Die Zuckermeister (1). Der magische Pakt. tanja Voosen
Tanja Voosen
Die Zuckermeister
Der magische Pakt
Tanja Voosen arbeitet Vollzeit als Dosenöffnerin für ihren Kater Tiger und nutzt ihre freien Stunden, um Kinder- und Jugendbücher zu schreiben. Sie wurde 1989 in Köln geboren, floh aber kurz darauf in die Eifel, wo sie bis heute auf der Suche nach einem magischen Abenteuer durch die Wälder irrt. Trotz ihres »süßen Talents« überlässt sie lieber ihren Romanfiguren das Herstellen von magischen Süßigkeiten, da ihre Kreationen immer auf seltsame Weise gleich wieder verschwinden. Wie jeder richtige Autor hat sie unzählige Regale voller Bücher und findet ihre Ideen natürlich stets durch völlig absurde Träume.
Mehr von Viktoria Gavrilenko findet man
unter https://viccolatte.artstation.com/.
1. Auflage 2020
© 2020 Arena Verlag GmbH
Rottendorfer Straße 16, 97074 Würzburg
Text © 2020 Tanja Voosen
Alle Rechte vorbehalten
Dieses Werk wurde vermittelt durch die
Michael Meller Literary Agency GmbH, München
Cover- und Innenillustrationen: Viktoria Gavrilenko
Lektorat: Laura Held
Umschlaggestaltung: Juliane Lindemann
Layout und Satz: Malte Ritter, Berlin
E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net
E-Book ISBN 978-3-401-80872-7
Besuche den Arena Verlag im Netz:
www.arena-verlag.de
Für die Menschen, die Zucker und Zauber in mein
Leben bringen: meine Mutter, Steffi und Tim,
Fabian und Carina. Und für Laura H., ohne die
es dieses Buch niemals gegeben hätte.
Regen klopfte gegen das Fenster und Elinas Spiegelbild sah traurig zurück.
»Wieso muss es auch ausgerechnet heute regnen«, murmelte sie.
Elina hatte sich so auf das Feldhockeyspiel gefreut, doch vor einigen Stunden war es über die Telefonkette ihres Teams abgesagt worden.
Auf matschigem Rasen und bei starkem Wind nützte die coolste Schusstechnik nichts. Seufzend lehnte sie sich zurück in den Kissenberg, den sie an ihrem Lieblingsplatz, vor dem breiten Erkerfenster, aufgetürmt hatte.
Ob sie mal gucken sollte, was Opa und Piet so trieben? Neee!
Doch im selben Moment brüllte ihr Bruder: »Elina, wir machen Kakao!«
»Mit Marshmallows!«, rief Opa Alfred hinterher. »Komm zu uns!«
Na gut! Was Süßes vertrieb das traurige Gefühl in ihrem Bauch bestimmt.
Draußen rollte ein lautes Donnergrollen über den Himmel und Elina lief rasch in die Küche. Gesellschaft war bei Gewitter sowieso schöner! Sie musste sofort grinsen, als sie sah, wie Piet mit der Sahnesprühflasche kämpfte und Opa ihm half, damit die Wände keinen neuen Anstrich bekamen. Elina trat zu den beiden an den Tisch.
»Wer möchte Marshmallows?«, fragte ihr Opa fröhlich.
Was für eine Frage! Elina und Piet liebten Marshmallows!
»Ich will mindestens zehn!«, schoss es aus Piets Mund.
Er war acht und glaubte, wenn er alle mit seinen großen blauen Augen flehend ansah, würde sich jeder seiner Wünsche erfüllen. Mama durchschaute diesen Trick immer, aber es würde nicht lange dauern, bis Opa einknickte.
»Es ist Tradition im Hause Pfeffer, dass wir die Marshmallows abzählen«, sagte ihr Opa mit einem Oberlehrerblick. »Die richtige Zahl entscheidet über den Geschmack.«
Elina verkniff sich ein Lachen. Opa war manchmal echt komisch!
»Sechs ist Opas Glückszahl, das weißt du doch«, sagte Elina zu Piet.
»Meine Glückszahl wäre die zehn!«, erwiderte ihr Bruder. »Oder zwanzig!«
Mit amüsiertem Blick bedachte ihr Opa Piet, doch als er Elina ansah, wirkte er plötzlich nachdenklich. »Wir machen jetzt den Kakao fertig und dann zeige ich euch was Besonderes. Das bringt euch auf schöne Gedanken.«
»Einen neuen Zaubertrick?«, fragte Piet.
Die Antwort war ein verschwörerisches Zwinkern. »Was Besseres!«
Elina und Piet setzten sich im Wohnzimmer nebeneinander aufs Sofa und tranken ihre heiße Schokolade. Sie war unheimlich lecker und ein echtes Trostpflaster für Elina, denn sie wärmte von innen heraus. Inzwischen war ihr Opa kurz im Keller verschwunden und kam nun mit einer Holztruhe in den Händen wieder. Er legte sie auf dem Tisch ab und machte es sich im Ohrensessel gemütlich. »Möchtet ihr raten, was drin ist?«
Piet beugte sich neugierig vor. »Ein geheimer Schatz?«
»Erinnerungsstücke«, riet Elina mit.
»Damit liegt ihr beide goldrichtig!«
Elina war insgeheim froh, dass ihr Opa nicht irgendeinen Zaubertrick vorführen wollte. Für sie war bei seinem magischen Hobby die Luft raus, seitdem sie vor Jahren herausgefunden hatte, dass hinter jeder Magie Logik steckte. Feldhockey fand sie außerdem inzwischen viel spannender als hinterm Ohr hervorgezauberte Bonbons oder Blumen, die aus einem Hut kamen.
Ihr Opa überließ es Piet und Elina, die Kiste zu öffnen. Darin befanden sich ein zerlesenes Buch, mehrere vergilbte Fotos, einige Edelsteine und anderer Krimskrams.
»Die Sachen sehen echt alt aus«, meinte Elina.
»Sind die besonders?«, fragte Piet.
»An jeder davon hängen kostbare Erinnerungen. Für mich sind sie besonders und sogar magischer als alle Zaubertricks der Welt. Denn man trägt sie immer im Herzen.«
Elina nahm eines der Fotos heraus, für das Piet sich eher weniger interessierte. Es zeigte zwei Jungs in ihrem Alter. Sie standen nebeneinander, die Arme freundschaftlich über die Schulter des jeweils anderen gelegt, und strahlten um die Wette.
»Das war ein wundervoller Tag damals. Wir waren am See, bis es dunkel wurde, und haben so viel gelacht, dass uns die Bäuche wehtaten. Ich wollte abends gar nicht nach Hause fahren«, erzählte ihr Opa, während Piet seine Tasse leer schlürfte.
»Opa!«, quengelte ihr Bruder sofort los. »Ich möchte noch was!«
Elina verdrehte die Augen. Dass Piet immer dazwischenquatschte, wenn er das Interesse an etwas verlor, nervte. Sie wollte gerne den Rest der Geschichte hören. Für einen Moment hatte sie nämlich nicht an das abgesagte Feldhockeyspiel gedacht.
Opa legte seine Hände aneinander und pustete hinein. Als er sie wieder öffnete, kam ein Karamellbonbon zum Vorschein, das er Piet hinhielt. »Hier.«
»Danke!« Piet stopfte es sich begeistert in den Mund und schmatzte los.
Und schon war ihr Opa eingeknickt … Elina musste sich ein Grinsen verkneifen.
»Zu Regenwetter und Kakao gehört eine Geschichte«, erklärte Opa nun weiter. »Ich kannte mal einen Jungen. Seine Familie lebte, soweit sie zurückdenken konnte, in Belony. Sie hatten nicht besonders viel Geld und er träumte davon, eines Tages aus der Stadt zu kommen, an einen Ort, wo es ihm besser gehen würde. Doch in dem Sommer, als er zwölf war, genauso alt wie du jetzt Elina, hörte er von einer Legende.«
Ȇber