IMMER AUSSCHLAFEN IST AUCH KEINE LÖSUNG. Axel Beyer
Momenten. Allerdings gestehe ich offen, dass ich in der nächsten Zeit wohl lieber auf weitere Bahnreisen und Beweise Ihrer kreativen Fachabteilungen verzichten möchte, weil ich nicht weiß, ob ich diesen nervlichen Reizen auf Dauer standhalten kann.
Meine Bahncard werde ich daher separat zurückgeben. Aber natürlich drücke ich die Daumen, dass möglichst viele Ihrer Kunden mit Verständnis und Bewunderung auf Ihre Aktivitäten reagieren.
Ach ja, und die Reservierungsgebühr für die nicht genutzten Plätze in Wagen 11 nehme ich einfach als Lehrgeld, denn als „Leergeld“ wäre das heute nicht zu bezeichnen gewesen. Und mein Onlineticket lege ich in Kopie bei, damit Sie nicht etwa meinen, ich hätte mir das ausgedacht. Aber seien wir ehrlich – auf so viele wunderbare und schräge Ideen könnte nicht einmal ich kommen, das kann nur Die Bahn.
Mit freundlichen Grüßen“
Der Fairness halber weise ich darauf hin, dass mir die Bahn wenig später antwortete, zwar darin viele Textbausteine benutzte, aber sich auch für meine „ausführliche und bildhafte Schilderung“ bedankte. Dazu gab es einen Gutschein, den ich bei der nächsten Reise verrechnen lassen könne. – Danke!
Auch dafür, dass die nächste Bahnfahrt ähnlich chaotisch verlief. Aber das ist dann eine andere Geschichte. Und nun erzählen Sie Ihre Bahngeschichte!
Credo
Eine Freundin bemerkte neulich, dass ich nicht zu denen gehöre, die sich über das Älterwerden beklagen. Warum auch? Ich wollte schon als Kind immer älter werden, weil man dann so viel darf. Und heute darf ich. Das ist mein Credo.
Natürlich verändert sich der Blick auf das Hier und Jetzt, manche Dinge bekomme ich sehr viel deutlicher mit – sogar gelassener. Ja, ich. Gelassener. Und manchmal frage ich mich, wieso ich das erst jetzt bemerke. Einige Eigenschaften oder Fähigkeiten nehmen ab, die Macken nehmen zu. Und man selber auch. Das ist nur mit Humor zu ertragen. Das gehört auch zum Credo.
Und auch wenn man das Gefühl hat, dass man nur als Einzige oder Einziger davon betroffen ist – es geht allen so, die plötzlich nach Pubertät und Arbeitsleben mit einem neuen Lebensabschnitt zurechtkommen müssen. Denn wie sang schon einst Roy Black „Du bist nicht allein…“. Und alle, die nicht wissen wer Roy Black war, die sind noch nicht alt genug.
Komisch, wenn man an sich selbst plötzlich feststellt, dass das Namensgedächtnis auch nicht mehr das ist, was es mal war. Und dass auch die Hörfähigkeit zwar ab-, das Lärmempfinden aber zunimmt. Und dabei kennen wir uns doch im Leben aus, uns macht da keiner etwas vor – allenfalls beim Schmahtfohn.
Also nehmen wir das Älterwerden nicht zu ernst – denn ändern können wir es ohnehin nicht. Die Alternative wäre jung zu sterben – und dafür sind wir schon zu alt. Nein, sehen wir die positiven Seiten und freuen wir uns, dass wir nicht mehr müssen müssen. Sondern allenfalls dürfen dürfen. Zumindest solange wir noch können können.
Grantelnde Alte gibt es genug, die machen nur sich und anderen den Rest des Lebens schwer. Ein Lächeln ist die beste Art, dem Alter die Zähne zu zeigen. Und wenn es die Dritten sind. Mit uns muss keiner Mitleid haben, denn wir leiden nicht, sondern freuen uns unseres Lebens. Solange wie es dauert.
Ich jedenfalls habe ja jetzt Zeit, will nichts mehr werden und muss nicht mehr, sondern möchte allenfalls noch. Sie auch?
Aber was fängt man an mit der gewonnenen Zeit. Immer nur ausschlafen ist auch keine Lösung. Und wenn mir früher oft die 24 Stunden eines Tages nicht genügten, so merke ich jetzt doch, wie lang 24 Stunden sein können. Und ich habe ja jetzt Zeit. Und dann frage ich mich – wofür? Gut, man könnte die Biografie von Helmut Schmidt lesen.
Aber sonst? Dafür, dass man ausschlafen könnte, aber nicht kann? Dass man in Ruhe reisen will, aber nicht gelassen wird? Dass man eigentlich Zeit hat, andere einem diese aber stehlen? Sie kennen diese Momente? Dann willkommen! - Wobei Sie einen Satz in diesem Glaubensbekenntnis nicht hören oder lesen werden: Kein „früher war alles besser“, kein Selbstmitleid. Nein, denn wir sind zwar älter, aber nicht blöd, und wir wissen genau: Besser war es definitiv nicht, nur eben ganz anders.
Diät
Sie wissen sicher aus allen guten Ratgebern, dass man – wie immer wieder zu lesen ist – auf seine Ernährung achten soll. Oh ja, ich achte immer darauf, dass ich mich ernähre. Und zwar gut. Und gerne. Gut, das habe ich bis jetzt noch nicht gelesen, aber warum soll man sich die viele vorhandene Zeit mit schlechtem Essen versauen? Niemand sollte sich die Zeit mit schlechtem Wein verderben, hat schon der olle Goethe gesagt. Zumindest so ähnlich. Und da Goethe zu allem was gesagt hat, ist es immer gut so ein Zitat parat zu haben. Schiller täte es zur Not auch. Oder Helmut Schmidt.
„Hast du schon abgenommen?“ – so begrüßt mich immer wieder eine gute Freundin oft am Telefon. Und trotz dieser Frage ist sie noch eine gute Freundin. Dabei müsste sie die Antwort längst kennen. NATÜRLICH NICHT! – Warum auch. Ich fühle mich ja wohl, so wie ich bin. Ich bin ja nicht dick. Höchstens als Kind mal in den Zaubertrank gefallen.
Mein Hausarzt runzelt zwar immer die Stirn wenn ich mein Gewicht nenne, aber das ist bestimmt bloß Neid. Und wenn die Bekleidungsindustrie ständig die Größenbezeichnungen ändert, da kann ich doch nichts dafür. Erwähnte ich schon, dass meine Waage immer falsche Zahlen… ach so. Nun ja, manchmal erzählt man Dinge doppelt. Auch so eine merkwürdige Veränderung.
Dennoch, ich gebe es zu, habe ich mich von Zeit zu Zeit an Diäten versucht. Also nicht im Bundestag, sondern was das Essen angeht. Meist aus Solidarität, gemeinsam mit einer Freundin. Nicht, dass ich es brauchte, aber ich wollte moralischen Beistand leisten.
Ich lebe bewusst nach dem alten Sprichwort: „Wenn man sein Gewicht halten will, dann muss man auch mal essen, wenn man keinen Hunger hat“. Da habe ich mir nun über viele Jahre mit Mühe und Einsatz finanzieller Mittel mein Kampfgewicht erarbeitet und nun soll ich erneut viel Geld ausgeben, um NICHTS zu essen zu bekommen? Wie unsinnig kann eine solche Überlegung sein…
Aber gut. Bereits erwähnte Freundin und ich machten die Thalasso Diät. Das bedeutet baden und Gymnastik im Meerwasser, gut – das lasse ich mir gefallen. Allerdings auch nur Mineralwasser trinken – das versaute mir den Aufenthalt schon eher. Zu essen gab es nur Eiweiß und Gemüse, keine Kohlehydrate. Vor allem kein rotes Fleisch. Na, herzlichen Glückwunsch!
Zur Begrüßung gab es einen großen Berg Austern und Krebse. Einen Fisch hätte ich freudig umarmt, aber Austern mag ich nur gepaart mit der Zusage, dass sich innerhalb der Schale eine Perle befindet. Sonst kann diese Muschel meinetwegen die Schale geschlossen halten. Und Krebs ist mir schon als Sternzeichen eher fremd. Ein Königreich für eine Scheibe Brot!
So ging es über Tage. Manchmal kam man wegen des vielen Wassers um einen rum und in einem drin kaum vom Klo runter, aber was sollte es – man versäumte ja nix. Schon gar nicht beim Essen. Bereits nach wenigen Tagen schien uns das ganze Hotel nach frischem Weißbrot zu duften und im Dämmerlicht schwebte irisierend ein Glas Rotwein vor meinen Augen. Aber wir hielten durch und wurden durch purzelnde Pfunde belohnt. Kurzfristig. Unnötig zu erwähnen, dass es nur Wochen dauerte, bis die Waage sich wieder auf Vorkriegsniveau einpegelte.
Aber werden Menschen nun aus solchen Desastern klug? Nein – jedenfalls nicht alle. Schon etliche Kilo später kam meine andere gute Freundin (ja, ich habe mehrere – trotz der Diäterfahrungen) mit einem ganz neuen Mittel an. Das würde in einer Praxis intramuskulär gespritzt und befeuere geradezu den Fettabbau. Ich wusste zwar nicht genau welches Fett sie da angeblich bei mir gesehen haben wollte, aber da sie so enthusiastisch wirkte, schlug ich abermals ein.
Auch hier gab es mehr Vorschriften dazu, was man alles NICHT zu sich nehmen durfte, als auf der Positiv-Liste zu finden waren. Darunter diesmal positiv ganz viel rotes Fleisch, was diese Idee schon mal um Längen vor Thalasso brachte. Jeden Tag wurde man gepiekt und mit fettabbauender Lösung erfreut. Und wenn man mehr als 5 Kilo abnahm, dann ertönte eine Glocke im ganzen Sp(r)itzeninstitut.
Selbst ich brachte es zum Glockenklang, erstaunlicherweise. Hätte nie gedacht, dass ich so ohne gesundheitliche