Jenseits des Spessarts. Günter Huth

Jenseits des Spessarts - Günter Huth


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wird. Da wird es sicher die Notwendigkeit schneller Einsätze geben. Da muss ich vor Ort sein und deshalb ist an tägliches Pendeln nicht zu denken.“ Er stellte das Gebläse eine Stufe niedriger. „Bevor du denkst, ich würde die Wohnung nur wegen dir behalten, kann ich dich beruhigen. Ich hätte sie auf jeden Fall behalten. Wie Wohnungssituation in Würzburg ist extrem schwierig. Ich bin froh, wenn sie bewohnt ist und nicht ständig leer steht. Deine ganzen Möbel etc. kannst du einlagern, bis du eine feste Bleibe gefunden hast.“

      Sie fuhren eine Strecke wortlos dahin, weil der Verkehr Brunners Aufmerksamkeit beanspruchte. Plötzlich schob sich der Verkehr, trotz der Dreispurigkeit der Autobahn, zusammen und verdichtete sich.

      „So ein Mist“, schimpfte Brunner. Seine Hand bewegte sich in Richtung Schalter des Sondersignals.

      „Lass es gut sein“, bat Kerner. „Vielleicht dauert es nicht lange.“ Er setzte sich bequemer hin. „Deine Erzählungen über dein neues Aufgabengebiet sind etwas diffus. Was soll diese Soko bezwecken? An diesem Dienstwagen kann ich schon ersehen, dass du dich jetzt in einer höheren Liga bewegst.“

      „Das ist eine Polizeiaktion, die politisch von ganz oben angeordnet wurde und natürlich weitgehend geheim ist. Wir haben im Spessart, in den Grenzgebieten zu Hessen und in Teilen Frankens ziemlichen Ärger mit zwei arabischen Clans, die sich dort wie ein Krebsgeschwür eingenistet und breitgemacht haben. Sie handeln mit allen möglichen Waren und Gütern und zahlen mit ihren legalen Geschäften auch Steuern. Das Problem ist, dass viele dieser Menschen keinerlei Interesse haben, unseren Staat anzuerkennen. Sie machen ihre eigenen Gesetze, die sich überwiegend an die Scharia halten. Die Frauen werden oftmals unterdrückt und es wird auch die Zwangsehe praktiziert. Nicht hier in Deutschland, dazu sind sie zu schlau. Die Familien lassen die Mädchen entführen und die Hochzeit findet dann in Syrien, dem Irak oder einem anderen arabischen Land statt. Es gibt natürlich auch Mädchen, die sich dieser Praxis widersetzen. Vielleicht weil sie einen deutschen Mann oder einen anderen Nichtmuslim kennengelernt haben. Diese Frauen sind in ständiger Gefahr, vom eigenen Vater oder einem Bruder oder einem Cousin zur Rettung der Familienehre ermordet zu werden.

      Vor kurzem hatten wir einen Prozess vor dem Schwurgericht in Würzburg. Ein junger Moslem hatte seine Schwester erschossen, weil sie sich in einen Deutschen verliebt hatte und sich weigerte einen entfernten Verwandten, der ihr von der Familie zugedacht war, zu heiraten. Fünfzehn Jahre wegen Totschlags hat die Kammer ihm aufgebrummt.“ Brunner gab Gas, weil sich die Schlange jetzt zügiger weiterschob, dabei fuhr er fort: „Der Oberstaatsanwalt, der dieses Verfahren angeklagt hatte, ein Dr. Christian Haenisch, wurde jetzt vom Ministerpräsidenten zum Staatssekretär im Innenministerium ernannt. Spezialauftrag: Unter Federführung des Landeskriminalamtes Bekämpfung der illegalen Machenschaften der beiden Clans hier in Bayern. Zerschlagung der illegalen Untergrundstrukturen der beiden Familienclans, Schutz von verfolgten Frauen und letztlich Beweisbeschaffung zur gerichtlichen Verfolgung dieser Straftaten. Federführend durch meine Soko!“

      Simon Kerner stieß bewundernd die Luft aus. „Da hat sich Bayern aber was vorgenommen!“

      „Das kannst du laut sagen!“

      Brunner gab mehr Gas, weil sich der Stau langsam auflöste, ohne dass ersichtlich wurde, warum er sich eigentlich gebildet hatte.

      „Dir ist schon klar, das ist eine verdammt gefährliche Sisyphusarbeit!“, äußerte Kerner seine Einschätzung. „Warum hast du dir das angetan? War es dir bei der Mordkommission zu langweilig?“

      „Dr. Haenisch hat mit mir in zahlreichen Strafverfahren zusammengearbeitet. Er wollte mich ausdrücklich für diesen Job haben.“

      Kerner schwieg.

      „Wir bekommen für die Soko jede personelle und technische Unterstützung, die wir benötigen. Da werden wirklich Nägel mit Köpfen gemacht. Der Staatssekretär wird auch nicht in München residieren. Er wird irgendwo im Spessart, im Zentrum der Bandentätigkeit, ein geeignetes Haus beziehen. Wir sind auch für seinen persönlichen Schutz zuständig. Du kannst dir ja vorstellen, wir stechen da in ein böses Hornissennest.“

      Das blaue Wegweiserschild zeigte noch zwanzig Kilometer bis zur Abfahrt Würzburg – Heidingsfeld. Die restliche Strecke legten sie schweigend zurück.

      Brunner fuhr zuerst bei sich zuhause vorbei, um Kerner die Möglichkeit zu geben, sein Gepäck unterzubringen und sich kurz frisch zu machen. Währenddessen räumte er selbst einige Sachen in einen Koffer zusammen, damit er sich an der neuen Dienststelle umziehen konnte. Als Kerner aus der Dusche kam, zeigte Brunner ihm seinen Kleiderschrank.

      „Ich habe dir, soweit es ging, Platz gemacht.“ Er wies auf einen kleinen Tresor, der in den Schrank eingebaut war. „Der ist für meine Dienstwaffe, wenn ich nach Feierabend zuhause bin. Aber …“, er drückte in die Tastatur eine Zahlenkombination ein und die gepanzerte Tür schwang auf, „… hier verwahre ich auch meine private Zweitwaffe.“ Er griff in den Tresor und brachte einen Revolver zum Vorschein, der in einem Corduraholster steckte. „Für alle Fälle. In meinem Beruf weiß man ja nie …“ Er zog den kurzläufigen Revolver heraus und klappte die Trommel auf. „Er ist immer geladen. Munition liegt auch dabei.“ Er deutete auf eine Munitionsschachtel. „Ich werde ihn nicht mitnehmen, sondern hierlassen.“ Er legte die Waffe wieder zurück. „Falls du mal Bedarf hast … Die Kombination ist simpel.“ Er nannte ihm die Zahlenreihe.

      „Besser nicht, das wäre illegal“, gab Kerner zurück. „Ich habe gerade andere Sorgen.“

      Wenig später händigte Brunner seinem Freund einen Schlüssel für seine Wohnung aus, dann fuhr er ihn zur Universitätskinderklinik. Er bat Kerner, Theresa und Clara liebe Grüße auszurichten, dann verabschiedete er sich. In den nächsten Tagen würde er wohl nicht nach Hause kommen.

       Die Stimme

      Der Anruf mit dem speziellen Klingelton kam wieder kurz nach Mitternacht. Der Angerufene nahm das Gespräch an, wohl wissend, wer sich am anderen Ende der Leitung befand.

      „Ja“, meldete er sich knapp. „Ich habe deinen Anruf schon seit geraumer Zeit erwartet.“ Seine Stimme klang streng.

      Wegen der Verfremdung waren ihr keine Emotionen anzumerken.

      „Du weißt, dass ich mit diesen Informationen Kopf und Kragen riskiere. Außerdem sind die aktuellen Entwicklungen noch nicht hundertprozentig abgeschlossen.“

      Er nahm den Einwand zur Kenntnis, ging aber nicht weiter darauf ein. „Sprich!“

      „Ihr solltet Folgendes wissen: Es muss dem Landeskriminalamt schon vor längerer Zeit gelungen sein, einen Spitzel undercover in die Familie von Mustafa al-Asmani einzuschleusen. Jedenfalls haben sie Informationen über einen Teil bestimmter Geschäfte dieser Familie. Ich vermute, dass sie das auch bei euch versuchen werden – oder vielleicht schon getan haben. Diese Information ist streng geheim, davon weiß nur ein kleiner Kreis in der Führungsspitze, da diese Menschen ihr Leben riskieren. Ich bin sicher, dabei handelt es sich um Männer mit Migrationshintergrund, da sie ja weder durch Aussehen noch durch Sprache auffallen dürfen.“

      „Bis jetzt haben wir bei uns keinerlei Aktivitäten eines Spitzels festgestellt. Alle unsere Geschäfte sind reibungslos über die Bühne gegangen. Nie wurde ein Deal gestört oder verhindert.“

      „Sie haben jetzt diese Soko eingerichtet. Dahinter steckt ein massiver politischer Wille, sonst hätten sie nicht ihre Aktivitäten auf die Ebene eines Staatssekretärs gehoben. Vermutlich warten sie auf den großen Coup, um zuzuschlagen. Sie werden sicher ihre Undercover-Leute nicht wegen einer Kleinigkeit verbrennen.“

      „Gut, wir sind gewarnt“, gab der Angerufene zurück, „und werden die Augen offenhalten.“

      „Ihr solltet aber jetzt nicht anfangen alle Familienmitglieder misstrauisch zu beobachten. Wenn sie merken, dass ihr gewarnt wurdet, werden sie die eingeschleuste Person sofort zurückziehen. Ach, noch etwas. Meine Quellen sind für mich nicht mehr so leicht zugänglich, ohne mich verdächtig zu machen. Es kann sein, dass der Informationsfluss


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