Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten. Alfred Bekker
„Wenn es ein Prepaid-Handy ist, sehen wir alt aus, aber wenn es unter Vertrag läuft, bekommen wir heraus, zu wem die Nummer wirklich gehört.“ Arno Kleppke wandte sich zum Gehen.
„Arno!“
„Was ist noch?“
„Du könntest Danke sagen.“
Arno Kleppke machte stattdessen eine wegwerfende Handbewegung.
Berringer wandte sich an Vanessa. „Wir machen für heute Feierabend. Sei morgen pünktlich im Büro.“
„Ich hatte bisher immer den Eindruck, du bist so ein harter Hund, der sich in einen Fall verbeißt und nicht locker lässt, bis er ihn aufgedröselt hat.“ Vanessa wirkte etwas enttäuscht. Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
„Heute haben wir genug für den Tagessatz getan“, meinte Berringer.
„Wie du meinst - Berry! So nennen dich doch deine Freunde, oder?“
„Aber nicht mein Hilfspersonal“, versetzte Berringer lakonisch.
Auf dem Rückweg nach Düsseldorf erhielt er einen Anruf von Mark Lange.
„Ich habe mich unter ehemaligen Delos-Kollegen umgehört. Einer arbeitet jetzt als Sicherheitskraft bei Avlar Sport – das ist eine Tochterfirma von Geraths Avlar Tex, die sich auf Fasern für Sport- und Outdoorkleidung spezialisiert hat. Er ist zwar erst seit drei Monaten dabei, aber ihm kommt der ganze Laden bereits mächtig spanisch vor. Bist du auf dem Weg ins Büro, dann kann ich dir dort die Einzelheiten erzählen.“
„Nein, ich wollt heute nicht mehr ins Büro. Ich schlage vor, wir treffen uns im Ohme Jupp. Ich hab nämlich noch nichts gegessen und ziemlichen Kohldampf.“
„In Ordnung.“
Als Robert Berringer im „Ohme Jupp“ an der Raringer Straße eintraf, wartete Mark Lange dort bereits seit einer ganzen Weile. Vor ihm stand ein halbleeres Glas Altbier.
Berringer setzte sich.
Das „Ohme Jupp“ war eine gemütliche Szenekneipe mit Bistroküche. Berringer frühstückte dort ab und zu, wenn nicht gerade ein Klient in seinem Büro wartete.
Manchmal war er auch abends hier, hing seinen Gedanken nach, beobachtete die Leute und hörte ihren Gesprächen zu.
Berringer bestellte ein Sandwich und einen Cappuccino.
Mark Lange hob das Glas und meinte: „Du trinkst jetzt noch Cappuccino?“
„Ja.“
„Du stammst nicht hier aus Düsseldorf? Gebürtig meine ich?“
„Nee.“
„Sieht man.“
„Wieso?“
„Du trinkst kein Alt. Genau das macht dich hier zum Ausländer.“ Berringer lächelte mild. „Und so was muss ich mir nach über zwanzig Jahren, die ich nun schon in dieser Stadt lebe, sagen lassen!“
„Alt oder Kölsch ― das ist ein Unterschied, der ist noch wesentlicher als evangelisch oder katholisch, hat mein Vater immer gesagt.“
„Dem will ich nicht widersprechen.“
„Ich wette, du kommst aus Köln. Und weil es hier kein Kölsch gibt, trinkst du lieber gar kein Bier, anstatt es mal mit Alt zu versuchen.“
„Falsch.“
„Wenn du schon nicht direkt aus Köln kommst, dann aber auf jeden Fall aus einem Ort, der südlich der Grenze zwischen Alt und Kölsch liegt. Sagen wir mal ...“
„Ich trinke überhaupt nichts mehr“, sagte Berringer. „Jedenfalls nichts, wo Alkohol drin ist. Weder Alt noch Kölsch.“
Mark Lange sah Berringer an, als hätte er ein exotisches Tier vor sich. „Das ist jetzt aber nicht wahr, oder?“
„Doch. Oder arbeitest du nicht für jemanden, der kein Bier trinkt?“ Mark Lange atmetet tief durch und wog skeptisch den Kopf. „Na, in Anbetracht der Situation auf dem Arbeitsmarkt will ich da mal eine Ausnahme machen“, sagte er schließlich und grinste. „Aber wenn ich das vorher gewusst hätte ...“
„Ich stamme aus dem nördlichen Münsterland“, sagte Berringer. „Lengerich, eine Kleinstadt zwischen Münster und Osnabrück. Da gibt’s wenigstens den Karneval nur in einer auf erträgliches Maß abgeschwächten Form und ...“ Mark Lange unterbrach ihn, indem er mahnend den Zeigefinger hob und drohte:
„Jetzt aber mal vorsichtig, Chef. Ein Wort gegen den Karneval ...“
„Den Kölner oder den Düsseldorfer?“, fragte Berringer grinsend.
Mark Lange tat verwundert. „Haben die in Köln einen Karneval?“ Beide lachten sie.
Die Bedienung kam und stellte Berringer das Sandwich und den Cappuccino hin.
Vom Cappuccino nahm Berringer einen kräftigen Schluck und aß zuerst den beigelegten Keks.
„Du wolltest mir was über ein Tochterunternehmen von Geraths Avlar Tex erzählen.“ Mark Lange nickte. „Ja. Avlar Sport hat ein eigenes Sportlabel und scheint in den Geschäften gut vertreten zu sein. Sie produzieren auch für große Supermarktketten, die Sportswear als Sonderangebote raushauen. Mein Ex-Kollege Rüdiger war dort die letzten drei Monate Nachtwächter, und den Job will er natürlich behalten.“
„Weswegen wir mit seiner Aussage nicht zur Polizei gehen könnten.“
„Er würde Stein und Bein schwören, mich nicht zu kennen.“
„Wie auch immer, was hat dir dieser Rüdiger so Interessantes erzählt?“
„Da kommen nachts LKW-Ladungen mit Ware, die ein paar Tage gelagert wird, bevor sie wieder jemand abholt. Das Geschäft läuft über einen rumäniendeutschen Import/Export-Kaufmann, der in der Szene einschlägig bekannt ist.“
„Hat dieser Rüdiger einen Namen fallen lassen?“
„Commaneci.“
„Ferdinand Commaneci?“, fragte Berringer. „Der Besitzer von Garol ImEx, Bukarest und Düsseldorf?“
„Das war der Name, ja.“
„Das bedeutet, unser biederer Herr Gerath ist vielleicht tiefer in diese Mafiageschäfte verwickelt, als er uns glauben machen wollte.“
„Avlar Sport wird von einem gewissen Frank Severin geleitet, der dort den Geschäftsführer gibt und wohl ziemlich nach Belieben schalten und walten darf, solange keine Verluste eingefahren werden“, berichtete Mark Lange. „Übrigens hat Rüdiger neulich mal mitgekriegt, wie Severin von ein paar der Typen, die die Lastwagen fahren, ziemlich übel unter Druck gesetzt wurde. Aber Severin tat anschließend so, als wäre nichts gewesen.“
„Klingt, als wäre da eine Spur in unserem Fall.“
„Noch was ist seltsam: Die Ware, die nachts angeliefert wird, passt überhaupt nicht zur Produktpalette, sagt Rüdiger.“
„Und was ist das für Ware?“
„Billig-Trikots, T-Shirts und Jogginganzüge.“
„Also nichts mit High-Tech-Edelfasern?“
Mark Lange schüttelte den Kopf. „Chemisch gefärbte Baumwolle, die ausläuft, wenn man schwitzt. Sagt Rüdiger.“
„Hat dieser Rüdiger denn überhaupt Ahnung von solchen Sachen?“ Mark Lange schüttelte den Kopf. „Rüdiger nicht. Er hat das aber von einem Kollegen, der Bescheid weiß.“
Also auch wieder nur Hörensagen, dachte Berringer. Wie bei dem bekannten Spiel
„Stille Post“. Einer flüsterte dem anderen was zu, und nach ein paar Stationen hat sich die Botschaft