Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker

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Carstens schluckte. "Tja, ich meine ja nur. Meinert sagte so etwas letztens..."

      "Sprechen Sie von Meinert Steen? Kriminalhauptkommissar Meinert Steen?"

      Carstens nickte hastig. "Ja, genau!"

      "Ist der auch im Yacht-Club?"

      "Hören Sie, was wollen Sie eigentlich? Sie schnüffeln hier herum, stellen Fragen, die..."

      "..die Ihnen schon zu nahe gehen? Tut mir leid, ich wollte nicht indiskret sein. Es ist nur so: Angeblich soll Sluiter an oder auf seinem Boot gestorben sein. Aber ich habe dahinten bei der Töpferei einen seiner Kugelschreiber gefunden und frage mich jetzt, ob er nicht auch dort zu Tode gekommen sein könnte." Lorant zuckte die Achseln. "Darüber mache ich mir eben so meine Gedanken."

      "Na, dann denken Sie mal schön..."

      "Sagen Sie, Sie kennen nicht zufällig jemanden, der ein Motiv gehabt haben könnte, Gretus Sluiter umzubringen?"

      Ihno Carstens' Gesicht wurde starr. "Niemand, den ich kenne, würde so etwas tun!", behauptete er.

      Lorant zuckte die Achseln.

      "Jemand HAT es aber getan, Herr Carstens."

      Er wandte sich herum, ging in Richtung des Liegeplatzes der JERRY. "Vielleicht sehen wir uns ja nochmal und unterhalten uns etwas ausführlicher!", rief er Carstens zu, bevor er dann mit einem weiten Schritt an Bord des Jollenkreuzers ging. Es war nicht ganz leicht, über die Reling zu klettern. Mit dem Klettverschluss eines Turnschuhs blieb er im Netz hängen.

      "Was machen Sie?", rief Carstens.

      "Ich sehe mich um!"

      "Dürfen Sie das denn?"

      "Frau Sluiter bezahlt mich sogar dafür!"

      Lorant ließ den Blick schweifen. Die Polizei hatte die JERRY vermutlich gründlich unter die Lupe genommen. Hoffentlich gründlich genug!, dachte Lorant. Auf Blutspuren oder Fingerabdrücke brauchte er jetzt nicht mehr zu hoffen. Dazu war auch schon viel zu viel Zeit vergangen. Und das überaus feuchte ostfriesische Wetter hatte eine gewissermaßen reinigende Wirkung.

      Sluiter wandte sich dem Kajüteneingang zu.

      Das Schloss war leicht mit einer Kreditkarte zu öffnen.

      Im Inneren herrschte Chaos. Segelzeug, eine Anglerhose, zwei lange Ruder für den Fall einer Flaute, ein geöffneter Werkzeugkasten.

      Lorant stieg hinab.

      An der Wand hing ein Barometer, daneben eine Meerjungfrau aus Messing. Das Innere war mit Holz ausgetäfelt.

      Auf dem Boden fiel Lorant eine Kugel auf.

      Eine Boßel-Kugel, wie er inzwischen aus eigener leidvoller Erfahrung wusste.

      Lorant nahm sie in die Hände.

      Die Kugel bestand aus Hartholz.

      Wieso hat er dieses Ding nur mit auf sein Boot genommen?, fragte sich Lorant und ließ sich mit der Kugel im Arm auf das Polster der Sitzbank nieder.

      Es muss einen vernünftigen Grund dafür geben!, durchzuckte es ihn. Er zermarterte sich förmlich das Hirn darüber. Im Geist hörte Lorant die swingende Basslinie von SO WHAT. Mit dem linken Fuß trat er die betonten Taktzeiten mit, während seine Finger auf der Hartholzkugel herumtickten.

      Es musste eine Erklärung geben!

      Aber da war eine andere Stimme in ihm, die ganz anderer Ansicht war.

      Hat es für das Verschwinden deiner Frau eine Erklärung gegeben, Lorant?, fragte diese Stimme. Das unerklärbare Chaos ist der Normalzustand der Welt, Lorant! Vergiss das nicht!

      Lorant schloss für einige Sekunden die Augen.

      Jetzt nicht, dachte er. Jetzt bitte nicht diese Gedanken.

      ––––––––

      8.

      Am nächsten Morgen frühstückte Lorant in Beate Jakobs' Lokal. Wie bei Oma zu Besuch!, dachte Lorant. Nur der etwas überdimensionierte Schanktisch erinnerte daran, dass man sich in einem Gasthaus befand. Dieser Schanktisch war mit seinen abgerundeten Formen ganz im Stil der Siebziger. Wahrscheinlich genauso alt wie die Wasserleitung und der Kaugummiautomat, der an der Wand hing.

      Der Kaffee war ziemlich dünn, aber ansonsten war das Frühstück genau nach Lorants Geschmack.

      Mohnhörnchen, Brötchen, ein weich gekochtes Ei und Aufschnitt.

      "Ich gebe ja zu, dass ich nich' allzu oft Kaffee koche!", meinte Beate Jakobs. "Wenn Sie Tee genommen hätten, dann hätten Sie den so richtig nach Friesen-Sitte serviert gekriegt. Aber bei uns im Haus trinkt niemand Kaffee."

      "Ist alles in Ordnung, Frau Jakobs."

      "Wenn Sie wollen, können Sie die Zeitung haben. Hat mein Schwiegersohn schon gelesen -—ist aber noch alles drin."

      "Gerne."

      Beate Jakobs ging hinter den Tresen, holte die wieder zusammengefaltete Zeitung und reichte sie Lorant. "Mein Schwiegersohn hat sie auch bestimmt nich' auf'm Klo gelesen, sondern in der Küche."

      Lorant lächelte.

      "Ich werde sie trotzdem lesen. Danke."

      "Es wäre allerdings schön, wenn Sie sie ebenfalls wieder zusammenfalten würden. Ich habe nämlich zur Zeit noch einen anderen Gast. Kommt aus'm Ruhrgebiet. Der steht allerdings immer erst sehr viel später auf und..."

      "...und der soll auch noch alles lesen können."

      "So is' es!"

      "Kein Problem."

      Lorant schob das Mohnhörnchen in den Mund, biss ein Stück davon ab und begann zu kauen, während Beate Jakobs in der Küche verschwand.

      Lorant schlug die Zeitung auf.

      Eine Schlagzeile lautete:

      KICKERS EMDEN: LEISTUNGSTRÄGER SOLLEN BLEIBEN!

      Lorant blätterte weiter.

      ALTE FLIEGER UND ALTE AUTOS, hieß es da. JAGDGESCHWADER 71 'RICHTHOFEN' IN WITTMUND VERLIERT SICHERUNGSSTAFFEL UND HOFFT AUF STAB, lautete der Untertitel. Und weiter: 'Für die Gebäude ist so wenig Geld da, dass womöglich die Sporthalle geschlossen werden muss. Eine schlechte Nachricht auch für Zivilisten, denn die Halle wird auch von Vereinen genutzt.' Auf dem zum Bericht gehörigen Foto lächelte der Standort-Kommodore zwar, aber das Zitat, mit dem er wiedergegeben wurde, wirkte eher besorgniserregend: 'In den letzten zwei Wochen mussten drei Mal Flugübungen unterbrochen werden, weil das vorgeschriebene vierte Feuerwehrauto ausfiel. Es ist ein Trauerspiel.'

      Unter diesen Bedingungen macht so ein Kommodore-Job wohl auch keinen Spaß mehr!, dachte Lorant. Gut, dass der Kalte Krieg vorbei ist!

      Dann fiel dem Detektiv eine kleine Meldung am Rand auf.

      LEICHE MIT BOßEL-KUGEL IM ARM

      Lorant war wie elektrisiert.

      'Auf der an der A 28 in der Nähe von Oldenburg gelegenen Autobahnraststätte Huntetal wurde die Leiche eines Mannes entdeckt. Der Tote war in einen Teppich eingewickelt worden und muss so die letzten Wochen in einem Gebüsch hinter der Leitplanke bei der Ausfahrt gelegen haben. Da die Leiche keine Papiere bei sich trug und laut Polizeisprecher Barstrup vom Dezernat für Tötungsdelikte starke Spuren der Verwesung aufwies, konnte der Mann bislang nicht identifiziert werden. Als Todesursache werden Schläge auf den Kopf angegeben. Im gerichtsmedizinischen Institut Bremen versucht man jetzt, die genaue Todeszeit zu ermitteln sowie eine plastische Rekonstruktion des Gesichtes zu erstellen, um eine Identifikation zu ermöglichen. Rätsel gibt der ermittelnden Mordkommission auch eine Boßel-Kugel auf, die mit dem Opfer zusammen in den Teppich eingerollt


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