Älterwerden ist nichts für Anfänger. Bernard S. Otis

Älterwerden ist nichts für Anfänger - Bernard S. Otis


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von der Arbeit nach Hause kommen würde.

      Ich habe bereits erwähnt, dass dies für mich eine äußerst glückliche und erfüllende Zeit war, aber auch eine sehr beängstigende.

      Wegen des Jobs meines Vaters war unsere Wohnung jeden Freitagabend voll von armen Verwandten und Freunden. Ich beobachtete interessiert, wie meine Eltern ihnen Geld und Lebensmittel schenkten, die sie aufgrund von Vaters Arbeit erhalten hatten. Rückzahlungen akzeptierte mein Vater nie, und als ich ihn nach dem Grund fragte, wiederholte er die bereits erwähnten Worte, die ich nie vergessen werde: »Hilf anderen, einen glücklichen Weg zu finden.«

      Mit einem Mal war die Welt in Ordnung. Alles war so »richtig« und »gut«, weil sowohl meine Mutter als auch mein Vater so großzügig waren, dass mir klar wurde, was für besondere Menschen sie waren.

      Und schließlich begriff ich.

      Sie beschützten mich nicht, sondern sorgten dafür, dass ich so sorgenfrei wie möglich aufwuchs, in einem glücklichen Zuhause, mit guten Werten. Damit konnte ich, als ich älter wurde, anderen den Weg aufzeigen.

      Ich war nicht mit allem, was sie mir sagten, einverstanden, aber heute ist mir klar, was für ein Glück ich als Kind hatte. Und dann wachte ich im Augenblick meiner Erleuchtung plötzlich auf.

      Was für ein Timing! Ich wollte die Wärme meines Elternhauses nicht verlassen. Ich hatte Tränen in den Augen. Die Erinnerung an meine Eltern, die so jung gestorben sind, beschäftigte mich. Erschreckt setzte ich mich im Bett auf, und in diesem Moment wurde mir klar, dass ich selbst ein wirklich alter Mensch war – wie die meisten meiner Freunde. Ich unterschied mich nicht von den anderen Senioren, mit denen ich als kleines Kind zusammengelebt hatte.

      Und ich fing an zu weinen …

      WEISHEITS ◇ NUGGET # 3

      Bewahren Sie sich Ihre Gesundheit, damit Sie aktiv und kreativ bleiben können. »Ruhestand« bedeutet nicht, das Leben aufzugeben.

      Man braucht sich nicht zu bemitleiden, wenn die Jugend vorbei ist.

      Großmutter Moses fing mit achtzig an zu malen. Ronald Reagan wurde erst mit 61 Jahren Gouverneur von Kalifornien. Mahatma Gandhi wurde erst im fortgeschrittenen Alter Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Charlie Chaplin, Clint Eastwood und andere arbeiteten mit über siebzig und darüber hinaus als Filmregisseure. Frank McCourt, der Autor des Weltbestsellers Die Asche meiner Mutter, begann erst mit über sechzig mit dem Schreiben. Leonardo da Vinci erstellte mit über sechzig Jahren Skizzen, Leo Tolstoi schrieb noch mit siebzig Romane. Anthony Burgess, der Autor von Uhrwerk Orange, begann erst mit über vierzig Jahren zu schreiben. Michelangelo fertigte noch im Alter von über achtzig Jahren Skulpturen an.

      Marvis Lingren begann mit über sechzig, Marathon zu laufen, und nahm viele Jahre lang weltweit an Marathonläufen teil. Mit 103 Jahren stellte Ben Levinsen bei der Seniorenolympiade Weltrekorde im Kugelstoßen auf.

      Bernard Herzberg legte mit über achtzig Jahren seinen Universitätsabschluss in Deutsch, der Sprache seiner Vorfahren, ab. Davor hatte er die Sprache nie gesprochen.

      Für diese Erfolgsmenschen war der Ruhestand natürlich keine Option.

      Ich proste ihnen mit einem Glas herrlichen Rotwein zu – der ist gut für den Blutdruck, Sie wissen schon.

      Manchmal träume ich von meinen jungen Jahren, dann wache ich auf und bin nach dem Rückblick auf meine Jugend wieder alt und bemitleide mich. Und dann geht es wieder vorbei.

      Haben Sie sich je bemitleidet? Ist es vorübergegangen? Selbstverständlich, so, wie Ihre Jugend vergangen ist. Und Ihre besten Jahre vergehen werden, und Sie eines Tages … Das ist ein kurzes Kapitel. Kurz wie das Leben.

      WEISHEITS ◇ NUGGET # 4

      Die Zeit fliegt dahin. Sorgen Sie dafür, dass jeder Augenblick zählt.

      Hauptsächlich für meine Leser unter fünfzig sei wiederholt:

      DIE ZEIT VERGEHT SCHNELL.

      Es heißt, wir Älteren würden uns an nichts erinnern, aber ich wiederhole es, bis Sie es ebenfalls wiederholen:

      DIE ZEIT VERGEHT SCHNELL.

      In diesem Sinne: Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen, meinen Lesern, die Hand in Freundschaft reiche.

      Weil man wirklich nicht weiß, was man nicht weiß, bis man es weiß (versuchen Sie, das dreimal schnell hintereinander zu sagen). Sie sind in Ihren besten Jahren. Glauben Sie mir, Sie werden es später merken.

      Und ich habe die Weisheit erlangt, um Sie unbeschadet zu dieser Erkenntnis zu führen. Ein großer Vorteil, wenn man uralt ist.

      Sie haben mich verstanden?

      Der Kernspruch unter uns lautet, dass ein Mensch in dem Moment, in dem er geboren wird, zu sterben beginnt.

      Sie werden in diesem Buch jede Menge augenzwinkernden Humor finden, aber lassen Sie uns für einen Moment ernst sein: Das Leben ist voller Herausforderungen. Es kann schwierig sein und die Menschen niederdrücken. Man muss stark sein. Aber ebenso wichtig ist es, klug zu sein.

      Beispiele:

      Dr. Nancy Snyderman, die Medizinredakteurin der NBC Nightly News, berichtete von ihren Erfahrungen, als sie sich plötzlich um ihre betagte Mutter kümmern musste. Und sie erzählte, dass sie trotz der langjährigen Berichterstattung über medizinische Themen schlecht darauf vorbereitet war, mit den organisatorischen Problemen des mütterlichen Alterns umzugehen. »Pflegende versorgen die Patienten im Durchschnitt zwanzig Stunden pro Woche«, sagte sie, »aber viele sind der Meinung, dass es sich nach mehr anfühlt. Und wie ich muss etwa die Hälfte der Betroffenen diese Verantwortung mit einem Vollzeitjob unter einen Hut bringen.« Zwar schicken uns unsere Versicherungsgesellschaften und die staatlichen Gesundheitsorganisationen jährlich dicke Hefter mit detaillierten Informationen über unseren aktuellen Versicherungsschutz zu, doch man müsste Jurist sein, um die zutreffenden Interpretationen einiger dieser Bestimmungen und Regulierungen herauszufinden – das heißt, es ist buchstäblich unmöglich.

      Darüber hinaus führt die schlechte Kommunikation zwischen Arztpraxen und den Anbietern der für die Behandlung notwendigen Arzneimittel häufig zu massiven Zahlungen aus eigener Tasche, wenn man Behandlungsverzögerungen vermeiden will.

      Und das geht so weiter, als wäre es nicht schwierig genug, mit dem bevorstehenden Tod eines geliebten Menschen umzugehen.

      Als ich kürzlich einen 89-jährigen Ruheständler interviewte, fragte ich ihn, was er für den größten Fehler seines Lebens halte.

      Er sagte mir, er bereue es sehr, nicht mehr Zeit zum Knüpfen persönlicher Beziehungen aufgewendet zu haben, um die Einsamkeit zu verhindern, die er nun spüre – obwohl er eine wunderbare Frau und Familie habe.

      Es ist so traurig, ältere Menschen zu beobachten, die keine engen Freunde haben, die sie besuchen, mit denen sie ihre Lebenserfahrungen austauschen und denen sie vertrauen können. Das erinnert mich an folgende alte Geschichte:

      Ein achtzigjähriger Mann sitzt auf einer Bank im Central Park. Es ist fünf Uhr am Nachmittag, und er weint. Eine junge Geschäftsfrau kommt auf ihrem Heimweg vorbei, geht zu ihm und erkundigt sich, was los sei und warum er weine.

      Er antwortet: »Es ist schrecklich. Meine erste Frau ist genau heute vor einem Jahr gestorben, und ich erinnere mich, wie schwierig es für mich war, ihre Angelegenheiten zu regeln. Jetzt bin ich mit einer umwerfenden blonden und blauäugigen Frau verheiratet, die mich sehr gut versorgt. Sie ist so jung wie Sie. Sie kocht mir wunderbare Mahlzeiten und geht mit mir zum Essen, ins Theater und so weiter. Sie hält das Haus sauber, und wir führen eine schöne körperliche Beziehung.«

      Die Frau ist erstaunt und sagt: »Und warum weinen Sie dann?«

      Er antwortet: »Ich weiß nicht mehr, wo wir wohnen.«

      Mit anderen Worten: Lieben Sie Ihre Angehörigen, und genießen Sie das Leben, solange Sie es können. Es geht schneller – viel schneller – vorbei, als Sie denken.


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