Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis. Meinhard-Wilhelm Schulz

Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis - Meinhard-Wilhelm Schulz


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ich schlage vor, Volpe und der Doktor kommen mit. Sie sind ja ohnehin in die Sache verwickelt und haben uns ein paar kleinere Tipps gegeben, die durchaus nützlich waren. Ich denke, sie haben einen gewissen Anspruch auf einen Teil der 20.000 Euro, die als Belohnung zur Ergreifung des Würgers von Venedig ausgesetzt sind.«

      Ich blickte Volpe an. Er grinste breit und nickte. Ich erklärte unsere Bereitschaft, die beiden zu begleiten.

      »Bevor wir los ziehen, muss ich noch die Leute von den Zeitungen informieren, damit wieder Ruhe unter das Volk kommen kann«, sagte Marcello.

      Gemeinsam traten wir also vor die Traube der Reporter, die uns erwartungsfroh entgegen sahen. Marcello nahm das Wort und sagte mit feierlichem Ernst:

      »Meine sehr verehrten Herren, ich kann euch eine Botschaft der Freude übermitteln: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben wir den Würger von Venedig verhaftet. Dieser Erfolg ist vor allem der Umsicht, Entschlossenheit und Energie meines geschätzten Tenente di Fusco zu verdanken. Freilich wollen wir hierbei die Hilfe, die uns Signore Giuseppe Tartini hat angedeihen lassen, auch nicht verschweigen. Doktor Petrescu sei ebenfalls herzlich gedankt! Jeder hatte seine eigenen Methoden, den Fall zu lösen, und erst der Vergleich der Ergebnisse erbrachte die Überführung des Täters.«

      »Dürfen wir wissen, wer der Mörder ist?«, fragte Scimmia.

      »Italien ist ein Rechtsstaat. Wir dulden keine Vorverurteilung. Daher bitten wir um Geduld, bis morgen. Um die Mittagsstunde, hoffe ich, kann ich Näheres mitteilen. Vielen Dank, meine Herren. Erfüllt jetzt eure Pflicht und unterrichtet das Volk, dass der Mörder hinter Gittern sitzt.«

      Nachdem er dies gesagt hatte, stürmte alles, was den Namen ‚Reporter‘ trug, aus dem Haus, um sich in alle vier Himmelsrichtungen zu zerstreuen. Wir warteten noch eine Zeitlang, bis Ruhe eingekehrt war, um uns dann in die Schluchten der Stadt zu begeben. Ziel war die ominöse ‚Calle Larga Doge Priuli‘.

      Sofort begannen wir damit, Pflaster zu treten. Meine Füße, so wollte es mir vorkommen, waren zu einer einzigen Schwellung entartet. Mühsam humpelte ich hinter den anderen her, bis wir das gesuchte dreistöckige Haus mit seiner grell erleuchteten Metzgerei erreichten. Sie war im Gewölbe des Erdgeschosses untergebracht. Wir gingen in den Laden hinein.

      Ein dicker Mann in Schürze stand vor dem Hackklotz, ohne uns zu bemerken und zerteilte Fleisch in kleinere Portionen. An den Haken vor einer gekachelten Wand hingen mit dem Kopf nach unten wie Perlenschnüre die Würste; daneben der Schinken eines Schweines. Ambrosio räusperte sich hörbar. Der Metzger fuhr herum und sah erstaunt auf uns vier Männer, war er es doch gewohnt, meist nur Frauen an der Theke zu begrüßen:

      »Was darf’s sein, Signori?«, fragte er freundlich.

      »Capitano Marcello und Tenente di Fusco von der Stadtwache«, sagte Ambrosio barsch und richtete sich stramm auf.

      »Ach, so ist das«, sagte der Metzger erbleichend, »ihr seid gekommen, um mich zu kontrollieren. Nun, ich habe nichts zu verbergen. Womit kann ich dienen?«

      »Wir sind ausnahmsweise einmal nicht gekommen, zu überprüfen, was in deiner Wurst so alles untergebracht ist. Heute geht es uns um andere Dinge, die wir wissen wollen: Oben in diesem Haus«, sagte Marcello, »wohnt die verwitwete Frau deines Vorgängers, nicht wahr?«

      »So ist es. Signora Maria Augusta Tiepolo. Ihr gehört das ganze Gebäude. Ich bin nur Mieter.«

      »Gut«, sagte Marcello, »dann solltest du auch den Sohn deiner Vermieterin kennen?«

      »Natürlich! Er heißt Raimondo, adoptierter d‘ Inceto und ist ihr Ein und Alles. Kaum ein Tag vergeht, an dem er ihr nicht seine Aufwartung macht. Es ist, einmal abgesehen von seinem Hang zum Jähzorn, ein reizender Junge und seiner Mutter sehr zugetan. Er hätte das Geschäft hier vom Vater übernehmen können, aber weder er noch seine Mutter mögen mein Handwerk, und ich denke, er ist dafür auch nicht geeignet. Warum ihn der Graf adoptiert hat, weiß ich nicht. Jetzt hat er Geld wie Heu.«

      »War Raimondo auch gestern hier?«

      »Darauf habe ich nicht geachtet. Er kommt so oft, dass man es kaum noch zur Kenntnis nimmt. Niemand achtet mehr auf ihn, wenn er hier erscheint, ja, man könnte ihn sogar für einen Unsichtbaren halten.«

      »Wie lange warst du gestern noch im Laden.«

      »Bis zur gegen 21. 00 Uhr. Dann habe ich geschlossen und bin nach Hause gegangen. Ich wohne nicht hier; ich lebe unten in einem Hinterhaus an ‚Strada Nuova‘.«

      »Schade, wirklich schade!«, murmelte Marcello.

      Wir bedankten uns beim Fleischermeister für die Auskünfte und begaben uns durch die doppelflügelige Tür hinein in den spärlich erleuchteten Hauskorridor.

      Im Unterschied zum Palast des Raimondo und der Cornelia war das Treppenhaus hier schmaler, die Stufen steiler, die Türen enger, die Luft dumpfer und von Küchengerüchen geschwängert. Kein Läufer dämpfte unsere Schritte auf dem ausgetretenen Sandstein; billige Pappkartons mit den Namen der Wohnungsinhaber ersetzten die Messingschilder, kurz: Wir waren in einem herunter gewirtschafteten Mietshaus gelandet. Noch standen wir unschlüssig im Dämmerlicht, als Marcello lautstark »ich hab‘s« rief. Volpe fragte ihn, was das sei. Er flüsterte:

      »Es ist schon über ein Jahr her, da ist dieses Muttersöhnchen mit einer Frau in Streit geraten. Worum es ging, konnte nicht ermittelt werden. Jedenfalls hat sie dieser Wüterich auf offener Straße zusammengeschlagen. Wären ihm nicht einige Passanten in den Arm gefallen, wer weiß? Vielleicht hätte er sie noch umgebracht. Es kam aber zu keinem Prozess. Die Frau zog die Anzeige zurück, nachdem sie ein fürstliches Schmerzensgeld erhalten hatte, und das war’s, woran ich mich vorhin vergeblich zu erinnern suchte. Wir mussten den gewalttätigen Mann freilassen.«

      »Verdammt vielsagend«, sagte Volpe, und wir setzten unseren Weg treppauf fort. Erst im dritten Obergeschoss fanden wir den richtigen Eingang und lasen auf dem Schild, dass hier eine Signora Tiepolo wohne.

      Mangels einer Klingel klopften wir an. Es dauerte ein Wenig, dann öffnete sich die Tür knarrend. Vor uns stand eine schmale Frau, die erheblich jünger war, als wir uns das vorgestellt hatten, dezent in ein hübsches langes Gewand gehüllt, fein geflochtene Sandalen an den Füßen und musterte uns neugierig:

      »Was wollt ihr von mir, Signori?«

      »Ich bin Capitano Marcello von der Stadtwache, und das ist mein Mitarbeiter di Fusco. Ferner sind Giuseppe Tartini und sein Freund mitgekommen. Wir müssen Sie in einer wichtigen Angelegenheit sprechen. Dürfen wir eintreten?«

      »Und Sie wollen wirklich zu mir, einer schwachen Frau, und das gleich ganze vier Mann hoch?«

      Es war jetzt an mir, dem erfahrenen Arzt, sie einzuschätzen. Meine Blicke glitten aufmerksam an ihr auf und ab:

      Sie war Anfang vierzig, sah gut aus; etwa so groß wie ich; dunkle Augen; schlank und rank; dennoch von weiblicher Figur, und mit ihren Rundungen das Gegenteil der kaum jüngeren Schwiegertochter; aber nicht so blond wie ihr Sohn, eher brünett, das kurz gehaltene, von der Brennschere gewellte Haar mit einigen Silberfäden durchwirkt. Sie mochte einst als Schönheit gegolten haben, denn auch jetzt noch machte sie Eindruck auf mich. Der Sohn, dem sie in jugendlichem Jahre das Leben geschenkt hatte, war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten und hatte das feine Antlitz der Mutter geerbt.

      »Wenn es denn sein muss«, seufzte sie, »dann kommen Sie herein in die gute Stube!«

      Wir folgten ihr. Sie knipste eine Deckenleuchte an, um das Dämmerlicht zu verscheuchen, bot uns Sitzgelegenheiten an und setzte uns mit Wasser verdünnten Wein vor. Ihre Wohnung war klein, aber geschmackvoll möbliert und reinlich. Wenn sie etwas von den Umtrieben des Sohnes wusste, verstand sie es hervorragend, dies zu verbergen. Fragend sah sie nun von einem von uns zum anderen. Volpe sagte:

      »Liebe Signora Tiepolo, wann haben Sie Ihren Sohn das letzte Mal gesehen? War es nicht vergangene Nacht?«

      Das Wort »Sohn« aus dem Mund meines Freundes genügt, sie empört empor springen


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