir am liebsten die Ohren zuhalten wollte. Sie hielt ihren Wettschein in die Luft und fiel ihrem Mann in die Arme. Auch hinter mir hörte ich Menschen johlen. Andere fluchten.

      Über den Handybildschirm verfolgte ich, wie die Pferde ausgaloppierten, und dachte erneut an die gemeinsame Zeit mit Mariscal. Stille Momente, in denen wir dennoch gewusst hatten, was der andere gerade dachte. Das war es, was mich immer an ihm fasziniert hatte.

      Um mich herum ebbte der Applaus ab, Gemurmel wurde laut und ich hörte vereinzeltes Lachen. Ich seufzte und trat vom Zaun zurück. Zwischen all diesen bunt gekleideten Menschen, von denen die meisten, so glaubte ich, die Pferde nicht verstanden und sie nicht wahrnahmen wie ich, fühlte ich mich so einsam wie schon lange nicht mehr.

      Damon Dreams wurde in den Siegerring gebracht. Er tänzelte immer noch, doch sein Jockey blieb gelassen und führte ihn am Zaun entlang, ehe er neben dem Pavillon in der Mitte der Fläche zum Stehen kam. Livy lächelte in die Kamera. Ich zeigte ihr den hochgestreckten Daumen und sie fasste das Rennen für die YouTube-Zuschauer noch einmal zusammen. Dabei betonte sie, wie sehr sie sich für die Besitzer des Pferdes über den unerwarteten Sieg freute. »Und das zeigt wieder einmal, dass wir nie den Glauben an uns selbst verlieren dürfen, egal was andere von uns denken«, beendete sie ihre Rede und bedeutete mir mit einem Handzeichen, dass ich nun zur Bühne heranzoomen sollte. Ich nickte, um ihr zu zeigen, dass ich verstanden hatte. Zeitgleich betrat der Moderator die Bühne. Er lobte Damon Dreams überschwänglich, gratulierte den Besitzern und legte dabei so viel Dramatik in seine Stimme, dass er mir bald auf die Nerven ging.

      Spitzenpferd des Jahresverdienter SiegBla, bla, bla … Spitzenpferd, ach ja? Vor wenigen Minuten war er noch der Außenseiter gewesen. Ich schüttelte den Kopf, hielt aber sogleich wieder inne, als die Kamera wackelte.

      »Und deshalb …«, verkündete der Moderator, »… ist es mir eine große Ehre, Ihnen allen mitteilen zu dürfen, dass dieser Preis heute von einem ganz besonderen Ehrengast überreicht wird.«

      Ein Raunen ging durch die Menge und ich wurde unsanft zur Seite gestoßen. Was zur …?

      »Na, meine Damen, ist das eine gelungene Überraschung?«, lachte der Sprecher. Die Nationalhymne erklang. Mädchen kreischten. Erwachsene Frauen kreischten. Sogar manche Männer. Fähnchen wurden geschwenkt. Fragend sah ich zu Livy und stellte erschrocken fest, dass sie blass geworden war.

      »Das wusste ich nicht«, beteuerte sie, die Augen weit aufgerissen. »Wirklich.«

      Was meinte sie? Ich bewegte die Kamera in die Richtung, in die alle sahen, und erstarrte. Ein Pulk von Securitymännern marschierte in den Ring, alle in schwarzen Anzügen, mit Sonnenbrillen und ernsten Gesichtern. Einer davon kam mir bekannt vor. Ordentlich gestylte Haare, Vollbart, Sonnenbrille. Ich vergaß vor Schreck zu atmen. Das war Sixton, Edwards persönlicher Bodyguard. Und hinter ihm zwei Gestalten, die langsam und erhaben in den Ring traten: ein Mann mit silbernen Haaren, weißem Anzug, verkniffenen Lippen und Siegelringen an jeder Hand. Und neben ihm, mit blonden Haaren, schwarzem Frack, Zylinder auf dem Kopf und blütenweißen Handschuhen … Edward. Zentimeter für Zentimeter ließ ich die Kamera sinken und konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Auf einmal fiel es mir schwer zu atmen. Ich wollte zurückweichen, aber ich stieß nur gegen die Person hinter mir und erntete


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